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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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zeigte ihnen, daß es eine von gekautem Pa-
piere, nach dem Leben lackirte Nase war. --
Dieses ist ein Geschenk von meinem Marchese,
dessen Gunst mich um meine natürliche ge-
bracht hatte: er schnaubte und drohte mit
dem fürchterlichsten italiänischen Zorne; da
aber die Unternehmung sehr heimlich von mir
unbekannten Leuten geschehen war, so konnte
ich seiner Rache nicht zu dem verdienten Ge-
genstands verhelfen. Kurz darauf fiel es ei-
ner andern als sehr anstößig auf, daß ich
eine so reine fleckenlose weiße Haut hatte,
und sie doch, wenn sie in den schönsten vene-
tianischen Spiegel sah, auf ihrem Gesichte
eine Fläche erblickte, die mit Leberflecken und
Sommersprossen, wie eine Landcharte, illumi-
nirt war. -- Eine andre von einem zweifel-
haften Kolorite zwischen kastanienbraun und
schwarzgelb, stimmte in ihre Beschwerden
über meine schöne spiegelebne Haut ein und
vereinigte sich mit ihr zur Rache. Sie lies-
sen mir durch unbekannte Hände meine Wan-
gen so jämmerlich zersägen, daß nach der Hei-
lung eine Naht, eine Narbe an der andern
sich darauf befand, und die ganzen Backen
einem frisch gepflügten Felde voller Furchen

zeigte ihnen, daß es eine von gekautem Pa-
piere, nach dem Leben lackirte Naſe war. —
Dieſes iſt ein Geſchenk von meinem Marcheſe,
deſſen Gunſt mich um meine natuͤrliche ge-
bracht hatte: er ſchnaubte und drohte mit
dem fuͤrchterlichſten italiaͤniſchen Zorne; da
aber die Unternehmung ſehr heimlich von mir
unbekannten Leuten geſchehen war, ſo konnte
ich ſeiner Rache nicht zu dem verdienten Ge-
genſtands verhelfen. Kurz darauf fiel es ei-
ner andern als ſehr anſtoͤßig auf, daß ich
eine ſo reine fleckenloſe weiße Haut hatte,
und ſie doch, wenn ſie in den ſchoͤnſten vene-
tianiſchen Spiegel ſah, auf ihrem Geſichte
eine Flaͤche erblickte, die mit Leberflecken und
Sommerſproſſen, wie eine Landcharte, illumi-
nirt war. — Eine andre von einem zweifel-
haften Kolorite zwiſchen kaſtanienbraun und
ſchwarzgelb, ſtimmte in ihre Beſchwerden
uͤber meine ſchoͤne ſpiegelebne Haut ein und
vereinigte ſich mit ihr zur Rache. Sie lieſ-
ſen mir durch unbekannte Haͤnde meine Wan-
gen ſo jaͤmmerlich zerſaͤgen, daß nach der Hei-
lung eine Naht, eine Narbe an der andern
ſich darauf befand, und die ganzen Backen
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[107/0127] zeigte ihnen, daß es eine von gekautem Pa- piere, nach dem Leben lackirte Naſe war. — Dieſes iſt ein Geſchenk von meinem Marcheſe, deſſen Gunſt mich um meine natuͤrliche ge- bracht hatte: er ſchnaubte und drohte mit dem fuͤrchterlichſten italiaͤniſchen Zorne; da aber die Unternehmung ſehr heimlich von mir unbekannten Leuten geſchehen war, ſo konnte ich ſeiner Rache nicht zu dem verdienten Ge- genſtands verhelfen. Kurz darauf fiel es ei- ner andern als ſehr anſtoͤßig auf, daß ich eine ſo reine fleckenloſe weiße Haut hatte, und ſie doch, wenn ſie in den ſchoͤnſten vene- tianiſchen Spiegel ſah, auf ihrem Geſichte eine Flaͤche erblickte, die mit Leberflecken und Sommerſproſſen, wie eine Landcharte, illumi- nirt war. — Eine andre von einem zweifel- haften Kolorite zwiſchen kaſtanienbraun und ſchwarzgelb, ſtimmte in ihre Beſchwerden uͤber meine ſchoͤne ſpiegelebne Haut ein und vereinigte ſich mit ihr zur Rache. Sie lieſ- ſen mir durch unbekannte Haͤnde meine Wan- gen ſo jaͤmmerlich zerſaͤgen, daß nach der Hei- lung eine Naht, eine Narbe an der andern ſich darauf befand, und die ganzen Backen einem friſch gepfluͤgten Felde voller Furchen

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/127>, abgerufen am 24.11.2024.