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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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dann noch der Umstand, daß der in's Ausland gehende Kuli
alle seine mit unseren Anschauungen oft so wenig vereinbarenden
Lebensgewohnheiten mit sich nimmt und starr an ihnen festhält,
daß er sich unseren Begriffen von Civilisation gegenüber völlig
ablehnend verhält, moralisch sehr tief steht und den verabscheuungs-
würdigsten Lastern fröhnt. Eine Familie gründet er nicht und
knüpft überhaupt kein festeres Band mit seinem neuen Wohnsitze,
weil er stets hofft, entweder lebend in die alte Heimath zurück-
zukehren oder wenigstens seine Leiche dahin übergeführt zu sehen.
Diese Vaterlandsliebe ist zwar ein versöhnender Zug in seinem
Character, aber auch so ziemlich der einzige und er genügt
nicht, um die sonstigen Schattenseiten seiner asiatischen Uncultur
in helleres Licht zu stellen.

Unter solchen Umständen ist es daher im Interesse der
Civilisation nur zu wünschen, daß solche ihr selbst unzugäng-
lichen Elemente aus denjenigen Ländern fern gehalten werden,
wo sie die Existenz von Weißen bedrohen und es ist z. B. den
Californiern nicht zu verdenken, wenn sie alle Mittel aufbieten,
um dem verheerenden Strome der sich in ihr Land ergießenden
chinesischen Einwanderung einen Damm entgegenzusetzen.

Jamaika hat schon seit 200 Jahren eine Repräsentativ-
verfassung, freier als das Mutterland. In mißverstandener
Menschenliebe hatte man auch den freigelassenen Sclaven die-
selben politischen Rechte ertheilt, die sie natürlich nicht zu ge-
brauchen verstanden, und der Rückschlag blieb nicht aus. Un-
verschämtes freches Auftreten gegen die Weißen und endlich
Aufruhr und Empörung gegen die Engländer im Jahre 1865
war die natürliche Folge. Der damalige Gouverneur Eyre er-
griff die richtigen energischen Maßregeln und unterdrückte scho-
nungslos die Revolution; er wurde zwar abberufen, weil
schwächliche Sentimentalität im Mutterlande sein Verfahren als
grausam mißbilligte, indessen sah man doch ein, daß die bis-

Werner
dann noch der Umſtand, daß der in’s Ausland gehende Kuli
alle ſeine mit unſeren Anſchauungen oft ſo wenig vereinbarenden
Lebensgewohnheiten mit ſich nimmt und ſtarr an ihnen feſthält,
daß er ſich unſeren Begriffen von Civiliſation gegenüber völlig
ablehnend verhält, moraliſch ſehr tief ſteht und den verabſcheuungs-
würdigſten Laſtern fröhnt. Eine Familie gründet er nicht und
knüpft überhaupt kein feſteres Band mit ſeinem neuen Wohnſitze,
weil er ſtets hofft, entweder lebend in die alte Heimath zurück-
zukehren oder wenigſtens ſeine Leiche dahin übergeführt zu ſehen.
Dieſe Vaterlandsliebe iſt zwar ein verſöhnender Zug in ſeinem
Character, aber auch ſo ziemlich der einzige und er genügt
nicht, um die ſonſtigen Schattenſeiten ſeiner aſiatiſchen Uncultur
in helleres Licht zu ſtellen.

Unter ſolchen Umſtänden iſt es daher im Intereſſe der
Civiliſation nur zu wünſchen, daß ſolche ihr ſelbſt unzugäng-
lichen Elemente aus denjenigen Ländern fern gehalten werden,
wo ſie die Exiſtenz von Weißen bedrohen und es iſt z. B. den
Californiern nicht zu verdenken, wenn ſie alle Mittel aufbieten,
um dem verheerenden Strome der ſich in ihr Land ergießenden
chineſiſchen Einwanderung einen Damm entgegenzuſetzen.

Jamaika hat ſchon ſeit 200 Jahren eine Repräſentativ-
verfaſſung, freier als das Mutterland. In mißverſtandener
Menſchenliebe hatte man auch den freigelaſſenen Sclaven die-
ſelben politiſchen Rechte ertheilt, die ſie natürlich nicht zu ge-
brauchen verſtanden, und der Rückſchlag blieb nicht aus. Un-
verſchämtes freches Auftreten gegen die Weißen und endlich
Aufruhr und Empörung gegen die Engländer im Jahre 1865
war die natürliche Folge. Der damalige Gouverneur Eyre er-
griff die richtigen energiſchen Maßregeln und unterdrückte ſcho-
nungslos die Revolution; er wurde zwar abberufen, weil
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[364/0376] Werner dann noch der Umſtand, daß der in’s Ausland gehende Kuli alle ſeine mit unſeren Anſchauungen oft ſo wenig vereinbarenden Lebensgewohnheiten mit ſich nimmt und ſtarr an ihnen feſthält, daß er ſich unſeren Begriffen von Civiliſation gegenüber völlig ablehnend verhält, moraliſch ſehr tief ſteht und den verabſcheuungs- würdigſten Laſtern fröhnt. Eine Familie gründet er nicht und knüpft überhaupt kein feſteres Band mit ſeinem neuen Wohnſitze, weil er ſtets hofft, entweder lebend in die alte Heimath zurück- zukehren oder wenigſtens ſeine Leiche dahin übergeführt zu ſehen. Dieſe Vaterlandsliebe iſt zwar ein verſöhnender Zug in ſeinem Character, aber auch ſo ziemlich der einzige und er genügt nicht, um die ſonſtigen Schattenſeiten ſeiner aſiatiſchen Uncultur in helleres Licht zu ſtellen. Unter ſolchen Umſtänden iſt es daher im Intereſſe der Civiliſation nur zu wünſchen, daß ſolche ihr ſelbſt unzugäng- lichen Elemente aus denjenigen Ländern fern gehalten werden, wo ſie die Exiſtenz von Weißen bedrohen und es iſt z. B. den Californiern nicht zu verdenken, wenn ſie alle Mittel aufbieten, um dem verheerenden Strome der ſich in ihr Land ergießenden chineſiſchen Einwanderung einen Damm entgegenzuſetzen. Jamaika hat ſchon ſeit 200 Jahren eine Repräſentativ- verfaſſung, freier als das Mutterland. In mißverſtandener Menſchenliebe hatte man auch den freigelaſſenen Sclaven die- ſelben politiſchen Rechte ertheilt, die ſie natürlich nicht zu ge- brauchen verſtanden, und der Rückſchlag blieb nicht aus. Un- verſchämtes freches Auftreten gegen die Weißen und endlich Aufruhr und Empörung gegen die Engländer im Jahre 1865 war die natürliche Folge. Der damalige Gouverneur Eyre er- griff die richtigen energiſchen Maßregeln und unterdrückte ſcho- nungslos die Revolution; er wurde zwar abberufen, weil ſchwächliche Sentimentalität im Mutterlande ſein Verfahren als grauſam mißbilligte, indeſſen ſah man doch ein, daß die bis-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/376>, abgerufen am 25.11.2024.