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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen,
weil mit einer solchen Industrie die wenigste Arbeit verknüpft
ist. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und so geht
die prachtvolle Insel langsam aber sicher der Verödung durch
Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der
Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart -- apres nous le
deluge.
Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürsten mit
goldstrotzenden Uniformen dutzendweise umher, wenn sie auch
zerrissene Stiefel haben oder barfuß sind.

Ich machte mit einigen Officieren in der Vorstadt von
Port au Prince, dort wo das Flüßchen mündet, aus dem wir
Wasser holten, einen Spaziergang. Das Ufer war so flach,
daß wir mit dem eigenen Boote nicht landen konnten und wir
riefen deshalb einen Neger an, der mit einer Stange einen flach-
bodigen Kahn schob, um uns an das Ufer zu setzen. Er kam
auch sofort unserem Rufe nach und in der Meinung, er sei ein
Bootsführer, machten wir wenig Umstände mit ihm. Wie er-
staunten wir jedoch, als er, nachdem er beim Landen einen
Vierteldollar für seine Bemühungen zurückgewiesen, sich als
General z. D. Telletier vorstellte und das mit einer Grandezza,
die uns imponirte, wenngleich seine Kleidung etwas defect, sein
schwarzer Cylinderhut voller Beulen war und er keine Strümpfe
in den Schuhen trug. Nachdem auch wir uns ihm genannt,
lud er uns auf die verbindlichste Weise ein, ihm die Ehre
unseres Besuchs zu schenken. Um unseren unbewußten Mißgriff
gut zu machen, nahmen wir die Einladung an und folgten dem
neuen Gastfreunde. Er war ein junger Mann von dreißig
Jahren, für einen Neger von recht einnehmendem Aeußeren und
gutem Wuchs. Nur die wadenlosen Beine und die Plattfüße
störten etwas.

Seine Behausung war für einen General ziemlich beschei-
den und hatte etwas hüttenartiges. In den Zimmern drückten
die Decken den Kopf und das vordere, durch welches wir passir-

Werner
Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen,
weil mit einer ſolchen Induſtrie die wenigſte Arbeit verknüpft
iſt. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und ſo geht
die prachtvolle Inſel langſam aber ſicher der Verödung durch
Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der
Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart — après nous le
déluge.
Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürſten mit
goldſtrotzenden Uniformen dutzendweiſe umher, wenn ſie auch
zerriſſene Stiefel haben oder barfuß ſind.

Ich machte mit einigen Officieren in der Vorſtadt von
Port au Prince, dort wo das Flüßchen mündet, aus dem wir
Waſſer holten, einen Spaziergang. Das Ufer war ſo flach,
daß wir mit dem eigenen Boote nicht landen konnten und wir
riefen deshalb einen Neger an, der mit einer Stange einen flach-
bodigen Kahn ſchob, um uns an das Ufer zu ſetzen. Er kam
auch ſofort unſerem Rufe nach und in der Meinung, er ſei ein
Bootsführer, machten wir wenig Umſtände mit ihm. Wie er-
ſtaunten wir jedoch, als er, nachdem er beim Landen einen
Vierteldollar für ſeine Bemühungen zurückgewieſen, ſich als
General z. D. Telletier vorſtellte und das mit einer Grandezza,
die uns imponirte, wenngleich ſeine Kleidung etwas defect, ſein
ſchwarzer Cylinderhut voller Beulen war und er keine Strümpfe
in den Schuhen trug. Nachdem auch wir uns ihm genannt,
lud er uns auf die verbindlichſte Weiſe ein, ihm die Ehre
unſeres Beſuchs zu ſchenken. Um unſeren unbewußten Mißgriff
gut zu machen, nahmen wir die Einladung an und folgten dem
neuen Gaſtfreunde. Er war ein junger Mann von dreißig
Jahren, für einen Neger von recht einnehmendem Aeußeren und
gutem Wuchs. Nur die wadenloſen Beine und die Plattfüße
ſtörten etwas.

Seine Behauſung war für einen General ziemlich beſchei-
den und hatte etwas hüttenartiges. In den Zimmern drückten
die Decken den Kopf und das vordere, durch welches wir paſſir-

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[354/0366] Werner Mahagoni und andere werthvolle Holzarten zu Gelde zu machen, weil mit einer ſolchen Induſtrie die wenigſte Arbeit verknüpft iſt. An Wiederpflanzen denkt natürlich Niemand und ſo geht die prachtvolle Inſel langſam aber ſicher der Verödung durch Sonnenbrand entgegen. Gedanken an die Zukunft hat der Neger nicht, er lebt nur der Gegenwart — après nous le déluge. Dagegen laufen Herzöge, Grafen und Fürſten mit goldſtrotzenden Uniformen dutzendweiſe umher, wenn ſie auch zerriſſene Stiefel haben oder barfuß ſind. Ich machte mit einigen Officieren in der Vorſtadt von Port au Prince, dort wo das Flüßchen mündet, aus dem wir Waſſer holten, einen Spaziergang. Das Ufer war ſo flach, daß wir mit dem eigenen Boote nicht landen konnten und wir riefen deshalb einen Neger an, der mit einer Stange einen flach- bodigen Kahn ſchob, um uns an das Ufer zu ſetzen. Er kam auch ſofort unſerem Rufe nach und in der Meinung, er ſei ein Bootsführer, machten wir wenig Umſtände mit ihm. Wie er- ſtaunten wir jedoch, als er, nachdem er beim Landen einen Vierteldollar für ſeine Bemühungen zurückgewieſen, ſich als General z. D. Telletier vorſtellte und das mit einer Grandezza, die uns imponirte, wenngleich ſeine Kleidung etwas defect, ſein ſchwarzer Cylinderhut voller Beulen war und er keine Strümpfe in den Schuhen trug. Nachdem auch wir uns ihm genannt, lud er uns auf die verbindlichſte Weiſe ein, ihm die Ehre unſeres Beſuchs zu ſchenken. Um unſeren unbewußten Mißgriff gut zu machen, nahmen wir die Einladung an und folgten dem neuen Gaſtfreunde. Er war ein junger Mann von dreißig Jahren, für einen Neger von recht einnehmendem Aeußeren und gutem Wuchs. Nur die wadenloſen Beine und die Plattfüße ſtörten etwas. Seine Behauſung war für einen General ziemlich beſchei- den und hatte etwas hüttenartiges. In den Zimmern drückten die Decken den Kopf und das vordere, durch welches wir paſſir-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/366>, abgerufen am 26.11.2024.