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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner

"Ich mache Ihnen mein Compliment über diese practische
Einrichtung," äußerte Albert bewundernd; "das haben Sie ge-
wiß in Amerika gelernt."

"Keineswegs," erwiderte Wollweber. "Es ist mir im
Gegentheil gar nicht gut bekommen, daß ich dort kein Haupt-
buch führte. Vor fünfzehn Jahren ging ich mit zwei Lands-
leuten, gleich mir ehemaligen Studenten, nach Amerika und wir
kauften uns in Wisconsin eine Farm. Anfangs verlief alles
vortrefflich. Wir waren bald Herren eines Grundbesitzes, fast
so groß, wie ihn mancher kleine Fürst in Deutschland hat. Doch
wir lebten sehr flott und gaben mehr aus, als wir einnahmen;
die Herrlichkeit nahm ein Ende und bald besaßen wir nichts
mehr als das nackte Leben.

"Wie kam das? Wir hatten kein Hauptbuch geführt!

"Jeder von uns ging nun seiner Wege. Ich wurde Musik-
lehrer in Boston und fand auch mein reichliches Auskommen.
Da ich aber als solcher durch meine Schülerinnen der fort-
währenden Verführung zum Heirathen ausgesetzt war und ich
ein abgesagter Feind des ehelichen Joches bin, verzichtete ich
auf meinen neuen Erwerbszweig und begab mich nach dem
Süden. Obwol ich mit Unterrichtgeben und Concerten glän-
zende Geschäfte gemacht, waren mir dennoch nur wenige Hundert
Dollars übrig geblieben.

"Wie kam das? Ich hatte kein Hauptbuch geführt!

"In New-Orleans machte mir ein Amerikaner den Vor-
schlag, mit ihm eine Seifenfabrik zu etabliren. Wir gewannen
und verloren abwechselnd. Eines Nachts -- wir hatten kurz
zuvor grade sehr gute Geschäfte gemacht -- brannte die Fabrik
mit allen ihren Vorräthen ab. Das vorhandene Geld steckte
mein Compagnon zu sich und behauptete, es sei sein Antheil.
Ich verklagte ihn, wurde aber mit meiner Klage abgewiesen.

"Weshalb? Wir hatten kein Hauptbuch geführt.

"Aus dieser kurzen Skizze mögen Sie, verehrter Herr

Werner

„Ich mache Ihnen mein Compliment über dieſe practiſche
Einrichtung,“ äußerte Albert bewundernd; „das haben Sie ge-
wiß in Amerika gelernt.“

„Keineswegs,“ erwiderte Wollweber. „Es iſt mir im
Gegentheil gar nicht gut bekommen, daß ich dort kein Haupt-
buch führte. Vor fünfzehn Jahren ging ich mit zwei Lands-
leuten, gleich mir ehemaligen Studenten, nach Amerika und wir
kauften uns in Wisconſin eine Farm. Anfangs verlief alles
vortrefflich. Wir waren bald Herren eines Grundbeſitzes, faſt
ſo groß, wie ihn mancher kleine Fürſt in Deutſchland hat. Doch
wir lebten ſehr flott und gaben mehr aus, als wir einnahmen;
die Herrlichkeit nahm ein Ende und bald beſaßen wir nichts
mehr als das nackte Leben.

„Wie kam das? Wir hatten kein Hauptbuch geführt!

„Jeder von uns ging nun ſeiner Wege. Ich wurde Muſik-
lehrer in Boſton und fand auch mein reichliches Auskommen.
Da ich aber als ſolcher durch meine Schülerinnen der fort-
währenden Verführung zum Heirathen ausgeſetzt war und ich
ein abgeſagter Feind des ehelichen Joches bin, verzichtete ich
auf meinen neuen Erwerbszweig und begab mich nach dem
Süden. Obwol ich mit Unterrichtgeben und Concerten glän-
zende Geſchäfte gemacht, waren mir dennoch nur wenige Hundert
Dollars übrig geblieben.

„Wie kam das? Ich hatte kein Hauptbuch geführt!

„In New-Orleans machte mir ein Amerikaner den Vor-
ſchlag, mit ihm eine Seifenfabrik zu etabliren. Wir gewannen
und verloren abwechſelnd. Eines Nachts — wir hatten kurz
zuvor grade ſehr gute Geſchäfte gemacht — brannte die Fabrik
mit allen ihren Vorräthen ab. Das vorhandene Geld ſteckte
mein Compagnon zu ſich und behauptete, es ſei ſein Antheil.
Ich verklagte ihn, wurde aber mit meiner Klage abgewieſen.

„Weshalb? Wir hatten kein Hauptbuch geführt.

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[248/0260] Werner „Ich mache Ihnen mein Compliment über dieſe practiſche Einrichtung,“ äußerte Albert bewundernd; „das haben Sie ge- wiß in Amerika gelernt.“ „Keineswegs,“ erwiderte Wollweber. „Es iſt mir im Gegentheil gar nicht gut bekommen, daß ich dort kein Haupt- buch führte. Vor fünfzehn Jahren ging ich mit zwei Lands- leuten, gleich mir ehemaligen Studenten, nach Amerika und wir kauften uns in Wisconſin eine Farm. Anfangs verlief alles vortrefflich. Wir waren bald Herren eines Grundbeſitzes, faſt ſo groß, wie ihn mancher kleine Fürſt in Deutſchland hat. Doch wir lebten ſehr flott und gaben mehr aus, als wir einnahmen; die Herrlichkeit nahm ein Ende und bald beſaßen wir nichts mehr als das nackte Leben. „Wie kam das? Wir hatten kein Hauptbuch geführt! „Jeder von uns ging nun ſeiner Wege. Ich wurde Muſik- lehrer in Boſton und fand auch mein reichliches Auskommen. Da ich aber als ſolcher durch meine Schülerinnen der fort- währenden Verführung zum Heirathen ausgeſetzt war und ich ein abgeſagter Feind des ehelichen Joches bin, verzichtete ich auf meinen neuen Erwerbszweig und begab mich nach dem Süden. Obwol ich mit Unterrichtgeben und Concerten glän- zende Geſchäfte gemacht, waren mir dennoch nur wenige Hundert Dollars übrig geblieben. „Wie kam das? Ich hatte kein Hauptbuch geführt! „In New-Orleans machte mir ein Amerikaner den Vor- ſchlag, mit ihm eine Seifenfabrik zu etabliren. Wir gewannen und verloren abwechſelnd. Eines Nachts — wir hatten kurz zuvor grade ſehr gute Geſchäfte gemacht — brannte die Fabrik mit allen ihren Vorräthen ab. Das vorhandene Geld ſteckte mein Compagnon zu ſich und behauptete, es ſei ſein Antheil. Ich verklagte ihn, wurde aber mit meiner Klage abgewieſen. „Weshalb? Wir hatten kein Hauptbuch geführt. „Aus dieſer kurzen Skizze mögen Sie, verehrter Herr

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/260>, abgerufen am 22.11.2024.