Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901].Seitdem ich in Amerika bin, hat sich viel ge- Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier Ich kenne an die hunderte von solchen, welche Seitdem ich in Amerika bin, hat sich viel ge- Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier Ich kenne an die hunderte von solchen, welche <TEI> <text> <body> <div n="7"> <div n="2"> <floatingText> <body> <div type="letter"> <pb facs="#f0061" xml:id="W544R3_001_1901_pb0055_0001" n="55"/> <p>Seitdem ich in Amerika bin, hat sich viel ge-<lb/> ändert in mir. Ich habe das Leben kennen gelernt<lb/> von allen Seiten, wie man es bei Euch in Euren<lb/> heimatlichen Bergen nicht findet. Dort wohnt die<lb/> Ehrlichkeit, die Liebe und das Vertrauen, und<lb/> hier? Hier hauset gemeine Selbstsucht, mit Schlechtig-<lb/> keit gepaart; hier hat die Sucht nach Geld und<lb/> daneben das Laster ihr Zelt aufgeschlagen. Darum<lb/> wehe der Jugend, deren Wille nicht stark genug<lb/> ist, sich durchzukämpfen durch den Sturm der Ver-<lb/> suchungen.</p> <p>Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier<lb/> wohl auch zu finden, aber sie sind sehr dünn<lb/> gesäet unter den Millionen von Mißgeburten. Lieber<lb/> Vater! Ich habe Glück in dieser Beziehung gehabt.<lb/> Ich fand Leute, deren Herz noch nicht verdorben<lb/> und vergiftet ist, die mich gehalten fast wie ihr<lb/> eigen Kind, und denen habe ich es zu verdanken,<lb/> daß ich noch gläubig und gut bin; <hi rendition="#g">denn ohne<lb/> Anhalt bei solchen Leuten ist einer meistens<lb/> ein verlorener Mensch, wenn er noch<lb/> ledig ist</hi>.</p> <p>Ich kenne an die hunderte von solchen, welche<lb/> jung ins Land kamen. Sie fielen in schlechte<lb/> Kameradschaft, und wenn sie ein schönes Geld<lb/> verdient hatten, gingen sie in die Städte und<lb/> verjubelten ihr Geld bis zum letzten Heller. Nach-<lb/> her auf die Straße gesetzt, mußten sie wieder der<lb/> Arbeit nach. Aber sie arbeiten nur so lange, bis<lb/> sie wieder einige Thaler ihr eigen nennen. Dann<lb/></p> </div> </body> </floatingText> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0061]
Seitdem ich in Amerika bin, hat sich viel ge-
ändert in mir. Ich habe das Leben kennen gelernt
von allen Seiten, wie man es bei Euch in Euren
heimatlichen Bergen nicht findet. Dort wohnt die
Ehrlichkeit, die Liebe und das Vertrauen, und
hier? Hier hauset gemeine Selbstsucht, mit Schlechtig-
keit gepaart; hier hat die Sucht nach Geld und
daneben das Laster ihr Zelt aufgeschlagen. Darum
wehe der Jugend, deren Wille nicht stark genug
ist, sich durchzukämpfen durch den Sturm der Ver-
suchungen.
Die Ehrlichkeit und das Wohlwollen ist hier
wohl auch zu finden, aber sie sind sehr dünn
gesäet unter den Millionen von Mißgeburten. Lieber
Vater! Ich habe Glück in dieser Beziehung gehabt.
Ich fand Leute, deren Herz noch nicht verdorben
und vergiftet ist, die mich gehalten fast wie ihr
eigen Kind, und denen habe ich es zu verdanken,
daß ich noch gläubig und gut bin; denn ohne
Anhalt bei solchen Leuten ist einer meistens
ein verlorener Mensch, wenn er noch
ledig ist.
Ich kenne an die hunderte von solchen, welche
jung ins Land kamen. Sie fielen in schlechte
Kameradschaft, und wenn sie ein schönes Geld
verdient hatten, gingen sie in die Städte und
verjubelten ihr Geld bis zum letzten Heller. Nach-
her auf die Straße gesetzt, mußten sie wieder der
Arbeit nach. Aber sie arbeiten nur so lange, bis
sie wieder einige Thaler ihr eigen nennen. Dann
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