Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise war von uns das Ankerspill* abgestützt worden, um bei denfurchtbaren Stößen, die es durch die beim Stampfen straff werdenden Ketten auszuhalten hatte, nicht über Kopf zu gehen. Die Kombüse war schon durch den fallenden Fockmast zerstört; gekocht konnte nicht werden. Schiffszwieback und etwas Rum mit Wasser diente uns als Nahrung. Gegen Sonnenuntergang schien der Sturm noch einmal Gegen acht Uhr Abends brach sich das Wetter; der dichte * Die Winde für die Ankerkette.
Eine erſte Seereiſe war von uns das Ankerſpill* abgeſtützt worden, um bei denfurchtbaren Stößen, die es durch die beim Stampfen ſtraff werdenden Ketten auszuhalten hatte, nicht über Kopf zu gehen. Die Kombüſe war ſchon durch den fallenden Fockmaſt zerſtört; gekocht konnte nicht werden. Schiffszwieback und etwas Rum mit Waſſer diente uns als Nahrung. Gegen Sonnenuntergang ſchien der Sturm noch einmal Gegen acht Uhr Abends brach ſich das Wetter; der dichte * Die Winde für die Ankerkette.
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Eine erſte Seereiſe
war von uns das Ankerſpill * abgeſtützt worden, um bei den
furchtbaren Stößen, die es durch die beim Stampfen ſtraff
werdenden Ketten auszuhalten hatte, nicht über Kopf zu gehen.
Die Kombüſe war ſchon durch den fallenden Fockmaſt zerſtört;
gekocht konnte nicht werden. Schiffszwieback und etwas Rum
mit Waſſer diente uns als Nahrung.
Gegen Sonnenuntergang ſchien der Sturm noch einmal
ſeine ganze Kraft entfalten zu wollen. Immer härter wehte es,
immer höher thürmten ſich die Wellen und warfen das Schiff
wie einen Ball ſich einander zu. Bisweilen erklang durch das
Brauſen und Rauſchen ein unheimlich gellender Ton, als ob an
eine Glasglocke geſchlagen würde. Es waren die Ketten, die
zum Springen ſtanden, wenn eine ſchwere Grundſee das Schiff
packte und es nach hinten ſchleuderte. Ueber das Geſicht des
Kapitäns flog ein leiſer Schatten, wenn der Ton ſich hören
ließ; er fühlte, wie wir alle, daß jetzt der kritiſchſte Moment
für unſer Schiff gekommen ſei. Er ging jedoch glücklich vorüber.
„Wenn die Sonne hinunterweht, gutes Wetter in Ausſicht ſteht,“
dieſe alte Wind- und Wetterregel der Seeleute bewährte ſich
auch diesmal.
Gegen acht Uhr Abends brach ſich das Wetter; der dichte
gleichmäßige Wolkenſchleier zerriß; hier und dort ſchaute ein
Stern hervor, zuerſt nur einen Augenblick, dann dauernd. Die
Pauſen zwiſchen den Böen wurden länger, die Kraft der See
ſchwächer und das Schiff ruckte nicht mehr ſo heftig in ſeine
Ankerketten. Der Wind ſelbſt ließ allmälig nach, drehte ſich
dabei nach rechts und die uns drohende Todesnoth ſchien durch
Gottes gnädigen Beiſtand beſeitigt. Um Mitternacht hatten
ſich die Elemente ganz beruhigt. Ueber uns wölbte ſich der
ſternenklare Himmel; der Wind war ſtetig abflauend nach Oſten
herumgegangen und dadurch ablandig geworden. Die See fiel
* Die Winde für die Ankerkette.
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