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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Die Seejunker
und etwas weniger Tiefe und Höhe, bewilligt, in der sogar sein
blechernes Waschgeräth verstaut werden mußte. Diese Kiste stand
unten in dem dunkeln Zwischendeck, und außerdem gebot Jeder
nur noch über ein Stückchen Regal von zwei Fuß Länge oben
in der Messe. Das war herzlich wenig und erklärte das Durch-
einander. Jetzt haben es die Kadetten etwas besser, sie brauchen
sich nicht mehr in oder auf der Kiste zu waschen, und Jedem
ist außerdem ein Spind zugewiesen, in dem er wenigstens seine
Kleider und Wäsche unterbringen kann, da die größer geworde-
nen Dimensionen der neueren Schiffe diesen Luxus gestatten.
Von den zwanzig Junkern hatte, mit Ausnahme der Unterrichts-
stunden, der vierte Theil immer Wache auf dem Oberdeck, theils
um practischen Dienst zu thun, theils um für die Uebrigen in
der immerhin für so viel Bewohner beschränkten Messe Platz zu
gewinnen.

Es ist gegen fünf Uhr Nachmittags und die heutigen Lehr-
stunden sind vor kurzem beendet. Herr Freise, der Lehrer der
sphärischen Trigonometrie, ein scharfer mathematischer Kopf,
aber für das übrige Leben ziemlich unbrauchbar und deshalb
von seinen Schülern als cosinus a-sinus ... bezeichnet, hat
sich sehr viel Mühe gegeben, den Junkern das Verständniß
einiger schwieriger Formeln zu eröffnen. Die Anstrengung ist
deshalb ziemlich groß gewesen und eine Erholung nothwendig.
Der Kaffee ist bereits getrunken und ein riesiger Topfkuchen,
den der Steward Jean, -- alle Stewards in der deutschen
Marine trugen den Gattungsnamen Jean -- seines Zeichens
ein Conditor, fabricirt, bis auf die Krümel verschwunden. Nach
Erledigung der materiellen Seite will aber auch das Gemüth
bedacht sein, es wird ein Lied intonirt und man hört schon von
weitem den Gesang. Der Text kommt uns zwar sehr bekannt
vor, aber die Melodie klingt neu, scheint zu dem Inhalte nicht
recht zu passen und ist wahrscheinlich an Bord selbst componirt.
Bei näherem Hinhören unterscheiden wir denn auch deutlich die

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Die Seejunker
und etwas weniger Tiefe und Höhe, bewilligt, in der ſogar ſein
blechernes Waſchgeräth verſtaut werden mußte. Dieſe Kiſte ſtand
unten in dem dunkeln Zwiſchendeck, und außerdem gebot Jeder
nur noch über ein Stückchen Regal von zwei Fuß Länge oben
in der Meſſe. Das war herzlich wenig und erklärte das Durch-
einander. Jetzt haben es die Kadetten etwas beſſer, ſie brauchen
ſich nicht mehr in oder auf der Kiſte zu waſchen, und Jedem
iſt außerdem ein Spind zugewieſen, in dem er wenigſtens ſeine
Kleider und Wäſche unterbringen kann, da die größer geworde-
nen Dimenſionen der neueren Schiffe dieſen Luxus geſtatten.
Von den zwanzig Junkern hatte, mit Ausnahme der Unterrichts-
ſtunden, der vierte Theil immer Wache auf dem Oberdeck, theils
um practiſchen Dienſt zu thun, theils um für die Uebrigen in
der immerhin für ſo viel Bewohner beſchränkten Meſſe Platz zu
gewinnen.

Es iſt gegen fünf Uhr Nachmittags und die heutigen Lehr-
ſtunden ſind vor kurzem beendet. Herr Freiſe, der Lehrer der
ſphäriſchen Trigonometrie, ein ſcharfer mathematiſcher Kopf,
aber für das übrige Leben ziemlich unbrauchbar und deshalb
von ſeinen Schülern als cosinus a-sinus … bezeichnet, hat
ſich ſehr viel Mühe gegeben, den Junkern das Verſtändniß
einiger ſchwieriger Formeln zu eröffnen. Die Anſtrengung iſt
deshalb ziemlich groß geweſen und eine Erholung nothwendig.
Der Kaffee iſt bereits getrunken und ein rieſiger Topfkuchen,
den der Steward Jean, — alle Stewards in der deutſchen
Marine trugen den Gattungsnamen Jean — ſeines Zeichens
ein Conditor, fabricirt, bis auf die Krümel verſchwunden. Nach
Erledigung der materiellen Seite will aber auch das Gemüth
bedacht ſein, es wird ein Lied intonirt und man hört ſchon von
weitem den Geſang. Der Text kommt uns zwar ſehr bekannt
vor, aber die Melodie klingt neu, ſcheint zu dem Inhalte nicht
recht zu paſſen und iſt wahrſcheinlich an Bord ſelbſt componirt.
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[291/0303] Die Seejunker und etwas weniger Tiefe und Höhe, bewilligt, in der ſogar ſein blechernes Waſchgeräth verſtaut werden mußte. Dieſe Kiſte ſtand unten in dem dunkeln Zwiſchendeck, und außerdem gebot Jeder nur noch über ein Stückchen Regal von zwei Fuß Länge oben in der Meſſe. Das war herzlich wenig und erklärte das Durch- einander. Jetzt haben es die Kadetten etwas beſſer, ſie brauchen ſich nicht mehr in oder auf der Kiſte zu waſchen, und Jedem iſt außerdem ein Spind zugewieſen, in dem er wenigſtens ſeine Kleider und Wäſche unterbringen kann, da die größer geworde- nen Dimenſionen der neueren Schiffe dieſen Luxus geſtatten. Von den zwanzig Junkern hatte, mit Ausnahme der Unterrichts- ſtunden, der vierte Theil immer Wache auf dem Oberdeck, theils um practiſchen Dienſt zu thun, theils um für die Uebrigen in der immerhin für ſo viel Bewohner beſchränkten Meſſe Platz zu gewinnen. Es iſt gegen fünf Uhr Nachmittags und die heutigen Lehr- ſtunden ſind vor kurzem beendet. Herr Freiſe, der Lehrer der ſphäriſchen Trigonometrie, ein ſcharfer mathematiſcher Kopf, aber für das übrige Leben ziemlich unbrauchbar und deshalb von ſeinen Schülern als cosinus a-sinus … bezeichnet, hat ſich ſehr viel Mühe gegeben, den Junkern das Verſtändniß einiger ſchwieriger Formeln zu eröffnen. Die Anſtrengung iſt deshalb ziemlich groß geweſen und eine Erholung nothwendig. Der Kaffee iſt bereits getrunken und ein rieſiger Topfkuchen, den der Steward Jean, — alle Stewards in der deutſchen Marine trugen den Gattungsnamen Jean — ſeines Zeichens ein Conditor, fabricirt, bis auf die Krümel verſchwunden. Nach Erledigung der materiellen Seite will aber auch das Gemüth bedacht ſein, es wird ein Lied intonirt und man hört ſchon von weitem den Geſang. Der Text kommt uns zwar ſehr bekannt vor, aber die Melodie klingt neu, ſcheint zu dem Inhalte nicht recht zu paſſen und iſt wahrſcheinlich an Bord ſelbſt componirt. Bei näherem Hinhören unterſcheiden wir denn auch deutlich die 19*

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/303>, abgerufen am 22.11.2024.