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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
auch hier von Einwanderung entschieden abzurathen, obwol die
politischen Zustände des Landes viel ruhiger sind als in Vene-
zuela und die Deutschen bei der Regierung wie bei dem Volke
in Ansehen und Achtung stehen. Columbien hat eine große
Zukunft und birgt nach jeder Richtung unerschöpflichen Reich-
thum an Producten. Es bietet ein unbegrenztes Feld für
deutschen Unternehmungsgeist und eine Colonisation in ähnlichem
Sinne, wie sie oben für Venezuela empfohlen, würde für beide
Theile segensreich werden. Der Regierung ist daran gelegen,
das Land zu heben und sie setzt den Hebel an der rechten Stelle
an. Sie gründet Unterrichtsanstalten und ruft dazu deutsche
Lehrkräfte ins Land; an der Spitze des neuerrichteten Schul-
lehrerseminars in Bogota stand bei unserer Anwesenheit ein
protestantischer Deutscher, ein Beweis, daß Toleranz im
weitesten Sinne geübt wird. Es kann deshalb nicht schwer
werden, in engere Beziehungen zu Columbien zu treten, dem
Lande deutsche Intelligenz, Arbeitskraft und Capital zur Hebung
seiner reichen Schätze zuzuführen und dieselben zum Nutzen beider
Staaten auszubeuten. Curacao als deutsche Flottenstation würde
auch in diesem Betracht von unberechenbarer Wichtigkeit sein und
die vielfach ventilirte Frage: "Bedarf Deutschland Colonien?"
auf diese Weise eine allseitig befriedigende und willkommene
Lösung finden.

Der Magdalenenstrom, etwa von der Größe unseres Rheins
und die Hauptverkehrsader des Landes, galt bis vor einigen
Jahren in seiner Mündung für größere Schiffe als unpassirbar.
Dieser Irrthum ist 1875 durch die deutsche Dampfcorvette
"Augusta" berichtigt, die mit sechzehn Fuß Tiefgang bis Barran-
quilla hinaufdampfte, eine Entdeckung, die dem Handel sehr zu
Gute kommen muß, da sie von Barranquilla aus eine directe
Verschiffung der den Strom herabkommenden Güter ermöglicht
und die jetzige Umladung auf die Bahn unnöthig macht. In
welcher Weise die Verkehrserleichterung durch jene kurze Strecke

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
auch hier von Einwanderung entſchieden abzurathen, obwol die
politiſchen Zuſtände des Landes viel ruhiger ſind als in Vene-
zuela und die Deutſchen bei der Regierung wie bei dem Volke
in Anſehen und Achtung ſtehen. Columbien hat eine große
Zukunft und birgt nach jeder Richtung unerſchöpflichen Reich-
thum an Producten. Es bietet ein unbegrenztes Feld für
deutſchen Unternehmungsgeiſt und eine Coloniſation in ähnlichem
Sinne, wie ſie oben für Venezuela empfohlen, würde für beide
Theile ſegensreich werden. Der Regierung iſt daran gelegen,
das Land zu heben und ſie ſetzt den Hebel an der rechten Stelle
an. Sie gründet Unterrichtsanſtalten und ruft dazu deutſche
Lehrkräfte ins Land; an der Spitze des neuerrichteten Schul-
lehrerſeminars in Bogota ſtand bei unſerer Anweſenheit ein
proteſtantiſcher Deutſcher, ein Beweis, daß Toleranz im
weiteſten Sinne geübt wird. Es kann deshalb nicht ſchwer
werden, in engere Beziehungen zu Columbien zu treten, dem
Lande deutſche Intelligenz, Arbeitskraft und Capital zur Hebung
ſeiner reichen Schätze zuzuführen und dieſelben zum Nutzen beider
Staaten auszubeuten. Curaçao als deutſche Flottenſtation würde
auch in dieſem Betracht von unberechenbarer Wichtigkeit ſein und
die vielfach ventilirte Frage: „Bedarf Deutſchland Colonien?“
auf dieſe Weiſe eine allſeitig befriedigende und willkommene
Löſung finden.

Der Magdalenenſtrom, etwa von der Größe unſeres Rheins
und die Hauptverkehrsader des Landes, galt bis vor einigen
Jahren in ſeiner Mündung für größere Schiffe als unpaſſirbar.
Dieſer Irrthum iſt 1875 durch die deutſche Dampfcorvette
„Auguſta“ berichtigt, die mit ſechzehn Fuß Tiefgang bis Barran-
quilla hinaufdampfte, eine Entdeckung, die dem Handel ſehr zu
Gute kommen muß, da ſie von Barranquilla aus eine directe
Verſchiffung der den Strom herabkommenden Güter ermöglicht
und die jetzige Umladung auf die Bahn unnöthig macht. In
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[349/0361] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer auch hier von Einwanderung entſchieden abzurathen, obwol die politiſchen Zuſtände des Landes viel ruhiger ſind als in Vene- zuela und die Deutſchen bei der Regierung wie bei dem Volke in Anſehen und Achtung ſtehen. Columbien hat eine große Zukunft und birgt nach jeder Richtung unerſchöpflichen Reich- thum an Producten. Es bietet ein unbegrenztes Feld für deutſchen Unternehmungsgeiſt und eine Coloniſation in ähnlichem Sinne, wie ſie oben für Venezuela empfohlen, würde für beide Theile ſegensreich werden. Der Regierung iſt daran gelegen, das Land zu heben und ſie ſetzt den Hebel an der rechten Stelle an. Sie gründet Unterrichtsanſtalten und ruft dazu deutſche Lehrkräfte ins Land; an der Spitze des neuerrichteten Schul- lehrerſeminars in Bogota ſtand bei unſerer Anweſenheit ein proteſtantiſcher Deutſcher, ein Beweis, daß Toleranz im weiteſten Sinne geübt wird. Es kann deshalb nicht ſchwer werden, in engere Beziehungen zu Columbien zu treten, dem Lande deutſche Intelligenz, Arbeitskraft und Capital zur Hebung ſeiner reichen Schätze zuzuführen und dieſelben zum Nutzen beider Staaten auszubeuten. Curaçao als deutſche Flottenſtation würde auch in dieſem Betracht von unberechenbarer Wichtigkeit ſein und die vielfach ventilirte Frage: „Bedarf Deutſchland Colonien?“ auf dieſe Weiſe eine allſeitig befriedigende und willkommene Löſung finden. Der Magdalenenſtrom, etwa von der Größe unſeres Rheins und die Hauptverkehrsader des Landes, galt bis vor einigen Jahren in ſeiner Mündung für größere Schiffe als unpaſſirbar. Dieſer Irrthum iſt 1875 durch die deutſche Dampfcorvette „Auguſta“ berichtigt, die mit ſechzehn Fuß Tiefgang bis Barran- quilla hinaufdampfte, eine Entdeckung, die dem Handel ſehr zu Gute kommen muß, da ſie von Barranquilla aus eine directe Verſchiffung der den Strom herabkommenden Güter ermöglicht und die jetzige Umladung auf die Bahn unnöthig macht. In welcher Weiſe die Verkehrserleichterung durch jene kurze Strecke

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/361>, abgerufen am 26.11.2024.