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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Ernstes und Heiteres
Kammern waren niedrige, dunkle, schlecht ventilirte Räume, in
denen man auf kleineren Schiffen sich nur gebückt bewegen konnte
und wo man auch zur Mittagszeit Licht brennen mußte, um
zu lesen oder zu schreiben. Vielfach hatten sie nicht einmal
Seitenfenster, sondern nur ein in das Deck eingelassenes Glas-
prisma, durch welches ein matter Lichtschimmer fiel. Waren
erstere auf Fregatten und größeren Corvetten vorhanden, so be-
standen sie aus runden dicken Glaslinsen von zehn bis zwölf
Centimeter Durchmesser, die in Metallrahmen befestigt sich öffnen
und schließen ließen. Im Hafen war es gestattet, sie offen zu
lassen, sobald aber das Schiff in See ging, durften sie Nachts
nie und am Tage nur mit specieller Erlaubniß des Comman-
danten oder ersten Officiers bei sehr schönem Wetter und ruhiger
See geöffnet werden. Ihre niedrige Lage über der Wasserfläche
ließ die Gefahr befürchten, daß bei Bewegungen des Schiffes
Wasser durch sie einströmte und man war deshalb für ihren so-
wie für den rechtzeitigen Verschluß der unteren Geschützpforten
auf Fregatten und Linienschiffen ängstlich besorgt. Eine Ver-
nachlässigung dieser Vorsicht hat mehrfach furchtbares Unglück
herbeigeführt, so z. B. bei dem englischen Segellinienschiffe
"Royal George". Dasselbe sollte auf eine mehrjährige See-
reise ausgehen und lag auf der Rhede von Portsmouth zu
Anker. Um ein kleines Leck zu dichten, war das Schiff von
den Zimmerleuten etwas nach der einen Seite übergeholt worden.
Da stieg eine Gewitterbö auf; ein plötzlicher Windstoß legte
das Schiff nach jener Seite über, die unbefestigten Geschütze
rollten nach Lee, wodurch sich das Fahrzeug noch mehr neigte;
das Wasser stürzte durch die offenstehenden Unterpforten in die
inneren Räume, in wenigen Minuten kenterte das mächtige
Schiff, sank auf den Grund und von seiner 900 Mann starken
Besatzung wurde kaum der zwanzigste Theil gerettet, während
auch noch gegen 300 Frauen und Kinder, Angehörige der
Mannschaft, die den Ihrigen ein letztes Lebewol sagen wollten

Ernſtes und Heiteres
Kammern waren niedrige, dunkle, ſchlecht ventilirte Räume, in
denen man auf kleineren Schiffen ſich nur gebückt bewegen konnte
und wo man auch zur Mittagszeit Licht brennen mußte, um
zu leſen oder zu ſchreiben. Vielfach hatten ſie nicht einmal
Seitenfenſter, ſondern nur ein in das Deck eingelaſſenes Glas-
prisma, durch welches ein matter Lichtſchimmer fiel. Waren
erſtere auf Fregatten und größeren Corvetten vorhanden, ſo be-
ſtanden ſie aus runden dicken Glaslinſen von zehn bis zwölf
Centimeter Durchmeſſer, die in Metallrahmen befeſtigt ſich öffnen
und ſchließen ließen. Im Hafen war es geſtattet, ſie offen zu
laſſen, ſobald aber das Schiff in See ging, durften ſie Nachts
nie und am Tage nur mit ſpecieller Erlaubniß des Comman-
danten oder erſten Officiers bei ſehr ſchönem Wetter und ruhiger
See geöffnet werden. Ihre niedrige Lage über der Waſſerfläche
ließ die Gefahr befürchten, daß bei Bewegungen des Schiffes
Waſſer durch ſie einſtrömte und man war deshalb für ihren ſo-
wie für den rechtzeitigen Verſchluß der unteren Geſchützpforten
auf Fregatten und Linienſchiffen ängſtlich beſorgt. Eine Ver-
nachläſſigung dieſer Vorſicht hat mehrfach furchtbares Unglück
herbeigeführt, ſo z. B. bei dem engliſchen Segellinienſchiffe
„Royal George“. Daſſelbe ſollte auf eine mehrjährige See-
reiſe ausgehen und lag auf der Rhede von Portsmouth zu
Anker. Um ein kleines Leck zu dichten, war das Schiff von
den Zimmerleuten etwas nach der einen Seite übergeholt worden.
Da ſtieg eine Gewitterbö auf; ein plötzlicher Windſtoß legte
das Schiff nach jener Seite über, die unbefeſtigten Geſchütze
rollten nach Lee, wodurch ſich das Fahrzeug noch mehr neigte;
das Waſſer ſtürzte durch die offenſtehenden Unterpforten in die
inneren Räume, in wenigen Minuten kenterte das mächtige
Schiff, ſank auf den Grund und von ſeiner 900 Mann ſtarken
Beſatzung wurde kaum der zwanzigſte Theil gerettet, während
auch noch gegen 300 Frauen und Kinder, Angehörige der
Mannſchaft, die den Ihrigen ein letztes Lebewol ſagen wollten

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[251/0263] Ernſtes und Heiteres Kammern waren niedrige, dunkle, ſchlecht ventilirte Räume, in denen man auf kleineren Schiffen ſich nur gebückt bewegen konnte und wo man auch zur Mittagszeit Licht brennen mußte, um zu leſen oder zu ſchreiben. Vielfach hatten ſie nicht einmal Seitenfenſter, ſondern nur ein in das Deck eingelaſſenes Glas- prisma, durch welches ein matter Lichtſchimmer fiel. Waren erſtere auf Fregatten und größeren Corvetten vorhanden, ſo be- ſtanden ſie aus runden dicken Glaslinſen von zehn bis zwölf Centimeter Durchmeſſer, die in Metallrahmen befeſtigt ſich öffnen und ſchließen ließen. Im Hafen war es geſtattet, ſie offen zu laſſen, ſobald aber das Schiff in See ging, durften ſie Nachts nie und am Tage nur mit ſpecieller Erlaubniß des Comman- danten oder erſten Officiers bei ſehr ſchönem Wetter und ruhiger See geöffnet werden. Ihre niedrige Lage über der Waſſerfläche ließ die Gefahr befürchten, daß bei Bewegungen des Schiffes Waſſer durch ſie einſtrömte und man war deshalb für ihren ſo- wie für den rechtzeitigen Verſchluß der unteren Geſchützpforten auf Fregatten und Linienſchiffen ängſtlich beſorgt. Eine Ver- nachläſſigung dieſer Vorſicht hat mehrfach furchtbares Unglück herbeigeführt, ſo z. B. bei dem engliſchen Segellinienſchiffe „Royal George“. Daſſelbe ſollte auf eine mehrjährige See- reiſe ausgehen und lag auf der Rhede von Portsmouth zu Anker. Um ein kleines Leck zu dichten, war das Schiff von den Zimmerleuten etwas nach der einen Seite übergeholt worden. Da ſtieg eine Gewitterbö auf; ein plötzlicher Windſtoß legte das Schiff nach jener Seite über, die unbefeſtigten Geſchütze rollten nach Lee, wodurch ſich das Fahrzeug noch mehr neigte; das Waſſer ſtürzte durch die offenſtehenden Unterpforten in die inneren Räume, in wenigen Minuten kenterte das mächtige Schiff, ſank auf den Grund und von ſeiner 900 Mann ſtarken Beſatzung wurde kaum der zwanzigſte Theil gerettet, während auch noch gegen 300 Frauen und Kinder, Angehörige der Mannſchaft, die den Ihrigen ein letztes Lebewol ſagen wollten

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/263>, abgerufen am 21.11.2024.