den schlummernden Insassen mit einem höchst unangenehmen Ruck aus der horizontalen Lage in die vertikale versetzt.
Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre- merhafen giebt ein Taschenspieler Vorstellungen, welche kürzlich von einem Theil der Seejunker besucht worden, und es werden nun seine Leistungen kritisirt. Auf Böhrs haben sie einen ungemein imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger davon erbaut sind und Fahrenholz, der selbst in diesem Fache dilettirt, sie sehr abfällig beurtheilt. Böhrs ist ein ganz guter Junge, denkt nur ein wenig langsam und muß deshalb oft als Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthusias- mus für den Taschenspieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die Gesellschaft auf seine Kosten zu amüsiren.
"Du bist entzückt von dem Menschen," wendet er sich an Böhrs; "ich will Dir zeigen, daß er ein Pfuscher ist. Ich werde alle seine Kartenkunststücke Euch vormachen und gebe eine Bowle zum Besten, wenn ich ihn nicht in Schatten stelle."
Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu dem Künstler empor. Dieser hat inzwischen dem Steward Jean leise einen Befehl gegeben.
"Jetzt sollt Ihr aber etwas sehen," sagte er nun, "was Ihr noch bei keinem Taschenspieler gefunden habt. In wenigen Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerflasche zaubern."
Allgemeines Erstaunen und kopfschüttelnder Unglauben.
"Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern. Jean, eine leere Champagnerflasche und ein Ei!"
Der Spiritus familiaris erscheint mit den verlangten Gegenständen.
"So, nun scheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn es fertig ist, werde ich Euch rufen," commandirt Fahrenholz.
Als dem Befehle Folge geleistet ist, schält Fahrenholz das vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die
Die Seejunker
den ſchlummernden Inſaſſen mit einem höchſt unangenehmen Ruck aus der horizontalen Lage in die vertikale verſetzt.
Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre- merhafen giebt ein Taſchenſpieler Vorſtellungen, welche kürzlich von einem Theil der Seejunker beſucht worden, und es werden nun ſeine Leiſtungen kritiſirt. Auf Böhrs haben ſie einen ungemein imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger davon erbaut ſind und Fahrenholz, der ſelbſt in dieſem Fache dilettirt, ſie ſehr abfällig beurtheilt. Böhrs iſt ein ganz guter Junge, denkt nur ein wenig langſam und muß deshalb oft als Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthuſias- mus für den Taſchenſpieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die Geſellſchaft auf ſeine Koſten zu amüſiren.
„Du biſt entzückt von dem Menſchen,“ wendet er ſich an Böhrs; „ich will Dir zeigen, daß er ein Pfuſcher iſt. Ich werde alle ſeine Kartenkunſtſtücke Euch vormachen und gebe eine Bowle zum Beſten, wenn ich ihn nicht in Schatten ſtelle.“
Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu dem Künſtler empor. Dieſer hat inzwiſchen dem Steward Jean leiſe einen Befehl gegeben.
„Jetzt ſollt Ihr aber etwas ſehen,“ ſagte er nun, „was Ihr noch bei keinem Taſchenſpieler gefunden habt. In wenigen Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerflaſche zaubern.“
Allgemeines Erſtaunen und kopfſchüttelnder Unglauben.
„Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern. Jean, eine leere Champagnerflaſche und ein Ei!“
Der Spiritus familiaris erſcheint mit den verlangten Gegenſtänden.
„So, nun ſcheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn es fertig iſt, werde ich Euch rufen,“ commandirt Fahrenholz.
Als dem Befehle Folge geleiſtet iſt, ſchält Fahrenholz das vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die
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Die Seejunker
den ſchlummernden Inſaſſen mit einem höchſt unangenehmen
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Die Unterhaltung nimmt eine andere Richtung. In Bre-
merhafen giebt ein Taſchenſpieler Vorſtellungen, welche kürzlich
von einem Theil der Seejunker beſucht worden, und es werden nun
ſeine Leiſtungen kritiſirt. Auf Böhrs haben ſie einen ungemein
imponirenden Eindruck hervorgebracht, während Andere weniger
davon erbaut ſind und Fahrenholz, der ſelbſt in dieſem Fache
dilettirt, ſie ſehr abfällig beurtheilt. Böhrs iſt ein ganz guter
Junge, denkt nur ein wenig langſam und muß deshalb oft als
Stichblatt für die Witze der Uebrigen dienen. Sein Enthuſias-
mus für den Taſchenſpieler giebt Fahrenholz eine Idee ein, die
Geſellſchaft auf ſeine Koſten zu amüſiren.
„Du biſt entzückt von dem Menſchen,“ wendet er ſich an
Böhrs; „ich will Dir zeigen, daß er ein Pfuſcher iſt. Ich
werde alle ſeine Kartenkunſtſtücke Euch vormachen und gebe eine
Bowle zum Beſten, wenn ich ihn nicht in Schatten ſtelle.“
Fahrenholz führt wirklich die Sachen elegant aus, erntet
reichen Beifall und Böhrs blickt mit wahrhafter Ehrfurcht zu
dem Künſtler empor. Dieſer hat inzwiſchen dem Steward Jean
leiſe einen Befehl gegeben.
„Jetzt ſollt Ihr aber etwas ſehen,“ ſagte er nun, „was
Ihr noch bei keinem Taſchenſpieler gefunden habt. In wenigen
Minuten werde ich ein Ei in eine Champagnerflaſche zaubern.“
Allgemeines Erſtaunen und kopfſchüttelnder Unglauben.
„Ihr zweifelt, nun ich werde Euch den Beweis liefern.
Jean, eine leere Champagnerflaſche und ein Ei!“
Der Spiritus familiaris erſcheint mit den verlangten
Gegenſtänden.
„So, nun ſcheert Euch auf fünf Minuten hinaus, wenn
es fertig iſt, werde ich Euch rufen,“ commandirt Fahrenholz.
Als dem Befehle Folge geleiſtet iſt, ſchält Fahrenholz das
vorher nicht ganz hart gekochte Ei, gießt etwas Spiritus in die
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/311>, abgerufen am 27.07.2024.
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