den Zepter aus den Händen reißen und sich ihr zum Mitregenten aufdringen? Wenn herrschen das edelste, das erhabenste ist, so kann wohl keine Herrschaft begehrungswürdi- ger seyn, als diejenige, die man mit nieman- dem als dem Schicksale theilt: höher läßt sich für Sterbliche nichts denken. Es kam bey der Ausführung nur darauf an, daß einem Paar Millionen Menschen die Hirn- schädel zerschlagen wurden, daß etliche hun- derttausend Kinder ihre Eltern, eben so viele Eltern ihre Kinder, oder Weiber ihre Män- ner einbüßten, daß etliche tausend vergiftet, ermordet, erwürgt wurden: aber was ist al- les dieses gegen einen so schönen großen herr- lichen Plan, der Ueberwinder und Lehusherr von ganz Asien zu seyn? -- Jch habe auch wirklich schon Anstalten dazu machen müssen; den Kardinälen Quirinale, Escuriale, Vati- kano, Monte Cassino und andern habe ich, als sie auf meinem Schooße schliefen, giftige Federn in den Hals gesteckt, die sie insge- samt gierig hinunterschlungen und in zwölf Stunden daran starben, weil sie mit dem chinesischen Kaiser in einem heimlichen Ver- ständnisse seyn sollten.
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den Zepter aus den Haͤnden reißen und ſich ihr zum Mitregenten aufdringen? Wenn herrſchen das edelſte, das erhabenſte iſt, ſo kann wohl keine Herrſchaft begehrungswuͤrdi- ger ſeyn, als diejenige, die man mit nieman- dem als dem Schickſale theilt: hoͤher laͤßt ſich fuͤr Sterbliche nichts denken. Es kam bey der Ausfuͤhrung nur darauf an, daß einem Paar Millionen Menſchen die Hirn- ſchaͤdel zerſchlagen wurden, daß etliche hun- derttauſend Kinder ihre Eltern, eben ſo viele Eltern ihre Kinder, oder Weiber ihre Maͤn- ner einbuͤßten, daß etliche tauſend vergiftet, ermordet, erwuͤrgt wurden: aber was iſt al- les dieſes gegen einen ſo ſchoͤnen großen herr- lichen Plan, der Ueberwinder und Lehusherr von ganz Aſien zu ſeyn? — Jch habe auch wirklich ſchon Anſtalten dazu machen muͤſſen; den Kardinaͤlen Quirinale, Eſcuriale, Vati- kano, Monte Caſſino und andern habe ich, als ſie auf meinem Schooße ſchliefen, giftige Federn in den Hals geſteckt, die ſie insge- ſamt gierig hinunterſchlungen und in zwoͤlf Stunden daran ſtarben, weil ſie mit dem chineſiſchen Kaiſer in einem heimlichen Ver- ſtaͤndniſſe ſeyn ſollten.
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den Zepter aus den Haͤnden reißen und ſich
ihr zum Mitregenten aufdringen? Wenn
herrſchen das edelſte, das erhabenſte iſt, ſo
kann wohl keine Herrſchaft begehrungswuͤrdi-
ger ſeyn, als diejenige, die man mit nieman-
dem als dem Schickſale theilt: hoͤher laͤßt
ſich fuͤr Sterbliche nichts denken. Es kam
bey der Ausfuͤhrung nur darauf an, daß
einem Paar Millionen Menſchen die Hirn-
ſchaͤdel zerſchlagen wurden, daß etliche hun-
derttauſend Kinder ihre Eltern, eben ſo viele
Eltern ihre Kinder, oder Weiber ihre Maͤn-
ner einbuͤßten, daß etliche tauſend vergiftet,
ermordet, erwuͤrgt wurden: aber was iſt al-
les dieſes gegen einen ſo ſchoͤnen großen herr-
lichen Plan, der Ueberwinder und Lehusherr
von ganz Aſien zu ſeyn? — Jch habe auch
wirklich ſchon Anſtalten dazu machen muͤſſen;
den Kardinaͤlen Quirinale, Eſcuriale, Vati-
kano, Monte Caſſino und andern habe ich,
als ſie auf meinem Schooße ſchliefen, giftige
Federn in den Hals geſteckt, die ſie insge-
ſamt gierig hinunterſchlungen und in zwoͤlf
Stunden daran ſtarben, weil ſie mit dem
chineſiſchen Kaiſer in einem heimlichen Ver-
ſtaͤndniſſe ſeyn ſollten.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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