Lupe nicht als Mundöffnungen, sondern nur als kalkige Secre- tionen darstellten, waren andere erst in allmäliger Umwandlung begriffen und die jüngst Hinzugekommenen wiesen noch ihre natürliche schwärzlich graue Farbe auf. Jedenfalls offenbarte sich hier ein wunderbarer Proceß der vorsorgenden Natur, um die Seesterne dadurch vor ihren Feinden zu verbergen, daß sie sich genau die Farbe ihres Standortes aneigneten.
Die festgesetzte Zeit unseres Aufenthaltes schwand schnell dahin. Wir wären gern länger geblieben, aber wir hatten noch eine ganze Reihe von Plätzen zu besuchen und es mußte ge- schieden sein. Wir nahmen von Barbados die angenehmsten Eindrücke mit uns und werden uns der freundlichen Insel und ihrer gastfreien uns entgegenkommenden Bewohner gern und dankbar erinnern.
Unser nächstes Ziel war Venezuela und zwar der östlichste seiner drei Häfen, La Guayra, das wir in wenigen Tagen, von dem schönsten Passatwetter begünstigt, erreichten. Der Ausdruck "Hafen" ist für La Guayra jedoch eigentlich nicht zutreffend, wenn man darunter einen gegen die Unbill der Witterung ge- schützten Ankerplatz versteht. Die Stadt liegt an der offenen Küste, auf welcher der Passatwind steht, und wenn derselbe auch ziemlich gleichmäßige Stärke hat, so erregt er doch so viel See- gang, daß die Schiffe wie auf dem Meere sich stets in schwan- kender Bewegung befinden. Weit unangenehmer wird dadurch aber die Verbindung mit dem Lande. Die Wellen rollen so heftig an den Strand, daß man selten mit den Booten landen kann, ohne durchnäßt zu werden und oft Tage lang gar keine Communication stattfindet.
Es kennzeichnet die Zustände der Republik, daß nicht ein- mal eine schützende Mole existirt und man sich mit einem soge- nannten Wellenbrecher begnügt, der sich einige Meter weit in das Wasser erstreckt, aber so gut wie gar keinen Schutz gewährt. In welchem anderen Lande der Welt würde eine Seehandels-
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Lupe nicht als Mundöffnungen, ſondern nur als kalkige Secre- tionen darſtellten, waren andere erſt in allmäliger Umwandlung begriffen und die jüngſt Hinzugekommenen wieſen noch ihre natürliche ſchwärzlich graue Farbe auf. Jedenfalls offenbarte ſich hier ein wunderbarer Proceß der vorſorgenden Natur, um die Seeſterne dadurch vor ihren Feinden zu verbergen, daß ſie ſich genau die Farbe ihres Standortes aneigneten.
Die feſtgeſetzte Zeit unſeres Aufenthaltes ſchwand ſchnell dahin. Wir wären gern länger geblieben, aber wir hatten noch eine ganze Reihe von Plätzen zu beſuchen und es mußte ge- ſchieden ſein. Wir nahmen von Barbados die angenehmſten Eindrücke mit uns und werden uns der freundlichen Inſel und ihrer gaſtfreien uns entgegenkommenden Bewohner gern und dankbar erinnern.
Unſer nächſtes Ziel war Venezuela und zwar der öſtlichſte ſeiner drei Häfen, La Guayra, das wir in wenigen Tagen, von dem ſchönſten Paſſatwetter begünſtigt, erreichten. Der Ausdruck „Hafen“ iſt für La Guayra jedoch eigentlich nicht zutreffend, wenn man darunter einen gegen die Unbill der Witterung ge- ſchützten Ankerplatz verſteht. Die Stadt liegt an der offenen Küſte, auf welcher der Paſſatwind ſteht, und wenn derſelbe auch ziemlich gleichmäßige Stärke hat, ſo erregt er doch ſo viel See- gang, daß die Schiffe wie auf dem Meere ſich ſtets in ſchwan- kender Bewegung befinden. Weit unangenehmer wird dadurch aber die Verbindung mit dem Lande. Die Wellen rollen ſo heftig an den Strand, daß man ſelten mit den Booten landen kann, ohne durchnäßt zu werden und oft Tage lang gar keine Communication ſtattfindet.
Es kennzeichnet die Zuſtände der Republik, daß nicht ein- mal eine ſchützende Mole exiſtirt und man ſich mit einem ſoge- nannten Wellenbrecher begnügt, der ſich einige Meter weit in das Waſſer erſtreckt, aber ſo gut wie gar keinen Schutz gewährt. In welchem anderen Lande der Welt würde eine Seehandels-
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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Lupe nicht als Mundöffnungen, ſondern nur als kalkige Secre-
tionen darſtellten, waren andere erſt in allmäliger Umwandlung
begriffen und die jüngſt Hinzugekommenen wieſen noch ihre
natürliche ſchwärzlich graue Farbe auf. Jedenfalls offenbarte
ſich hier ein wunderbarer Proceß der vorſorgenden Natur, um
die Seeſterne dadurch vor ihren Feinden zu verbergen, daß ſie
ſich genau die Farbe ihres Standortes aneigneten.
Die feſtgeſetzte Zeit unſeres Aufenthaltes ſchwand ſchnell
dahin. Wir wären gern länger geblieben, aber wir hatten noch
eine ganze Reihe von Plätzen zu beſuchen und es mußte ge-
ſchieden ſein. Wir nahmen von Barbados die angenehmſten
Eindrücke mit uns und werden uns der freundlichen Inſel und
ihrer gaſtfreien uns entgegenkommenden Bewohner gern und
dankbar erinnern.
Unſer nächſtes Ziel war Venezuela und zwar der öſtlichſte
ſeiner drei Häfen, La Guayra, das wir in wenigen Tagen, von
dem ſchönſten Paſſatwetter begünſtigt, erreichten. Der Ausdruck
„Hafen“ iſt für La Guayra jedoch eigentlich nicht zutreffend,
wenn man darunter einen gegen die Unbill der Witterung ge-
ſchützten Ankerplatz verſteht. Die Stadt liegt an der offenen
Küſte, auf welcher der Paſſatwind ſteht, und wenn derſelbe auch
ziemlich gleichmäßige Stärke hat, ſo erregt er doch ſo viel See-
gang, daß die Schiffe wie auf dem Meere ſich ſtets in ſchwan-
kender Bewegung befinden. Weit unangenehmer wird dadurch
aber die Verbindung mit dem Lande. Die Wellen rollen ſo
heftig an den Strand, daß man ſelten mit den Booten landen
kann, ohne durchnäßt zu werden und oft Tage lang gar keine
Communication ſtattfindet.
Es kennzeichnet die Zuſtände der Republik, daß nicht ein-
mal eine ſchützende Mole exiſtirt und man ſich mit einem ſoge-
nannten Wellenbrecher begnügt, der ſich einige Meter weit in
das Waſſer erſtreckt, aber ſo gut wie gar keinen Schutz gewährt.
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/339>, abgerufen am 16.02.2025.
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