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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
bald der Wind herkommen, sagen die Seeleute und es trifft
bisweilen zu.

Fast alle Schiffe, mit denen wir am Morgen zugleich
Anker gelichtet, hatten wir weit hinter uns gelassen und viele
von ihnen schwammen nur noch wie weiße Punkte auf der
Meeresfläche, die nicht mehr von dem gelblichen Wasser des
Elbstromes getrübt wurde, sondern eine lichte, grüne Färbung
angenommen hatte, in der das Kielwasser unseres Schiffes einen
breiten silberschäumenden Streifen zeichnete. Fern am nördlichen
Horizonte tauchte Helgoland als bläulicher Hügel auf, doch nur
einen Augenblick, dann senkte sich ein grauer Wolkenschleier
herab, entzog es den spähenden Blicken, und sehr bald verwan-
delte sich auch das Bild, in dessen Anschauen ich versunken war.

Wir hatten bisher vor dem Winde gesegelt, der stoßweise
und mit sehr wechselnder Stärke wehte. Der Himmel sah
nicht gut aus, auf hellgrauem Grunde schwammen dunkle kleine
Wolken und jagten darüber hin, als würden sie von einem
Sturme gepeitscht. Die Sonne hatte sich den ganzen Tag nicht
blicken lassen, die Möven kreischten durchdringend und hielten
sich niedrig über dem Wasser.

"Das giebt keine gute Nacht," hörte ich den Bootsmann
sagen. Er war wieder an Deck gekommen, um sich See und
Himmel zu betrachten, freilich von einem praktischerem Stand-
punkte aus, als ich. "Ja" meinte der von ihm angeredete Zimmer-
mann "ein Krümper* hält nicht lange vor, und die Blänke dort
im Westen wird bald ihr Gesicht zeigen." Kaum waren die
Worte des Sprechers verhallt, als auf einmal alle Segel los-
kamen und heftig zu schlagen begannen. "Steuerbord Vor-
brassen!" rief der Obersteuermann vom Hinterdeck; die Segel
sollten schärfer an den Wind gestellt werden.


* Wenn der Wind links herumgeht, so sagen die Seeleute "er
krümpt." Gewöhnlich hat er dann keinen Bestand und das Wetter
wird schlecht.

Werner
bald der Wind herkommen, ſagen die Seeleute und es trifft
bisweilen zu.

Faſt alle Schiffe, mit denen wir am Morgen zugleich
Anker gelichtet, hatten wir weit hinter uns gelaſſen und viele
von ihnen ſchwammen nur noch wie weiße Punkte auf der
Meeresfläche, die nicht mehr von dem gelblichen Waſſer des
Elbſtromes getrübt wurde, ſondern eine lichte, grüne Färbung
angenommen hatte, in der das Kielwaſſer unſeres Schiffes einen
breiten ſilberſchäumenden Streifen zeichnete. Fern am nördlichen
Horizonte tauchte Helgoland als bläulicher Hügel auf, doch nur
einen Augenblick, dann ſenkte ſich ein grauer Wolkenſchleier
herab, entzog es den ſpähenden Blicken, und ſehr bald verwan-
delte ſich auch das Bild, in deſſen Anſchauen ich verſunken war.

Wir hatten bisher vor dem Winde geſegelt, der ſtoßweiſe
und mit ſehr wechſelnder Stärke wehte. Der Himmel ſah
nicht gut aus, auf hellgrauem Grunde ſchwammen dunkle kleine
Wolken und jagten darüber hin, als würden ſie von einem
Sturme gepeitſcht. Die Sonne hatte ſich den ganzen Tag nicht
blicken laſſen, die Möven kreiſchten durchdringend und hielten
ſich niedrig über dem Waſſer.

„Das giebt keine gute Nacht,“ hörte ich den Bootsmann
ſagen. Er war wieder an Deck gekommen, um ſich See und
Himmel zu betrachten, freilich von einem praktiſcherem Stand-
punkte aus, als ich. „Ja“ meinte der von ihm angeredete Zimmer-
mann „ein Krümper* hält nicht lange vor, und die Blänke dort
im Weſten wird bald ihr Geſicht zeigen.“ Kaum waren die
Worte des Sprechers verhallt, als auf einmal alle Segel los-
kamen und heftig zu ſchlagen begannen. „Steuerbord Vor-
braſſen!“ rief der Oberſteuermann vom Hinterdeck; die Segel
ſollten ſchärfer an den Wind geſtellt werden.


* Wenn der Wind links herumgeht, ſo ſagen die Seeleute „er
krümpt.“ Gewöhnlich hat er dann keinen Beſtand und das Wetter
wird ſchlecht.
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[18/0030] Werner bald der Wind herkommen, ſagen die Seeleute und es trifft bisweilen zu. Faſt alle Schiffe, mit denen wir am Morgen zugleich Anker gelichtet, hatten wir weit hinter uns gelaſſen und viele von ihnen ſchwammen nur noch wie weiße Punkte auf der Meeresfläche, die nicht mehr von dem gelblichen Waſſer des Elbſtromes getrübt wurde, ſondern eine lichte, grüne Färbung angenommen hatte, in der das Kielwaſſer unſeres Schiffes einen breiten ſilberſchäumenden Streifen zeichnete. Fern am nördlichen Horizonte tauchte Helgoland als bläulicher Hügel auf, doch nur einen Augenblick, dann ſenkte ſich ein grauer Wolkenſchleier herab, entzog es den ſpähenden Blicken, und ſehr bald verwan- delte ſich auch das Bild, in deſſen Anſchauen ich verſunken war. Wir hatten bisher vor dem Winde geſegelt, der ſtoßweiſe und mit ſehr wechſelnder Stärke wehte. Der Himmel ſah nicht gut aus, auf hellgrauem Grunde ſchwammen dunkle kleine Wolken und jagten darüber hin, als würden ſie von einem Sturme gepeitſcht. Die Sonne hatte ſich den ganzen Tag nicht blicken laſſen, die Möven kreiſchten durchdringend und hielten ſich niedrig über dem Waſſer. „Das giebt keine gute Nacht,“ hörte ich den Bootsmann ſagen. Er war wieder an Deck gekommen, um ſich See und Himmel zu betrachten, freilich von einem praktiſcherem Stand- punkte aus, als ich. „Ja“ meinte der von ihm angeredete Zimmer- mann „ein Krümper * hält nicht lange vor, und die Blänke dort im Weſten wird bald ihr Geſicht zeigen.“ Kaum waren die Worte des Sprechers verhallt, als auf einmal alle Segel los- kamen und heftig zu ſchlagen begannen. „Steuerbord Vor- braſſen!“ rief der Oberſteuermann vom Hinterdeck; die Segel ſollten ſchärfer an den Wind geſtellt werden. * Wenn der Wind links herumgeht, ſo ſagen die Seeleute „er krümpt.“ Gewöhnlich hat er dann keinen Beſtand und das Wetter wird ſchlecht.

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/30>, abgerufen am 27.11.2024.