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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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zuela beherrschenden Lage, dem sicheren und leicht vertheidigungs-
fähigen Hafen und bei den großen Handelsinteressen, welche
Deutschland gerade in dieser Gegend hat, wäre die Acquisition
von Curacao für uns höchst empfehlenswerth und nach alle dem,
was man damals darüber hörte, würden sich derselben keine
zu großen Schwierigkeiten entgegenstellen.

Wenn auch eine eigentliche Colonialpolitik sich bis jetzt in
unseren maßgebenden Kreisen noch keiner besonderen Sympathien
zu erfreuen scheint, so hat man es andererseits doch für nöthig
befunden, im stillen Ocean durch Erwerbung von Kohlenstationen
unseren dortigen Handelsbeziehungen einen Rückhalt zu geben.
Das ist gewiß nur zu loben, denn Gründung von Colonien hat
in der Jetztzeit, wo die besten Länder vergeben sind, immer Be-
denkliches und der Erfolg ist zweifelhaft. Es kann leicht eine
Schraube ohne Ende werden, dem Lande bedeutend mehr kosten,
als einbringen und allerlei unliebsame Consequenzen nach sich
ziehen. Lassen sich deshalb dieselben Zwecke, d. h. Förderung
und Erweiterung unserer Handelsinteressen durch die Erwerbung
einer Flottenstation, erreichen, so ist letztere einer Colonie bei
weitem vorzuziehen. Und das würde bei Curacao der Fall sein.
Mit dem Besitze der Insel würden unsere Beziehungen zu
Mittelamerika einen ganz bedeutenden Aufschwung nehmen,
namentlich aber zu Venezuela. Es könnte nicht ausbleiben, daß
Deutschlands Einfluß auf letzteres Land mächtig wüchse, wenn
es sein so naher Nachbar würde, und unter solchen Verhältnissen
müßte auch deutsche Einwanderung unter dem Schutze von Ver-
trägen ihre Rechnung finden. Der Ueberschuß unserer Bevölkerung,
den wir nach Nordamerika abgegeben haben und noch abgeben,
ist für Deutschland so gut wie verloren, wenigstens hat unser
Handel und unsere Industrie nur geringen Nutzen von diesen
Auswanderern, die sich ihrer neuen Heimath sehr bald assimiliren.
Das ist jedoch anders in Staaten mit romanischer Bevölkerung;
dort bewahrt der Deutsche seine Nationalität und den Zu-

Werner
zuela beherrſchenden Lage, dem ſicheren und leicht vertheidigungs-
fähigen Hafen und bei den großen Handelsintereſſen, welche
Deutſchland gerade in dieſer Gegend hat, wäre die Acquiſition
von Curaçao für uns höchſt empfehlenswerth und nach alle dem,
was man damals darüber hörte, würden ſich derſelben keine
zu großen Schwierigkeiten entgegenſtellen.

Wenn auch eine eigentliche Colonialpolitik ſich bis jetzt in
unſeren maßgebenden Kreiſen noch keiner beſonderen Sympathien
zu erfreuen ſcheint, ſo hat man es andererſeits doch für nöthig
befunden, im ſtillen Ocean durch Erwerbung von Kohlenſtationen
unſeren dortigen Handelsbeziehungen einen Rückhalt zu geben.
Das iſt gewiß nur zu loben, denn Gründung von Colonien hat
in der Jetztzeit, wo die beſten Länder vergeben ſind, immer Be-
denkliches und der Erfolg iſt zweifelhaft. Es kann leicht eine
Schraube ohne Ende werden, dem Lande bedeutend mehr koſten,
als einbringen und allerlei unliebſame Conſequenzen nach ſich
ziehen. Laſſen ſich deshalb dieſelben Zwecke, d. h. Förderung
und Erweiterung unſerer Handelsintereſſen durch die Erwerbung
einer Flottenſtation, erreichen, ſo iſt letztere einer Colonie bei
weitem vorzuziehen. Und das würde bei Curaçao der Fall ſein.
Mit dem Beſitze der Inſel würden unſere Beziehungen zu
Mittelamerika einen ganz bedeutenden Aufſchwung nehmen,
namentlich aber zu Venezuela. Es könnte nicht ausbleiben, daß
Deutſchlands Einfluß auf letzteres Land mächtig wüchſe, wenn
es ſein ſo naher Nachbar würde, und unter ſolchen Verhältniſſen
müßte auch deutſche Einwanderung unter dem Schutze von Ver-
trägen ihre Rechnung finden. Der Ueberſchuß unſerer Bevölkerung,
den wir nach Nordamerika abgegeben haben und noch abgeben,
iſt für Deutſchland ſo gut wie verloren, wenigſtens hat unſer
Handel und unſere Induſtrie nur geringen Nutzen von dieſen
Auswanderern, die ſich ihrer neuen Heimath ſehr bald aſſimiliren.
Das iſt jedoch anders in Staaten mit romaniſcher Bevölkerung;
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[344/0356] Werner zuela beherrſchenden Lage, dem ſicheren und leicht vertheidigungs- fähigen Hafen und bei den großen Handelsintereſſen, welche Deutſchland gerade in dieſer Gegend hat, wäre die Acquiſition von Curaçao für uns höchſt empfehlenswerth und nach alle dem, was man damals darüber hörte, würden ſich derſelben keine zu großen Schwierigkeiten entgegenſtellen. Wenn auch eine eigentliche Colonialpolitik ſich bis jetzt in unſeren maßgebenden Kreiſen noch keiner beſonderen Sympathien zu erfreuen ſcheint, ſo hat man es andererſeits doch für nöthig befunden, im ſtillen Ocean durch Erwerbung von Kohlenſtationen unſeren dortigen Handelsbeziehungen einen Rückhalt zu geben. Das iſt gewiß nur zu loben, denn Gründung von Colonien hat in der Jetztzeit, wo die beſten Länder vergeben ſind, immer Be- denkliches und der Erfolg iſt zweifelhaft. Es kann leicht eine Schraube ohne Ende werden, dem Lande bedeutend mehr koſten, als einbringen und allerlei unliebſame Conſequenzen nach ſich ziehen. Laſſen ſich deshalb dieſelben Zwecke, d. h. Förderung und Erweiterung unſerer Handelsintereſſen durch die Erwerbung einer Flottenſtation, erreichen, ſo iſt letztere einer Colonie bei weitem vorzuziehen. Und das würde bei Curaçao der Fall ſein. Mit dem Beſitze der Inſel würden unſere Beziehungen zu Mittelamerika einen ganz bedeutenden Aufſchwung nehmen, namentlich aber zu Venezuela. Es könnte nicht ausbleiben, daß Deutſchlands Einfluß auf letzteres Land mächtig wüchſe, wenn es ſein ſo naher Nachbar würde, und unter ſolchen Verhältniſſen müßte auch deutſche Einwanderung unter dem Schutze von Ver- trägen ihre Rechnung finden. Der Ueberſchuß unſerer Bevölkerung, den wir nach Nordamerika abgegeben haben und noch abgeben, iſt für Deutſchland ſo gut wie verloren, wenigſtens hat unſer Handel und unſere Induſtrie nur geringen Nutzen von dieſen Auswanderern, die ſich ihrer neuen Heimath ſehr bald aſſimiliren. Das iſt jedoch anders in Staaten mit romaniſcher Bevölkerung; dort bewahrt der Deutſche ſeine Nationalität und den Zu-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/356>, abgerufen am 23.11.2024.