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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer
reichste und schönste der Inseln über dem Winde und Sitz des
Generalgouverneurs der englischen Antillen. Bei 450 Quadrat-
kilometer Flächeninhalt zählt sie 162,000 Einwohner, wovon
jedoch nur der zehnte Theil aus Weißen besteht, die Uebrigen
sind Neger und Mischlinge.

Daß Barbados seit über 200 Jahren in englischem Besitz
ist, merkt man auf Schritt und Tritt. Die Insel ist ungemein
hoch cultivirt und deswegen auch so dicht bevölkert. Sie ist
nicht vulkanischen Ursprungs, sondern hat sich langsam ge-
hoben. Ihre Höhenzüge sind verhältnißmäßig abgeflacht und
fast durchgängig culturfähig; die höchste Spitze ist nur 350
Meter hoch. Die Hauptstadt Bridgetown liegt am Meere und
macht den Eindruck eines freundlichen Landstädtchens ohne
irgend welche hervorragende Baulichkeiten. Sie ist von Hügeln
umgeben, auf denen sich die Europäer angebaut haben, um stets
die Kühlung des frischen Passatwindes zu genießen, der über
die Insel streicht und ihr Klima zu einem sehr angenehmen und
namentlich gesunden macht. Die epidemischen Fieber, welche in
Westindien oft mit so tödtlicher Gewalt auftreten, suchen Barba-
dos selten heim und ebenso ist es von Erdbeben verschont, leidet
jedoch öfter durch Orkane. Das Hauptproduct der Insel ist
Zucker; überall sieht man wogende Zuckerfelder und Fabriken
aus dem Grün auftauchen, und die über 25 Millionen Mark
betragende Ausfuhr giebt einen Maßstab für den Bodenreich-
thum. Merkwürdiger Weise sind auf Barbados keine Deutschen;
überall in der Welt findet man sie angesiedelt und fast immer
arbeiten sie sich zu angesehenen Stellungen empor, nur hier nicht.

Neger und Farbige werden sonst von den Engländern
als tief unter ihnen stehende Wesen angesehen und danach be-
handelt, oft so brutal, daß der humane Deutsche sich dadurch
verletzt und empört fühlt. Auf Barbados ist das jedoch nicht
der Fall; die Insel hat eine ungemein freie Verfassung und
der farbige Menschenbruder glaubt, die ihm gewährte Freiheit

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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
reichſte und ſchönſte der Inſeln über dem Winde und Sitz des
Generalgouverneurs der engliſchen Antillen. Bei 450 Quadrat-
kilometer Flächeninhalt zählt ſie 162,000 Einwohner, wovon
jedoch nur der zehnte Theil aus Weißen beſteht, die Uebrigen
ſind Neger und Miſchlinge.

Daß Barbados ſeit über 200 Jahren in engliſchem Beſitz
iſt, merkt man auf Schritt und Tritt. Die Inſel iſt ungemein
hoch cultivirt und deswegen auch ſo dicht bevölkert. Sie iſt
nicht vulkaniſchen Urſprungs, ſondern hat ſich langſam ge-
hoben. Ihre Höhenzüge ſind verhältnißmäßig abgeflacht und
faſt durchgängig culturfähig; die höchſte Spitze iſt nur 350
Meter hoch. Die Hauptſtadt Bridgetown liegt am Meere und
macht den Eindruck eines freundlichen Landſtädtchens ohne
irgend welche hervorragende Baulichkeiten. Sie iſt von Hügeln
umgeben, auf denen ſich die Europäer angebaut haben, um ſtets
die Kühlung des friſchen Paſſatwindes zu genießen, der über
die Inſel ſtreicht und ihr Klima zu einem ſehr angenehmen und
namentlich geſunden macht. Die epidemiſchen Fieber, welche in
Weſtindien oft mit ſo tödtlicher Gewalt auftreten, ſuchen Barba-
dos ſelten heim und ebenſo iſt es von Erdbeben verſchont, leidet
jedoch öfter durch Orkane. Das Hauptproduct der Inſel iſt
Zucker; überall ſieht man wogende Zuckerfelder und Fabriken
aus dem Grün auftauchen, und die über 25 Millionen Mark
betragende Ausfuhr giebt einen Maßſtab für den Bodenreich-
thum. Merkwürdiger Weiſe ſind auf Barbados keine Deutſchen;
überall in der Welt findet man ſie angeſiedelt und faſt immer
arbeiten ſie ſich zu angeſehenen Stellungen empor, nur hier nicht.

Neger und Farbige werden ſonſt von den Engländern
als tief unter ihnen ſtehende Weſen angeſehen und danach be-
handelt, oft ſo brutal, daß der humane Deutſche ſich dadurch
verletzt und empört fühlt. Auf Barbados iſt das jedoch nicht
der Fall; die Inſel hat eine ungemein freie Verfaſſung und
der farbige Menſchenbruder glaubt, die ihm gewährte Freiheit

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[323/0335] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer reichſte und ſchönſte der Inſeln über dem Winde und Sitz des Generalgouverneurs der engliſchen Antillen. Bei 450 Quadrat- kilometer Flächeninhalt zählt ſie 162,000 Einwohner, wovon jedoch nur der zehnte Theil aus Weißen beſteht, die Uebrigen ſind Neger und Miſchlinge. Daß Barbados ſeit über 200 Jahren in engliſchem Beſitz iſt, merkt man auf Schritt und Tritt. Die Inſel iſt ungemein hoch cultivirt und deswegen auch ſo dicht bevölkert. Sie iſt nicht vulkaniſchen Urſprungs, ſondern hat ſich langſam ge- hoben. Ihre Höhenzüge ſind verhältnißmäßig abgeflacht und faſt durchgängig culturfähig; die höchſte Spitze iſt nur 350 Meter hoch. Die Hauptſtadt Bridgetown liegt am Meere und macht den Eindruck eines freundlichen Landſtädtchens ohne irgend welche hervorragende Baulichkeiten. Sie iſt von Hügeln umgeben, auf denen ſich die Europäer angebaut haben, um ſtets die Kühlung des friſchen Paſſatwindes zu genießen, der über die Inſel ſtreicht und ihr Klima zu einem ſehr angenehmen und namentlich geſunden macht. Die epidemiſchen Fieber, welche in Weſtindien oft mit ſo tödtlicher Gewalt auftreten, ſuchen Barba- dos ſelten heim und ebenſo iſt es von Erdbeben verſchont, leidet jedoch öfter durch Orkane. Das Hauptproduct der Inſel iſt Zucker; überall ſieht man wogende Zuckerfelder und Fabriken aus dem Grün auftauchen, und die über 25 Millionen Mark betragende Ausfuhr giebt einen Maßſtab für den Bodenreich- thum. Merkwürdiger Weiſe ſind auf Barbados keine Deutſchen; überall in der Welt findet man ſie angeſiedelt und faſt immer arbeiten ſie ſich zu angeſehenen Stellungen empor, nur hier nicht. Neger und Farbige werden ſonſt von den Engländern als tief unter ihnen ſtehende Weſen angeſehen und danach be- handelt, oft ſo brutal, daß der humane Deutſche ſich dadurch verletzt und empört fühlt. Auf Barbados iſt das jedoch nicht der Fall; die Inſel hat eine ungemein freie Verfaſſung und der farbige Menſchenbruder glaubt, die ihm gewährte Freiheit 21*

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/335>, abgerufen am 22.11.2024.