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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise

"Alles klar," rief ich, "beim nächsten Ueberholen lassen
Sie sich fallen."

Wiederum ertönte es hernieder "Zu Befehl" und im
nächsten Augenblicke sauste der Matrose aus der furchtbaren
Höhe wie ein Pfeil herunter.

Uns stockte der Athem; wir wußten nicht, ob er nicht breit
auf das Wasser schlagen und zerschmettert werden würde. Doch
war die Besorgniß Gottlob unnöthig; wie eine Kerze so gerade
durchschnitt er die Luft, mit den Füßen zuerst, die Hände hoch
über dem Kopfe und fuhr wie ein Blitz in die Tiefe.

In tödtlicher Spannung erwarteten wir sein Wiederauf-
kommen. Da tauchte er wie ein Kork empor, schaute sich nach
dem Boote um und schwamm lustig auf dasselbe zu.

"Donnerwetter" waren seine ersten Worte, als man ihn
in das Boot zog, "solchen Satz habe ich mein Lebtag noch nicht
gemacht," worauf natürlich ein allgemeines Gelächter der Boots-
mannschaft erfolgte. Mit demselben Humor machte er beim
Betreten des Decks die Meldung beim Wachehabenden Officier
"An Bord zurück, Herr Lieutenant", was ihm zur Belohnung
ein steifes Glas Grog eintrug. Damit war aber die Sache
erledigt und sie wurde später selten und dann auch nur in
scherzender Weise erwähnt.

Der Seemann weiß, daß sein Leben oft an einem Faden
hängt und liebt es nicht, in ernster Weise daran erinnert zu
werden. Wo er in einem solchen Falle "freischlippt" da behält
er es entweder für sich oder macht einen Spaß daraus. Bedauert
zu werden hält er unter seiner Würde und glaubt sich etwas
zu vergeben, wenn er dergleichen Gefühlen Ausdruck leiht.
Dadurch erscheint er Fernstehenden bisweilen gefühllos, was der
Matrose im allgemeinen aber durchaus nicht ist. Im Gegen-
theil birgt er unter der harten Außenseite meistens ein sehr gutes
*

* Dieser ehemalige Matrose ist jetzt Director einer Versicherungs-
gesellschaft in einer mitteldeutschen Stadt.
Eine erſte Seereiſe

„Alles klar,“ rief ich, „beim nächſten Ueberholen laſſen
Sie ſich fallen.“

Wiederum ertönte es hernieder „Zu Befehl“ und im
nächſten Augenblicke ſauſte der Matroſe aus der furchtbaren
Höhe wie ein Pfeil herunter.

Uns ſtockte der Athem; wir wußten nicht, ob er nicht breit
auf das Waſſer ſchlagen und zerſchmettert werden würde. Doch
war die Beſorgniß Gottlob unnöthig; wie eine Kerze ſo gerade
durchſchnitt er die Luft, mit den Füßen zuerſt, die Hände hoch
über dem Kopfe und fuhr wie ein Blitz in die Tiefe.

In tödtlicher Spannung erwarteten wir ſein Wiederauf-
kommen. Da tauchte er wie ein Kork empor, ſchaute ſich nach
dem Boote um und ſchwamm luſtig auf daſſelbe zu.

„Donnerwetter“ waren ſeine erſten Worte, als man ihn
in das Boot zog, „ſolchen Satz habe ich mein Lebtag noch nicht
gemacht,“ worauf natürlich ein allgemeines Gelächter der Boots-
mannſchaft erfolgte. Mit demſelben Humor machte er beim
Betreten des Decks die Meldung beim Wachehabenden Officier
„An Bord zurück, Herr Lieutenant“, was ihm zur Belohnung
ein ſteifes Glas Grog eintrug. Damit war aber die Sache
erledigt und ſie wurde ſpäter ſelten und dann auch nur in
ſcherzender Weiſe erwähnt.

Der Seemann weiß, daß ſein Leben oft an einem Faden
hängt und liebt es nicht, in ernſter Weiſe daran erinnert zu
werden. Wo er in einem ſolchen Falle „freiſchlippt“ da behält
er es entweder für ſich oder macht einen Spaß daraus. Bedauert
zu werden hält er unter ſeiner Würde und glaubt ſich etwas
zu vergeben, wenn er dergleichen Gefühlen Ausdruck leiht.
Dadurch erſcheint er Fernſtehenden bisweilen gefühllos, was der
Matroſe im allgemeinen aber durchaus nicht iſt. Im Gegen-
theil birgt er unter der harten Außenſeite meiſtens ein ſehr gutes
*

* Dieſer ehemalige Matroſe iſt jetzt Director einer Verſicherungs-
geſellſchaft in einer mitteldeutſchen Stadt.
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[77/0089] Eine erſte Seereiſe „Alles klar,“ rief ich, „beim nächſten Ueberholen laſſen Sie ſich fallen.“ Wiederum ertönte es hernieder „Zu Befehl“ und im nächſten Augenblicke ſauſte der Matroſe aus der furchtbaren Höhe wie ein Pfeil herunter. Uns ſtockte der Athem; wir wußten nicht, ob er nicht breit auf das Waſſer ſchlagen und zerſchmettert werden würde. Doch war die Beſorgniß Gottlob unnöthig; wie eine Kerze ſo gerade durchſchnitt er die Luft, mit den Füßen zuerſt, die Hände hoch über dem Kopfe und fuhr wie ein Blitz in die Tiefe. In tödtlicher Spannung erwarteten wir ſein Wiederauf- kommen. Da tauchte er wie ein Kork empor, ſchaute ſich nach dem Boote um und ſchwamm luſtig auf daſſelbe zu. „Donnerwetter“ waren ſeine erſten Worte, als man ihn in das Boot zog, „ſolchen Satz habe ich mein Lebtag noch nicht gemacht,“ worauf natürlich ein allgemeines Gelächter der Boots- mannſchaft erfolgte. Mit demſelben Humor machte er beim Betreten des Decks die Meldung beim Wachehabenden Officier „An Bord zurück, Herr Lieutenant“, was ihm zur Belohnung ein ſteifes Glas Grog eintrug. Damit war aber die Sache erledigt und ſie wurde ſpäter ſelten und dann auch nur in ſcherzender Weiſe erwähnt. Der Seemann weiß, daß ſein Leben oft an einem Faden hängt und liebt es nicht, in ernſter Weiſe daran erinnert zu werden. Wo er in einem ſolchen Falle „freiſchlippt“ da behält er es entweder für ſich oder macht einen Spaß daraus. Bedauert zu werden hält er unter ſeiner Würde und glaubt ſich etwas zu vergeben, wenn er dergleichen Gefühlen Ausdruck leiht. Dadurch erſcheint er Fernſtehenden bisweilen gefühllos, was der Matroſe im allgemeinen aber durchaus nicht iſt. Im Gegen- theil birgt er unter der harten Außenſeite meiſtens ein ſehr gutes * * Dieſer ehemalige Matroſe iſt jetzt Director einer Verſicherungs- geſellſchaft in einer mitteldeutſchen Stadt.

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/89>, abgerufen am 25.11.2024.