Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Nach Westindien und dem Mittelmeer dort wegen eines gegen einen deutschen Kaufmann in Jacmelverübten Gewaltactes eine Differenz stattgefunden. Deutscher- seits war eine Entschädigung gefordert, doch da die Regierung von Hayti darauf einzugehen nicht für gut befand, zu Repressalien gegriffen worden -- die einzig richtige Art, wie man mit dergleichen Völkerschaften umgehen muß. Der damalige Kapitän zur See Batsch, welcher den Befehl über die in den westindischen Ge- wässern stationirten gedeckten Corvetten "Vineta" und "Gazelle" führte, wurde beauftragt, ein Ultimatum zu stellen. Als Hayti sich ablehnend verhielt, nahm Batsch im Hafen von Port au Prince die beiden Dampfcorvetten in Beschlag, welche die See- streitkräfte der Republik bildeten. Die Besatzungen leisteten keinen Widerstand und die Sache verlief unblutig, machte aber den erhofften Eindruck, denn schon am andern Tage wurde die bis dahin verweigerte Entschädigungssumme gezahlt und Hayti erhielt seine Kriegsmarine zurück. Der Präsident glaubte Grund zu haben, sich über das Eine Anwesenheit von kaum 48 Stunden in einem fremden Nach Weſtindien und dem Mittelmeer dort wegen eines gegen einen deutſchen Kaufmann in Jacmelverübten Gewaltactes eine Differenz ſtattgefunden. Deutſcher- ſeits war eine Entſchädigung gefordert, doch da die Regierung von Hayti darauf einzugehen nicht für gut befand, zu Repreſſalien gegriffen worden — die einzig richtige Art, wie man mit dergleichen Völkerſchaften umgehen muß. Der damalige Kapitän zur See Batſch, welcher den Befehl über die in den weſtindiſchen Ge- wäſſern ſtationirten gedeckten Corvetten „Vineta“ und „Gazelle“ führte, wurde beauftragt, ein Ultimatum zu ſtellen. Als Hayti ſich ablehnend verhielt, nahm Batſch im Hafen von Port au Prince die beiden Dampfcorvetten in Beſchlag, welche die See- ſtreitkräfte der Republik bildeten. Die Beſatzungen leiſteten keinen Widerſtand und die Sache verlief unblutig, machte aber den erhofften Eindruck, denn ſchon am andern Tage wurde die bis dahin verweigerte Entſchädigungsſumme gezahlt und Hayti erhielt ſeine Kriegsmarine zurück. Der Präſident glaubte Grund zu haben, ſich über das Eine Anweſenheit von kaum 48 Stunden in einem fremden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0363" n="351"/><fw place="top" type="header">Nach Weſtindien und dem Mittelmeer</fw><lb/> dort wegen eines gegen einen deutſchen Kaufmann in Jacmel<lb/> verübten Gewaltactes eine Differenz ſtattgefunden. Deutſcher-<lb/> ſeits war eine Entſchädigung gefordert, doch da die Regierung<lb/> von Hayti darauf einzugehen nicht für gut befand, zu Repreſſalien<lb/> gegriffen worden — die einzig richtige Art, wie man mit dergleichen<lb/> Völkerſchaften umgehen muß. Der damalige Kapitän zur See<lb/> Batſch, welcher den Befehl über die in den weſtindiſchen Ge-<lb/> wäſſern ſtationirten gedeckten Corvetten „Vineta“ und „Gazelle“<lb/> führte, wurde beauftragt, ein Ultimatum zu ſtellen. Als Hayti<lb/> ſich ablehnend verhielt, nahm Batſch im Hafen von Port au<lb/> Prince die beiden Dampfcorvetten in Beſchlag, welche die See-<lb/> ſtreitkräfte der Republik bildeten. Die Beſatzungen leiſteten<lb/> keinen Widerſtand und die Sache verlief unblutig, machte aber<lb/> den erhofften Eindruck, denn ſchon am andern Tage wurde die<lb/> bis dahin verweigerte Entſchädigungsſumme gezahlt und Hayti<lb/> erhielt ſeine Kriegsmarine zurück.</p><lb/> <p>Der Präſident glaubte Grund zu haben, ſich über das<lb/> Verfahren des Kapitän Batſch beſchweren zu können, und ſchickte<lb/> zu dieſem Zwecke einen ſchwarzen General als außerordentlichen<lb/> Geſandten nach Berlin. Die Miſſion war jedoch nicht von<lb/> dem erwarteten Erfolg gekrönt geweſen und das Verhältniß<lb/> zwiſchen den beiden Ländern noch ein geſpanntes geblieben.<lb/> Unſererſeits wurde deshalb von einem längeren Aufenthalte in<lb/> Port an Prince abgeſehen, um jede officielle Begegnung auszu-<lb/> ſchließen; wir hielten uns nur anderthalb Tage dort auf, um<lb/> unſer Trinkwaſſer zu ergänzen, das wir uns ſelbſt aus einem<lb/> Flüßchen holten. Natürlich wurden die internationalen Förm-<lb/> lichkeiten trotzdem nicht außer Augen geſetzt und die üblichen<lb/> Salute von 21 Schuß ausgetauſcht.</p><lb/> <p>Eine Anweſenheit von kaum 48 Stunden in einem fremden<lb/> Lande kann einem Reiſenden natürlich keine Berechtigung geben,<lb/> irgendwie ein erſchöpfendes Urtheil über daſſelbe zu fällen.<lb/> Selbſt der ſchärfſte Beobachter wird ſich darauf beſchränken<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [351/0363]
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
dort wegen eines gegen einen deutſchen Kaufmann in Jacmel
verübten Gewaltactes eine Differenz ſtattgefunden. Deutſcher-
ſeits war eine Entſchädigung gefordert, doch da die Regierung
von Hayti darauf einzugehen nicht für gut befand, zu Repreſſalien
gegriffen worden — die einzig richtige Art, wie man mit dergleichen
Völkerſchaften umgehen muß. Der damalige Kapitän zur See
Batſch, welcher den Befehl über die in den weſtindiſchen Ge-
wäſſern ſtationirten gedeckten Corvetten „Vineta“ und „Gazelle“
führte, wurde beauftragt, ein Ultimatum zu ſtellen. Als Hayti
ſich ablehnend verhielt, nahm Batſch im Hafen von Port au
Prince die beiden Dampfcorvetten in Beſchlag, welche die See-
ſtreitkräfte der Republik bildeten. Die Beſatzungen leiſteten
keinen Widerſtand und die Sache verlief unblutig, machte aber
den erhofften Eindruck, denn ſchon am andern Tage wurde die
bis dahin verweigerte Entſchädigungsſumme gezahlt und Hayti
erhielt ſeine Kriegsmarine zurück.
Der Präſident glaubte Grund zu haben, ſich über das
Verfahren des Kapitän Batſch beſchweren zu können, und ſchickte
zu dieſem Zwecke einen ſchwarzen General als außerordentlichen
Geſandten nach Berlin. Die Miſſion war jedoch nicht von
dem erwarteten Erfolg gekrönt geweſen und das Verhältniß
zwiſchen den beiden Ländern noch ein geſpanntes geblieben.
Unſererſeits wurde deshalb von einem längeren Aufenthalte in
Port an Prince abgeſehen, um jede officielle Begegnung auszu-
ſchließen; wir hielten uns nur anderthalb Tage dort auf, um
unſer Trinkwaſſer zu ergänzen, das wir uns ſelbſt aus einem
Flüßchen holten. Natürlich wurden die internationalen Förm-
lichkeiten trotzdem nicht außer Augen geſetzt und die üblichen
Salute von 21 Schuß ausgetauſcht.
Eine Anweſenheit von kaum 48 Stunden in einem fremden
Lande kann einem Reiſenden natürlich keine Berechtigung geben,
irgendwie ein erſchöpfendes Urtheil über daſſelbe zu fällen.
Selbſt der ſchärfſte Beobachter wird ſich darauf beſchränken
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