fährt per Eisenbahn. In raschem Fluge gehts durch Ebenen und Thäler, an Bergen und Seen vorbei. Das Auge findet kaum Zeit, auch nur flüchtig die Wunder der Natur zu betrachten. Was nützt ein solches Reisen? Man schaut nicht die Blumen am Wege, hört nicht das Konzert der Vögel, erfreut sich nicht an den schönen Landschafts- bildern, hat kein Auge für Volkssitten, für das Thun und Treiben fremder Menschen. Höchstens, daß man in den Städten Halt macht und hastig die Straßen und öffentlichen Plätze, die Bilder- gallerien und Kunstsammlungen durcheilt, vor Palästen und stolzen Turmbauten einige Augenblicke verweilt, den Pferderennen und Stierkämpfen bei- wohnt und am Abend das Theater besucht. Aber der große Gottestempel der Natur mit seinen be- zaubernden Reizen und unbeschreiblichen Schön- heiten, mit seinen Wundern ohne Zahl ist so vielen zeitlebens verschlossen - zum größten Schaden für Herz, Geist und Gesundheit.
Die aufmerksame Betrachtung der Natur erfüllt das Herz mit Bewunderung für Gottes Allmacht, Weisheit und Güte, mit Demut und dankbarer Liebe. Der Wille wird gestählt durch das Wundern, und der Geist mächtig angeregt zum Forschen und Denken, eine Fülle von neuen Ideen und Kenntnissen wer- den sein eigen. Daß die Fußreisen dem Körper sehr zuträglich sind, braucht wohl keines Beweises. Das fühlt jeder selbst am besten, wie wohl ihm die Bewegung thut, wie angenehm und erfrischend
fährt per Eisenbahn. In raschem Fluge gehts durch Ebenen und Thäler, an Bergen und Seen vorbei. Das Auge findet kaum Zeit, auch nur flüchtig die Wunder der Natur zu betrachten. Was nützt ein solches Reisen? Man schaut nicht die Blumen am Wege, hört nicht das Konzert der Vögel, erfreut sich nicht an den schönen Landschafts- bildern, hat kein Auge für Volkssitten, für das Thun und Treiben fremder Menschen. Höchstens, daß man in den Städten Halt macht und hastig die Straßen und öffentlichen Plätze, die Bilder- gallerien und Kunstsammlungen durcheilt, vor Palästen und stolzen Turmbauten einige Augenblicke verweilt, den Pferderennen und Stierkämpfen bei- wohnt und am Abend das Theater besucht. Aber der große Gottestempel der Natur mit seinen be- zaubernden Reizen und unbeschreiblichen Schön- heiten, mit seinen Wundern ohne Zahl ist so vielen zeitlebens verschlossen – zum größten Schaden für Herz, Geist und Gesundheit.
Die aufmerksame Betrachtung der Natur erfüllt das Herz mit Bewunderung für Gottes Allmacht, Weisheit und Güte, mit Demut und dankbarer Liebe. Der Wille wird gestählt durch das Wundern, und der Geist mächtig angeregt zum Forschen und Denken, eine Fülle von neuen Ideen und Kenntnissen wer- den sein eigen. Daß die Fußreisen dem Körper sehr zuträglich sind, braucht wohl keines Beweises. Das fühlt jeder selbst am besten, wie wohl ihm die Bewegung thut, wie angenehm und erfrischend
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fährt per Eisenbahn. In raschem Fluge gehts
durch Ebenen und Thäler, an Bergen und Seen
vorbei. Das Auge findet kaum Zeit, auch nur
flüchtig die Wunder der Natur zu betrachten. Was
nützt ein solches Reisen? Man schaut nicht die
Blumen am Wege, hört nicht das Konzert der
Vögel, erfreut sich nicht an den schönen Landschafts-
bildern, hat kein Auge für Volkssitten, für das
Thun und Treiben fremder Menschen. Höchstens,
daß man in den Städten Halt macht und hastig
die Straßen und öffentlichen Plätze, die Bilder-
gallerien und Kunstsammlungen durcheilt, vor
Palästen und stolzen Turmbauten einige Augenblicke
verweilt, den Pferderennen und Stierkämpfen bei-
wohnt und am Abend das Theater besucht. Aber
der große Gottestempel der Natur mit seinen be-
zaubernden Reizen und unbeschreiblichen Schön-
heiten, mit seinen Wundern ohne Zahl ist so
vielen zeitlebens verschlossen – zum größten Schaden
für Herz, Geist und Gesundheit.
Die aufmerksame Betrachtung der Natur erfüllt
das Herz mit Bewunderung für Gottes Allmacht,
Weisheit und Güte, mit Demut und dankbarer Liebe.
Der Wille wird gestählt durch das Wundern, und der
Geist mächtig angeregt zum Forschen und Denken,
eine Fülle von neuen Ideen und Kenntnissen wer-
den sein eigen. Daß die Fußreisen dem Körper
sehr zuträglich sind, braucht wohl keines Beweises.
Das fühlt jeder selbst am besten, wie wohl ihm
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Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901], S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wetzel_reisebegleiter_1901/40>, abgerufen am 17.02.2025.
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