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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
besteht aus Negern und Mischlingen. Deutsche trafen wir
nur zwei.

Die einzige und Hauptstadt der Insel, Willemstadt, ist in
europäischem Style erbaut. Sie macht einen freundlichen sauberen
Eindruck und liegt in der Umgebung des Hafens. Letzterer
wird aus einem eine halbe Quadratmeile großen Bassin, dem
Schottegat, und einem 1500 Meter langen Canal gebildet, der
das Bassin mit dem Meere verbindet. Dieser Hafen ist voll-
kommen sicher von der Natur geschaffen, und hat so viel Tiefe,
daß die größten Schiffe darin ankern können.

In Curacao ist das commercielle Leben sehr rege und
namentlich die Handelsverbindung mit Venezuela bedeutend.
Es herrscht großer Wohlstand auf der Insel; das Haupt-
geschäft ist in den Händen der Juden, soll jedoch nicht immer
ganz reinlicher Natur sein. Der auf allen Einfuhrartikeln in
Mittelamerika lastende Zoll von 30 Procent reizt zum Schmuggel
und dieser steht deshalb in hoher Blüthe. Auch noch ein anderes
unmoralisches Geschäft war bis vor kurzer Zeit in lebhaf-
tem Schwange. Geldmänner Curacao's versorgten diejenigen,
welche in den mittelamerikanischen Republiken eine der chronischen
Revolutionen machen wollten, mit den nöthigen Baarmitteln und
mit Waffen. Gelangte dann der Betreffende auf den Präsi-
dentenstuhl, so zahlte er die Vorschüsse mit hohen Zinsen zurück
und beide Contrahenten standen sich gut dabei. Mißlang die
Sache, so war allerdings das Geld verloren und mußte bei
nächster Gelegenheit doppelt wieder eingebracht werden. An
solchen Gelegenheiten mangelte es aber bei der großen Zahl von
Prätendenten -- Venezuela zählt allein 600 Generäle in parti-
bus
-- keineswegs.

Das Klima der Insel kann als ein gesundes bezeichnet
werden und der ungehindert über sie hinstreifende Passatwind
mildert die Hitze; ebenso ist sie von Erdbeben und Orkanen frei.
Mit diesen klimatischen Vorzügen, mit ihrer die Küste von Vene-

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
beſteht aus Negern und Miſchlingen. Deutſche trafen wir
nur zwei.

Die einzige und Hauptſtadt der Inſel, Willemſtadt, iſt in
europäiſchem Style erbaut. Sie macht einen freundlichen ſauberen
Eindruck und liegt in der Umgebung des Hafens. Letzterer
wird aus einem eine halbe Quadratmeile großen Baſſin, dem
Schottegat, und einem 1500 Meter langen Canal gebildet, der
das Baſſin mit dem Meere verbindet. Dieſer Hafen iſt voll-
kommen ſicher von der Natur geſchaffen, und hat ſo viel Tiefe,
daß die größten Schiffe darin ankern können.

In Curaçao iſt das commercielle Leben ſehr rege und
namentlich die Handelsverbindung mit Venezuela bedeutend.
Es herrſcht großer Wohlſtand auf der Inſel; das Haupt-
geſchäft iſt in den Händen der Juden, ſoll jedoch nicht immer
ganz reinlicher Natur ſein. Der auf allen Einfuhrartikeln in
Mittelamerika laſtende Zoll von 30 Procent reizt zum Schmuggel
und dieſer ſteht deshalb in hoher Blüthe. Auch noch ein anderes
unmoraliſches Geſchäft war bis vor kurzer Zeit in lebhaf-
tem Schwange. Geldmänner Curaçao’s verſorgten diejenigen,
welche in den mittelamerikaniſchen Republiken eine der chroniſchen
Revolutionen machen wollten, mit den nöthigen Baarmitteln und
mit Waffen. Gelangte dann der Betreffende auf den Präſi-
dentenſtuhl, ſo zahlte er die Vorſchüſſe mit hohen Zinſen zurück
und beide Contrahenten ſtanden ſich gut dabei. Mißlang die
Sache, ſo war allerdings das Geld verloren und mußte bei
nächſter Gelegenheit doppelt wieder eingebracht werden. An
ſolchen Gelegenheiten mangelte es aber bei der großen Zahl von
Prätendenten — Venezuela zählt allein 600 Generäle in parti-
bus
— keineswegs.

Das Klima der Inſel kann als ein geſundes bezeichnet
werden und der ungehindert über ſie hinſtreifende Paſſatwind
mildert die Hitze; ebenſo iſt ſie von Erdbeben und Orkanen frei.
Mit dieſen klimatiſchen Vorzügen, mit ihrer die Küſte von Vene-

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[343/0355] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer beſteht aus Negern und Miſchlingen. Deutſche trafen wir nur zwei. Die einzige und Hauptſtadt der Inſel, Willemſtadt, iſt in europäiſchem Style erbaut. Sie macht einen freundlichen ſauberen Eindruck und liegt in der Umgebung des Hafens. Letzterer wird aus einem eine halbe Quadratmeile großen Baſſin, dem Schottegat, und einem 1500 Meter langen Canal gebildet, der das Baſſin mit dem Meere verbindet. Dieſer Hafen iſt voll- kommen ſicher von der Natur geſchaffen, und hat ſo viel Tiefe, daß die größten Schiffe darin ankern können. In Curaçao iſt das commercielle Leben ſehr rege und namentlich die Handelsverbindung mit Venezuela bedeutend. Es herrſcht großer Wohlſtand auf der Inſel; das Haupt- geſchäft iſt in den Händen der Juden, ſoll jedoch nicht immer ganz reinlicher Natur ſein. Der auf allen Einfuhrartikeln in Mittelamerika laſtende Zoll von 30 Procent reizt zum Schmuggel und dieſer ſteht deshalb in hoher Blüthe. Auch noch ein anderes unmoraliſches Geſchäft war bis vor kurzer Zeit in lebhaf- tem Schwange. Geldmänner Curaçao’s verſorgten diejenigen, welche in den mittelamerikaniſchen Republiken eine der chroniſchen Revolutionen machen wollten, mit den nöthigen Baarmitteln und mit Waffen. Gelangte dann der Betreffende auf den Präſi- dentenſtuhl, ſo zahlte er die Vorſchüſſe mit hohen Zinſen zurück und beide Contrahenten ſtanden ſich gut dabei. Mißlang die Sache, ſo war allerdings das Geld verloren und mußte bei nächſter Gelegenheit doppelt wieder eingebracht werden. An ſolchen Gelegenheiten mangelte es aber bei der großen Zahl von Prätendenten — Venezuela zählt allein 600 Generäle in parti- bus — keineswegs. Das Klima der Inſel kann als ein geſundes bezeichnet werden und der ungehindert über ſie hinſtreifende Paſſatwind mildert die Hitze; ebenſo iſt ſie von Erdbeben und Orkanen frei. Mit dieſen klimatiſchen Vorzügen, mit ihrer die Küſte von Vene-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/355>, abgerufen am 23.11.2024.