Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

ermüdeten mich: weswegen ich die meiste
Zeit der Reise geschlafen habe, besonders da
mein Liebhaber ein so schwerfälliger deutscher
Wizling war, daß ich tausendmal lieber den
Narren von Profession anhörte. Da ich ihm
auf der Reise so wenig Dienste gethan, vor-
nehmlich so wenig über seine Einfälle gelacht
hatte, so ward er im höchsten Grade unwil-
lig über mich; und da er eines Tages etwas
sagte, das ihm vorzüglich gefiel, und ich ganz
ungerührt fortschlief, so stieg sein Aerger über
meine Kaltblütigkeit so hoch, daß er mich
aus Rachsucht in den rechten Backen biß und
wenigstens eine gute Quente Fleisch hinweg-
nahm, weil nach seiner Meinung jedes seiner
Worte den Leuten auch im Schlafe gefallen
müßte. Zu Hause bey mir, sagte er oft,
sind die Leute wahrhaftig tausendmal klüger,
als in Frankreich und Jtalien. Alle Damen
haben die Mäuler schon offen, wenn ich nur
die Lippen bewege; und über meine Erzäh-
lung vom weißen Bäre haben in Einem Nach-
mittage drey Fräulein hysterische Zufälle be-
kommen; bey meiner Geschichte vom vogt-
ländischen Pfannkuchen überfiel eine meiner
Niecen vor Lachen ein so heftiger Schlucken,

ermuͤdeten mich: weswegen ich die meiſte
Zeit der Reiſe geſchlafen habe, beſonders da
mein Liebhaber ein ſo ſchwerfaͤlliger deutſcher
Wizling war, daß ich tauſendmal lieber den
Narren von Profeſſion anhoͤrte. Da ich ihm
auf der Reiſe ſo wenig Dienſte gethan, vor-
nehmlich ſo wenig uͤber ſeine Einfaͤlle gelacht
hatte, ſo ward er im hoͤchſten Grade unwil-
lig uͤber mich; und da er eines Tages etwas
ſagte, das ihm vorzuͤglich gefiel, und ich ganz
ungeruͤhrt fortſchlief, ſo ſtieg ſein Aerger uͤber
meine Kaltbluͤtigkeit ſo hoch, daß er mich
aus Rachſucht in den rechten Backen biß und
wenigſtens eine gute Quente Fleiſch hinweg-
nahm, weil nach ſeiner Meinung jedes ſeiner
Worte den Leuten auch im Schlafe gefallen
muͤßte. Zu Hauſe bey mir, ſagte er oft,
ſind die Leute wahrhaftig tauſendmal kluͤger,
als in Frankreich und Jtalien. Alle Damen
haben die Maͤuler ſchon offen, wenn ich nur
die Lippen bewege; und uͤber meine Erzaͤh-
lung vom weißen Baͤre haben in Einem Nach-
mittage drey Fraͤulein hyſteriſche Zufaͤlle be-
kommen; bey meiner Geſchichte vom vogt-
laͤndiſchen Pfannkuchen uͤberfiel eine meiner
Niecen vor Lachen ein ſo heftiger Schlucken,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0111" n="91"/>
ermu&#x0364;deten mich: weswegen ich die mei&#x017F;te<lb/>
Zeit der Rei&#x017F;e ge&#x017F;chlafen habe, be&#x017F;onders <hi rendition="#g">da</hi><lb/>
mein Liebhaber ein &#x017F;o &#x017F;chwerfa&#x0364;lliger deut&#x017F;cher<lb/>
Wizling war, daß ich tau&#x017F;endmal lieber den<lb/>
Narren von Profe&#x017F;&#x017F;ion anho&#x0364;rte. Da ich ihm<lb/>
auf der Rei&#x017F;e &#x017F;o wenig Dien&#x017F;te gethan, vor-<lb/>
nehmlich &#x017F;o wenig u&#x0364;ber &#x017F;eine Einfa&#x0364;lle gelacht<lb/>
hatte, &#x017F;o ward er im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade unwil-<lb/>
lig u&#x0364;ber mich; und da er eines Tages etwas<lb/>
&#x017F;agte, das ihm vorzu&#x0364;glich gefiel, und ich ganz<lb/>
ungeru&#x0364;hrt fort&#x017F;chlief, &#x017F;o &#x017F;tieg &#x017F;ein Aerger u&#x0364;ber<lb/>
meine Kaltblu&#x0364;tigkeit &#x017F;o hoch, daß er mich<lb/>
aus Rach&#x017F;ucht in den rechten Backen biß und<lb/>
wenig&#x017F;tens eine gute Quente Flei&#x017F;ch hinweg-<lb/>
nahm, weil nach &#x017F;einer Meinung jedes &#x017F;einer<lb/>
Worte den Leuten auch im Schlafe gefallen<lb/>
mu&#x0364;ßte. Zu Hau&#x017F;e bey mir, &#x017F;agte er oft,<lb/>
&#x017F;ind die Leute wahrhaftig tau&#x017F;endmal klu&#x0364;ger,<lb/>
als in Frankreich und Jtalien. Alle Damen<lb/>
haben die Ma&#x0364;uler &#x017F;chon offen, wenn ich nur<lb/>
die Lippen bewege; und u&#x0364;ber meine Erza&#x0364;h-<lb/>
lung vom weißen Ba&#x0364;re haben in Einem Nach-<lb/>
mittage drey Fra&#x0364;ulein hy&#x017F;teri&#x017F;che Zufa&#x0364;lle be-<lb/>
kommen; bey meiner Ge&#x017F;chichte vom vogt-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;chen Pfannkuchen u&#x0364;berfiel eine meiner<lb/>
Niecen vor Lachen ein &#x017F;o heftiger Schlucken,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0111] ermuͤdeten mich: weswegen ich die meiſte Zeit der Reiſe geſchlafen habe, beſonders da mein Liebhaber ein ſo ſchwerfaͤlliger deutſcher Wizling war, daß ich tauſendmal lieber den Narren von Profeſſion anhoͤrte. Da ich ihm auf der Reiſe ſo wenig Dienſte gethan, vor- nehmlich ſo wenig uͤber ſeine Einfaͤlle gelacht hatte, ſo ward er im hoͤchſten Grade unwil- lig uͤber mich; und da er eines Tages etwas ſagte, das ihm vorzuͤglich gefiel, und ich ganz ungeruͤhrt fortſchlief, ſo ſtieg ſein Aerger uͤber meine Kaltbluͤtigkeit ſo hoch, daß er mich aus Rachſucht in den rechten Backen biß und wenigſtens eine gute Quente Fleiſch hinweg- nahm, weil nach ſeiner Meinung jedes ſeiner Worte den Leuten auch im Schlafe gefallen muͤßte. Zu Hauſe bey mir, ſagte er oft, ſind die Leute wahrhaftig tauſendmal kluͤger, als in Frankreich und Jtalien. Alle Damen haben die Maͤuler ſchon offen, wenn ich nur die Lippen bewege; und uͤber meine Erzaͤh- lung vom weißen Baͤre haben in Einem Nach- mittage drey Fraͤulein hyſteriſche Zufaͤlle be- kommen; bey meiner Geſchichte vom vogt- laͤndiſchen Pfannkuchen uͤberfiel eine meiner Niecen vor Lachen ein ſo heftiger Schlucken,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/111
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/111>, abgerufen am 24.11.2024.