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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
Neste geholt und aufgezogen. Der Papagei ist so zahm, daß er mir
auf Schritt und Tritt nachfliegt. Oefter macht er auch Besuche
bei den Kameraden im Walde, kehrt aber regelmäßig bald zurück.
Das Merkwürdigste ist aber seine musikalische Begabung und
seine klangvolle Stimme. Er versucht, alle in meinem Hause
gehörten Lieder nachzusingen oder vielmehr nachzupfeifen und bei
einigen gelingt ihm dies vortrefflich. Namentlich scheint ihm
"Wer hat Dich Du schöner Wald" zu gefallen, das von mir
und meinen Kindern öfter als Quartett gesungen wird. Er
reproducirt es ohne den leisesten Fehler und vollkommen rein."

"Als wir vor dem Hause meines Freundes ankamen, hatte
ich Gelegenheit, sofort die Bekanntschaft dieses merkwürdigen
Vogels zu machen. Sobald er seines Herrn ansichtig wurde
und von der Kette am Fuße frei gemacht war, flog er auf
dessen Schulter und drückte durch allerlei komische Bewegungen
die größte Freude über seine Rückkunft aus. Ich blieb einige
Tage auf der Hacienda und fand auch die übrigen gerühmten
Vorzüge des Thieres bestätigt; es pfiff verschiedene deutsche
Lieder glockenrein. Gar zu gern hätte ich den Papagei gehabt,
aber er war offenbar meinem Freunde so ans Herz gewachsen,
daß ich gar nicht wagte, ihn darum anzugehen.

Zwei Jahre darauf kam ich wieder mit dem "Bugbear"
nach Rio und beschloß, da unser Aufenthalt voraussichtlich nur
kurze Zeit dauerte, so bald als thunlich die Besitzung meines
Freundes aufzusuchen. Ich miethete ein Maulthier und trat,
von einem Führer begleitet, meinen Ritt an. Da wir auf be-
wohnte Orte unterwegs nicht zu rechnen hatten und wir über-
haupt der Sonnengluth halber nur in den frühen Morgen- und
in den Abendstunden reiten konnten, so nahm der Führer vor-
sorglich nicht nur die nöthige Speise, sondern auch Hängematten
mit, um sie während der heißen Tageszeit im Schatten der Wälder
aufschnüren und unsere Siesta darin halten zu können. Eben
vor Dunkelwerden gelangten wir auch glücklich an den Ort

Werner
Neſte geholt und aufgezogen. Der Papagei iſt ſo zahm, daß er mir
auf Schritt und Tritt nachfliegt. Oefter macht er auch Beſuche
bei den Kameraden im Walde, kehrt aber regelmäßig bald zurück.
Das Merkwürdigſte iſt aber ſeine muſikaliſche Begabung und
ſeine klangvolle Stimme. Er verſucht, alle in meinem Hauſe
gehörten Lieder nachzuſingen oder vielmehr nachzupfeifen und bei
einigen gelingt ihm dies vortrefflich. Namentlich ſcheint ihm
„Wer hat Dich Du ſchöner Wald“ zu gefallen, das von mir
und meinen Kindern öfter als Quartett geſungen wird. Er
reproducirt es ohne den leiſeſten Fehler und vollkommen rein.“

„Als wir vor dem Hauſe meines Freundes ankamen, hatte
ich Gelegenheit, ſofort die Bekanntſchaft dieſes merkwürdigen
Vogels zu machen. Sobald er ſeines Herrn anſichtig wurde
und von der Kette am Fuße frei gemacht war, flog er auf
deſſen Schulter und drückte durch allerlei komiſche Bewegungen
die größte Freude über ſeine Rückkunft aus. Ich blieb einige
Tage auf der Hacienda und fand auch die übrigen gerühmten
Vorzüge des Thieres beſtätigt; es pfiff verſchiedene deutſche
Lieder glockenrein. Gar zu gern hätte ich den Papagei gehabt,
aber er war offenbar meinem Freunde ſo ans Herz gewachſen,
daß ich gar nicht wagte, ihn darum anzugehen.

Zwei Jahre darauf kam ich wieder mit dem „Bugbear“
nach Rio und beſchloß, da unſer Aufenthalt vorausſichtlich nur
kurze Zeit dauerte, ſo bald als thunlich die Beſitzung meines
Freundes aufzuſuchen. Ich miethete ein Maulthier und trat,
von einem Führer begleitet, meinen Ritt an. Da wir auf be-
wohnte Orte unterwegs nicht zu rechnen hatten und wir über-
haupt der Sonnengluth halber nur in den frühen Morgen- und
in den Abendſtunden reiten konnten, ſo nahm der Führer vor-
ſorglich nicht nur die nöthige Speiſe, ſondern auch Hängematten
mit, um ſie während der heißen Tageszeit im Schatten der Wälder
aufſchnüren und unſere Sieſta darin halten zu können. Eben
vor Dunkelwerden gelangten wir auch glücklich an den Ort

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[282/0294] Werner Neſte geholt und aufgezogen. Der Papagei iſt ſo zahm, daß er mir auf Schritt und Tritt nachfliegt. Oefter macht er auch Beſuche bei den Kameraden im Walde, kehrt aber regelmäßig bald zurück. Das Merkwürdigſte iſt aber ſeine muſikaliſche Begabung und ſeine klangvolle Stimme. Er verſucht, alle in meinem Hauſe gehörten Lieder nachzuſingen oder vielmehr nachzupfeifen und bei einigen gelingt ihm dies vortrefflich. Namentlich ſcheint ihm „Wer hat Dich Du ſchöner Wald“ zu gefallen, das von mir und meinen Kindern öfter als Quartett geſungen wird. Er reproducirt es ohne den leiſeſten Fehler und vollkommen rein.“ „Als wir vor dem Hauſe meines Freundes ankamen, hatte ich Gelegenheit, ſofort die Bekanntſchaft dieſes merkwürdigen Vogels zu machen. Sobald er ſeines Herrn anſichtig wurde und von der Kette am Fuße frei gemacht war, flog er auf deſſen Schulter und drückte durch allerlei komiſche Bewegungen die größte Freude über ſeine Rückkunft aus. Ich blieb einige Tage auf der Hacienda und fand auch die übrigen gerühmten Vorzüge des Thieres beſtätigt; es pfiff verſchiedene deutſche Lieder glockenrein. Gar zu gern hätte ich den Papagei gehabt, aber er war offenbar meinem Freunde ſo ans Herz gewachſen, daß ich gar nicht wagte, ihn darum anzugehen. Zwei Jahre darauf kam ich wieder mit dem „Bugbear“ nach Rio und beſchloß, da unſer Aufenthalt vorausſichtlich nur kurze Zeit dauerte, ſo bald als thunlich die Beſitzung meines Freundes aufzuſuchen. Ich miethete ein Maulthier und trat, von einem Führer begleitet, meinen Ritt an. Da wir auf be- wohnte Orte unterwegs nicht zu rechnen hatten und wir über- haupt der Sonnengluth halber nur in den frühen Morgen- und in den Abendſtunden reiten konnten, ſo nahm der Führer vor- ſorglich nicht nur die nöthige Speiſe, ſondern auch Hängematten mit, um ſie während der heißen Tageszeit im Schatten der Wälder aufſchnüren und unſere Sieſta darin halten zu können. Eben vor Dunkelwerden gelangten wir auch glücklich an den Ort

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/294>, abgerufen am 22.11.2024.