sein eigenes, sondern auch für jedes fremde Schiff hohes Inter- esse. Er mustert es mit kritischem Blicke, sucht Vorzüge und Nachtheile im Belauf der Planken oder in der Takelage und zieht in Gedanken oder laut Parallelen mit den Eigenschaften ihm bekannter Fahrzeuge.
Der Schuner übte aber eine ganz besondere Anziehungs- kraft, denn seine äußere Erscheinung wich von den gebräuch- lichen Formen, namentlich von den in deutschen Gewässern vor- kommenden, wesentlich ab. Sein langgestreckter Rumpf, der ungemein scharfe und oben ausfallende Bug, die schrägstehenden Masten, sowie überhaupt der ganze Schnitt waren etwas Neues und Ungewohntes.
Man sah es dem Fahrzeuge sogleich an, daß es ein ebenso tüchtiges Seeschiff wie vorzüglicher Segler sein mußte. Es war ein sogenannter "Klipper", ein Schnellsegler par excellence und ein Modell, von dessen nautischen Leistungen man sich Wunderdinge in seemännischen Kreisen erzählte.
Zu damaliger Zeit begann man gerade beim Schiffbau sich von dem alten Schlendrian loszumachen, der ihn seit vielen Jahr- zehnten gefangen hielt, und zwar war es Nordamerika, das in dieser Richtung zuerst mit gutem Beispiele voranging. Sein aufblühender Seehandel und die Concurrenz mit dem bis dahin meerbeherrschenden England wirkten als Sporn, mit seinen Schiffen dem Gegner den Rang abzulaufen, und das gelungene Resultat dieses Strebens wurden die Klipper. Es waren mög- lichst vollkommene Segelschiffe von früher für unmöglich ge- haltener Schnelligkeit, mit vorzüglichen nautischen Eigenschaften, großer Ladefähigkeit und gleichzeitig sehr eleganten Formen.
"Wie schön er auf dem Wasser liegt -- wie eine Möwe!"
"Und der Bug, scharf wie ein Messer! er macht nicht einmal Schaum, wenn er durch das Wasser schneidet!"
"Diese hängenden Masten gefallen mir besonders!"
"Ja! und wie die Segel stehen -- wie ein Brett!"
18*
Ernſtes und Heiteres
ſein eigenes, ſondern auch für jedes fremde Schiff hohes Inter- eſſe. Er muſtert es mit kritiſchem Blicke, ſucht Vorzüge und Nachtheile im Belauf der Planken oder in der Takelage und zieht in Gedanken oder laut Parallelen mit den Eigenſchaften ihm bekannter Fahrzeuge.
Der Schuner übte aber eine ganz beſondere Anziehungs- kraft, denn ſeine äußere Erſcheinung wich von den gebräuch- lichen Formen, namentlich von den in deutſchen Gewäſſern vor- kommenden, weſentlich ab. Sein langgeſtreckter Rumpf, der ungemein ſcharfe und oben ausfallende Bug, die ſchrägſtehenden Maſten, ſowie überhaupt der ganze Schnitt waren etwas Neues und Ungewohntes.
Man ſah es dem Fahrzeuge ſogleich an, daß es ein ebenſo tüchtiges Seeſchiff wie vorzüglicher Segler ſein mußte. Es war ein ſogenannter „Klipper“, ein Schnellſegler par excellence und ein Modell, von deſſen nautiſchen Leiſtungen man ſich Wunderdinge in ſeemänniſchen Kreiſen erzählte.
Zu damaliger Zeit begann man gerade beim Schiffbau ſich von dem alten Schlendrian loszumachen, der ihn ſeit vielen Jahr- zehnten gefangen hielt, und zwar war es Nordamerika, das in dieſer Richtung zuerſt mit gutem Beiſpiele voranging. Sein aufblühender Seehandel und die Concurrenz mit dem bis dahin meerbeherrſchenden England wirkten als Sporn, mit ſeinen Schiffen dem Gegner den Rang abzulaufen, und das gelungene Reſultat dieſes Strebens wurden die Klipper. Es waren mög- lichſt vollkommene Segelſchiffe von früher für unmöglich ge- haltener Schnelligkeit, mit vorzüglichen nautiſchen Eigenſchaften, großer Ladefähigkeit und gleichzeitig ſehr eleganten Formen.
„Wie ſchön er auf dem Waſſer liegt — wie eine Möwe!“
„Und der Bug, ſcharf wie ein Meſſer! er macht nicht einmal Schaum, wenn er durch das Waſſer ſchneidet!“
„Dieſe hängenden Maſten gefallen mir beſonders!“
„Ja! und wie die Segel ſtehen — wie ein Brett!“
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Ernſtes und Heiteres
ſein eigenes, ſondern auch für jedes fremde Schiff hohes Inter-
eſſe. Er muſtert es mit kritiſchem Blicke, ſucht Vorzüge und
Nachtheile im Belauf der Planken oder in der Takelage und
zieht in Gedanken oder laut Parallelen mit den Eigenſchaften
ihm bekannter Fahrzeuge.
Der Schuner übte aber eine ganz beſondere Anziehungs-
kraft, denn ſeine äußere Erſcheinung wich von den gebräuch-
lichen Formen, namentlich von den in deutſchen Gewäſſern vor-
kommenden, weſentlich ab. Sein langgeſtreckter Rumpf, der
ungemein ſcharfe und oben ausfallende Bug, die ſchrägſtehenden
Maſten, ſowie überhaupt der ganze Schnitt waren etwas Neues
und Ungewohntes.
Man ſah es dem Fahrzeuge ſogleich an, daß es ein ebenſo
tüchtiges Seeſchiff wie vorzüglicher Segler ſein mußte. Es war
ein ſogenannter „Klipper“, ein Schnellſegler par excellence
und ein Modell, von deſſen nautiſchen Leiſtungen man ſich
Wunderdinge in ſeemänniſchen Kreiſen erzählte.
Zu damaliger Zeit begann man gerade beim Schiffbau ſich
von dem alten Schlendrian loszumachen, der ihn ſeit vielen Jahr-
zehnten gefangen hielt, und zwar war es Nordamerika, das in
dieſer Richtung zuerſt mit gutem Beiſpiele voranging. Sein
aufblühender Seehandel und die Concurrenz mit dem bis dahin
meerbeherrſchenden England wirkten als Sporn, mit ſeinen
Schiffen dem Gegner den Rang abzulaufen, und das gelungene
Reſultat dieſes Strebens wurden die Klipper. Es waren mög-
lichſt vollkommene Segelſchiffe von früher für unmöglich ge-
haltener Schnelligkeit, mit vorzüglichen nautiſchen Eigenſchaften,
großer Ladefähigkeit und gleichzeitig ſehr eleganten Formen.
„Wie ſchön er auf dem Waſſer liegt — wie eine Möwe!“
„Und der Bug, ſcharf wie ein Meſſer! er macht nicht
einmal Schaum, wenn er durch das Waſſer ſchneidet!“
„Dieſe hängenden Maſten gefallen mir beſonders!“
„Ja! und wie die Segel ſtehen — wie ein Brett!“
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/287>, abgerufen am 16.02.2025.
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