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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
und zu beleben verstand. Heute jedoch lagerte ein sinnender
Ernst auf seinen Zügen.

"Was haben Sie, Flamberg?" fragte der ihm speciell be-
freundete Zahlmeister. "Sie machen ja ein Gesicht wie drei Tage
Regenwetter."

"Lassen Sie sich nicht stören, meine Herren," erwiderte
der Lieutenant; "es ist eine Erinnerung, die mich den ganzen
Tag ernst gestimmt hat. Ich fühle das Bedürfniß, mich etwas
aufzuheitern, deshalb kam ich. Ich sehe es Ihnen an, Mathy,
Sie sind am Erzählen. Fahren Sie fort, ich höre zu, dann
wird sich meine Stimmung wol bessern."

"Ich machte meinen Rapport über das gestrige Fest," sagte
dieser, "war aber ziemlich damit zu Ende gekommen, denn viel
bleibt nicht mehr zu erzählen. Es wurde von der Gesellschaft
noch das Theater besucht, dessen sämmtliche Plätze der Kapitän
des "Ernst August" für seine Gäste belegt hatte, und wir spielten
ein wenig mit, wogegen der durch das ausverkaufte Haus über-
glückliche Director natürlich nichts einzuwenden hatte. Dann wurde
Kurs auf Schillings Hotel gesetzt und dasselbe trotz des con-
trären Windes wenigstens von einem Theile der fröhlichen Ge-
sellschaft erreicht, die sich indessen allmälig immer mehr ver-
kleinerte. Nur sechs von uns behaupteten schließlich das Feld
bis Mitternacht, wenngleich uns heute Morgen beim Erwachen
etwas Kopfschmerzen plagten."

"Bei diesen sechs waren auch Sie, Flamberg, nicht wahr?"
fragte ein Officier, "dann kann ich mir allerdings Ihre heutige
trübe Stimmung erklären."

"Ach nein," erwiderte dieser elegisch, "das ist's nicht. Sie
wissen, dergleichen ficht mich nicht so sehr an. Wie ich Ihnen
sagte, es ist eine Erinnerung," und dabei blies der Sprecher
gedankenvoll dichte Rauchwolken in die Luft.

"Nun heraus damit, alter Freund," rief Albert, "Sie
halten doch sonst nicht hinterm Berge."


Werner
und zu beleben verſtand. Heute jedoch lagerte ein ſinnender
Ernſt auf ſeinen Zügen.

„Was haben Sie, Flamberg?“ fragte der ihm ſpeciell be-
freundete Zahlmeiſter. „Sie machen ja ein Geſicht wie drei Tage
Regenwetter.“

„Laſſen Sie ſich nicht ſtören, meine Herren,“ erwiderte
der Lieutenant; „es iſt eine Erinnerung, die mich den ganzen
Tag ernſt geſtimmt hat. Ich fühle das Bedürfniß, mich etwas
aufzuheitern, deshalb kam ich. Ich ſehe es Ihnen an, Mathy,
Sie ſind am Erzählen. Fahren Sie fort, ich höre zu, dann
wird ſich meine Stimmung wol beſſern.“

„Ich machte meinen Rapport über das geſtrige Feſt,“ ſagte
dieſer, „war aber ziemlich damit zu Ende gekommen, denn viel
bleibt nicht mehr zu erzählen. Es wurde von der Geſellſchaft
noch das Theater beſucht, deſſen ſämmtliche Plätze der Kapitän
des „Ernſt Auguſt“ für ſeine Gäſte belegt hatte, und wir ſpielten
ein wenig mit, wogegen der durch das ausverkaufte Haus über-
glückliche Director natürlich nichts einzuwenden hatte. Dann wurde
Kurs auf Schillings Hôtel geſetzt und daſſelbe trotz des con-
trären Windes wenigſtens von einem Theile der fröhlichen Ge-
ſellſchaft erreicht, die ſich indeſſen allmälig immer mehr ver-
kleinerte. Nur ſechs von uns behaupteten ſchließlich das Feld
bis Mitternacht, wenngleich uns heute Morgen beim Erwachen
etwas Kopfſchmerzen plagten.“

„Bei dieſen ſechs waren auch Sie, Flamberg, nicht wahr?“
fragte ein Officier, „dann kann ich mir allerdings Ihre heutige
trübe Stimmung erklären.“

„Ach nein,“ erwiderte dieſer elegiſch, „das iſt’s nicht. Sie
wiſſen, dergleichen ficht mich nicht ſo ſehr an. Wie ich Ihnen
ſagte, es iſt eine Erinnerung,“ und dabei blies der Sprecher
gedankenvoll dichte Rauchwolken in die Luft.

„Nun heraus damit, alter Freund,“ rief Albert, „Sie
halten doch ſonſt nicht hinterm Berge.“


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[272/0284] Werner und zu beleben verſtand. Heute jedoch lagerte ein ſinnender Ernſt auf ſeinen Zügen. „Was haben Sie, Flamberg?“ fragte der ihm ſpeciell be- freundete Zahlmeiſter. „Sie machen ja ein Geſicht wie drei Tage Regenwetter.“ „Laſſen Sie ſich nicht ſtören, meine Herren,“ erwiderte der Lieutenant; „es iſt eine Erinnerung, die mich den ganzen Tag ernſt geſtimmt hat. Ich fühle das Bedürfniß, mich etwas aufzuheitern, deshalb kam ich. Ich ſehe es Ihnen an, Mathy, Sie ſind am Erzählen. Fahren Sie fort, ich höre zu, dann wird ſich meine Stimmung wol beſſern.“ „Ich machte meinen Rapport über das geſtrige Feſt,“ ſagte dieſer, „war aber ziemlich damit zu Ende gekommen, denn viel bleibt nicht mehr zu erzählen. Es wurde von der Geſellſchaft noch das Theater beſucht, deſſen ſämmtliche Plätze der Kapitän des „Ernſt Auguſt“ für ſeine Gäſte belegt hatte, und wir ſpielten ein wenig mit, wogegen der durch das ausverkaufte Haus über- glückliche Director natürlich nichts einzuwenden hatte. Dann wurde Kurs auf Schillings Hôtel geſetzt und daſſelbe trotz des con- trären Windes wenigſtens von einem Theile der fröhlichen Ge- ſellſchaft erreicht, die ſich indeſſen allmälig immer mehr ver- kleinerte. Nur ſechs von uns behaupteten ſchließlich das Feld bis Mitternacht, wenngleich uns heute Morgen beim Erwachen etwas Kopfſchmerzen plagten.“ „Bei dieſen ſechs waren auch Sie, Flamberg, nicht wahr?“ fragte ein Officier, „dann kann ich mir allerdings Ihre heutige trübe Stimmung erklären.“ „Ach nein,“ erwiderte dieſer elegiſch, „das iſt’s nicht. Sie wiſſen, dergleichen ficht mich nicht ſo ſehr an. Wie ich Ihnen ſagte, es iſt eine Erinnerung,“ und dabei blies der Sprecher gedankenvoll dichte Rauchwolken in die Luft. „Nun heraus damit, alter Freund,“ rief Albert, „Sie halten doch ſonſt nicht hinterm Berge.“

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/284>, abgerufen am 25.11.2024.