sich zwar oft genug sehnte, der einem aber nur höchst selten zu Theil wurde.
In Seewasser löste sich damals keine Seife, wiewohl man in letzterer Zeit solche erfunden hat, die es einigermaßen thut, und von frischem Wasser, wie der Seemann Trinkwasser nennt, gab es nichts, wenigstens nicht so viel, daß man sich darin hätte ordentlich waschen können. Sonnabends erhielt Jeder von uns ein kleines Töpfchen warmes Wasser, etwa 1/4 Liter zum Rasiren, das war alles. Damit mußte man dann sehr öco- nomisch umgehen; man reinigte sich so gut wie möglich das Gesicht und danach gossen fünf bis sechs Mann ihre Portion zusammen, um es gemeinsam für die Hände zu benützen. Eine solche Sparsamkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre Berechtigung. Auf einer Reise nach Ostindien bietet sich für Segelschiffe fast keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverlust einen Hafen zur Ergänzung des Trinkwasservorraths anzulaufen. Nur Madeira liegt für diese Zwecke bequem, aber unsere Schiffs- rechnung war so aus dem Wege, daß wir es nicht einmal sahen, und das passirte Handelsschiffen öfter. Sie nahmen deshalb so viel Vorrath mit sich, wie er für die Reise muthmaßlich aus- reichte; da diese aber durch unglückliche Zwischenfälle sich statt der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, so war bei dem Wasserverbrauch große Vorsicht geboten, um nicht in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden. Es war immer schon genug, daß wir nicht auf Ration gesetzt wurden und immer stets so viel trinken konnten, wie wir wollten. Der größte Theil der Wasserfässer war auf dem Oberdeck placirt und der Durstige holte sich daraus seinen Bedarf. Die Versuchung, davon auch zum Waschen zu nehmen, reizte sehr, aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes Unrecht und meines Wissens ist es nie vorgekommen. Mit dem Trinken, so viel man wollte, war es übrigens gerade zu der Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den
Werner
ſich zwar oft genug ſehnte, der einem aber nur höchſt ſelten zu Theil wurde.
In Seewaſſer löſte ſich damals keine Seife, wiewohl man in letzterer Zeit ſolche erfunden hat, die es einigermaßen thut, und von friſchem Waſſer, wie der Seemann Trinkwaſſer nennt, gab es nichts, wenigſtens nicht ſo viel, daß man ſich darin hätte ordentlich waſchen können. Sonnabends erhielt Jeder von uns ein kleines Töpfchen warmes Waſſer, etwa ¼ Liter zum Raſiren, das war alles. Damit mußte man dann ſehr öco- nomiſch umgehen; man reinigte ſich ſo gut wie möglich das Geſicht und danach goſſen fünf bis ſechs Mann ihre Portion zuſammen, um es gemeinſam für die Hände zu benützen. Eine ſolche Sparſamkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre Berechtigung. Auf einer Reiſe nach Oſtindien bietet ſich für Segelſchiffe faſt keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverluſt einen Hafen zur Ergänzung des Trinkwaſſervorraths anzulaufen. Nur Madeira liegt für dieſe Zwecke bequem, aber unſere Schiffs- rechnung war ſo aus dem Wege, daß wir es nicht einmal ſahen, und das paſſirte Handelsſchiffen öfter. Sie nahmen deshalb ſo viel Vorrath mit ſich, wie er für die Reiſe muthmaßlich aus- reichte; da dieſe aber durch unglückliche Zwiſchenfälle ſich ſtatt der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, ſo war bei dem Waſſerverbrauch große Vorſicht geboten, um nicht in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden. Es war immer ſchon genug, daß wir nicht auf Ration geſetzt wurden und immer ſtets ſo viel trinken konnten, wie wir wollten. Der größte Theil der Waſſerfäſſer war auf dem Oberdeck placirt und der Durſtige holte ſich daraus ſeinen Bedarf. Die Verſuchung, davon auch zum Waſchen zu nehmen, reizte ſehr, aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes Unrecht und meines Wiſſens iſt es nie vorgekommen. Mit dem Trinken, ſo viel man wollte, war es übrigens gerade zu der Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den
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Werner
ſich zwar oft genug ſehnte, der einem aber nur höchſt ſelten zu
Theil wurde.
In Seewaſſer löſte ſich damals keine Seife, wiewohl man
in letzterer Zeit ſolche erfunden hat, die es einigermaßen thut,
und von friſchem Waſſer, wie der Seemann Trinkwaſſer nennt,
gab es nichts, wenigſtens nicht ſo viel, daß man ſich darin
hätte ordentlich waſchen können. Sonnabends erhielt Jeder von
uns ein kleines Töpfchen warmes Waſſer, etwa ¼ Liter zum
Raſiren, das war alles. Damit mußte man dann ſehr öco-
nomiſch umgehen; man reinigte ſich ſo gut wie möglich das
Geſicht und danach goſſen fünf bis ſechs Mann ihre Portion
zuſammen, um es gemeinſam für die Hände zu benützen. Eine
ſolche Sparſamkeit war zwar unangenehm, hatte aber doch ihre
Berechtigung. Auf einer Reiſe nach Oſtindien bietet ſich für
Segelſchiffe faſt keine Gelegenheit, ohne großen Zeitverluſt einen
Hafen zur Ergänzung des Trinkwaſſervorraths anzulaufen. Nur
Madeira liegt für dieſe Zwecke bequem, aber unſere Schiffs-
rechnung war ſo aus dem Wege, daß wir es nicht einmal ſahen,
und das paſſirte Handelsſchiffen öfter. Sie nahmen deshalb
ſo viel Vorrath mit ſich, wie er für die Reiſe muthmaßlich aus-
reichte; da dieſe aber durch unglückliche Zwiſchenfälle ſich ſtatt
der gewöhnlichen vier auch auf fünf Monate ausdehnen konnte, ſo
war bei dem Waſſerverbrauch große Vorſicht geboten, um nicht
in die furchtbare Lage zu kommen, daran Mangel zu leiden.
Es war immer ſchon genug, daß wir nicht auf Ration geſetzt
wurden und immer ſtets ſo viel trinken konnten, wie wir wollten.
Der größte Theil der Waſſerfäſſer war auf dem Oberdeck
placirt und der Durſtige holte ſich daraus ſeinen Bedarf. Die
Verſuchung, davon auch zum Waſchen zu nehmen, reizte ſehr,
aber Niemand unterlag ihr. Jeder hielt es für ein großes
Unrecht und meines Wiſſens iſt es nie vorgekommen. Mit dem
Trinken, ſo viel man wollte, war es übrigens gerade zu der
Zeit, von der ich rede, d. h. nach dem Uebergange aus den
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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