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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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schiedensten Theilen Deutschlands, und letztere beiden Beamten-
klassen auch aus den verschiedensten Lebensverhältnissen. Enthu-
siasmus für die neuerstandene deutsche Seemacht, romantische
Veranlagung, die auf erträumten Reisen über den weiten Ocean
Befriedigung zu finden gedachte, vielfach aber auch prosaischere
Hoffnungen auf eine gute Carriere oder den Wiederaufbau einer
zusammengebrochenen Existenz waren die Motive, welche Bewerber
um jene Stellungen schaarenweis herbeiführte. Es fanden sich
Juristen, ehemalige Kaufleute, Landwirthe, Apotheker und ver-
flossene Bürgermeister zusammen, Persönlichkeiten, die theilweise
schon viel in der Welt umhergeschweift waren, ohne festen Boden
gewinnen zu können und in der Marine auf besseres Glück
hofften. Dies schloß jedoch nicht aus, daß selbst von der letzte-
ren Klasse Mehrere sich in dem neuen Fache als tüchtige
Menschen und außerdem als prächtige Charactere zeigten und
sich bald überall Liebe und Achtung zu erwerben wußten. Ich
that eine Zeit lang auf dem "Barbarossa", dem Flaggschiffe
Brommy's, Dienst. Auf ihm eingeschifft zu sein, wurde als ein
Vorzug betrachtet und beneidet. Unser Officiercorps war ziem-
lich groß; es bestand aus acht Hülfsofficieren und Fähnrichen,
ferner aus dem Arzt, Zahlmeister, Secretär und Ingenieur. Es
wurde nicht viel an Land gegangen, da Bremerhafen dazu
wenig anreizte; dagegen hatten wir oft Besuch von unsern
Kameraden und verbrachten mit ihnen manche gemüthliche
Stunde bei Bowle und Cigarre. Unser Zahlmeister lieferte
beides in vorzüglicher Güte; er war Messevorstand und hatte
als solcher in der Flotte einen besonderen Ruf. Niemand
wußte, wie er es anfing, aber wir führten von unseren Tafel-
geldern nicht nur einen ausgezeichneten Tisch, sondern konnten
auch ausgedehnte Gastfreiheit üben. Unser Zusammenleben war
ein sehr angenehmes, wenngleich bei der Verschiedenartigkeit der
Charactere kleine Frictionen nicht fehlten. Dieselben wurden
jedoch nie störend, und vorzugsweise dankten wir dies der liebens-

Werner
ſchiedenſten Theilen Deutſchlands, und letztere beiden Beamten-
klaſſen auch aus den verſchiedenſten Lebensverhältniſſen. Enthu-
ſiasmus für die neuerſtandene deutſche Seemacht, romantiſche
Veranlagung, die auf erträumten Reiſen über den weiten Ocean
Befriedigung zu finden gedachte, vielfach aber auch proſaiſchere
Hoffnungen auf eine gute Carriere oder den Wiederaufbau einer
zuſammengebrochenen Exiſtenz waren die Motive, welche Bewerber
um jene Stellungen ſchaarenweis herbeiführte. Es fanden ſich
Juriſten, ehemalige Kaufleute, Landwirthe, Apotheker und ver-
floſſene Bürgermeiſter zuſammen, Perſönlichkeiten, die theilweiſe
ſchon viel in der Welt umhergeſchweift waren, ohne feſten Boden
gewinnen zu können und in der Marine auf beſſeres Glück
hofften. Dies ſchloß jedoch nicht aus, daß ſelbſt von der letzte-
ren Klaſſe Mehrere ſich in dem neuen Fache als tüchtige
Menſchen und außerdem als prächtige Charactere zeigten und
ſich bald überall Liebe und Achtung zu erwerben wußten. Ich
that eine Zeit lang auf dem „Barbaroſſa“, dem Flaggſchiffe
Brommy’s, Dienſt. Auf ihm eingeſchifft zu ſein, wurde als ein
Vorzug betrachtet und beneidet. Unſer Officiercorps war ziem-
lich groß; es beſtand aus acht Hülfsofficieren und Fähnrichen,
ferner aus dem Arzt, Zahlmeiſter, Secretär und Ingenieur. Es
wurde nicht viel an Land gegangen, da Bremerhafen dazu
wenig anreizte; dagegen hatten wir oft Beſuch von unſern
Kameraden und verbrachten mit ihnen manche gemüthliche
Stunde bei Bowle und Cigarre. Unſer Zahlmeiſter lieferte
beides in vorzüglicher Güte; er war Meſſevorſtand und hatte
als ſolcher in der Flotte einen beſonderen Ruf. Niemand
wußte, wie er es anfing, aber wir führten von unſeren Tafel-
geldern nicht nur einen ausgezeichneten Tiſch, ſondern konnten
auch ausgedehnte Gaſtfreiheit üben. Unſer Zuſammenleben war
ein ſehr angenehmes, wenngleich bei der Verſchiedenartigkeit der
Charactere kleine Frictionen nicht fehlten. Dieſelben wurden
jedoch nie ſtörend, und vorzugsweiſe dankten wir dies der liebens-

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[242/0254] Werner ſchiedenſten Theilen Deutſchlands, und letztere beiden Beamten- klaſſen auch aus den verſchiedenſten Lebensverhältniſſen. Enthu- ſiasmus für die neuerſtandene deutſche Seemacht, romantiſche Veranlagung, die auf erträumten Reiſen über den weiten Ocean Befriedigung zu finden gedachte, vielfach aber auch proſaiſchere Hoffnungen auf eine gute Carriere oder den Wiederaufbau einer zuſammengebrochenen Exiſtenz waren die Motive, welche Bewerber um jene Stellungen ſchaarenweis herbeiführte. Es fanden ſich Juriſten, ehemalige Kaufleute, Landwirthe, Apotheker und ver- floſſene Bürgermeiſter zuſammen, Perſönlichkeiten, die theilweiſe ſchon viel in der Welt umhergeſchweift waren, ohne feſten Boden gewinnen zu können und in der Marine auf beſſeres Glück hofften. Dies ſchloß jedoch nicht aus, daß ſelbſt von der letzte- ren Klaſſe Mehrere ſich in dem neuen Fache als tüchtige Menſchen und außerdem als prächtige Charactere zeigten und ſich bald überall Liebe und Achtung zu erwerben wußten. Ich that eine Zeit lang auf dem „Barbaroſſa“, dem Flaggſchiffe Brommy’s, Dienſt. Auf ihm eingeſchifft zu ſein, wurde als ein Vorzug betrachtet und beneidet. Unſer Officiercorps war ziem- lich groß; es beſtand aus acht Hülfsofficieren und Fähnrichen, ferner aus dem Arzt, Zahlmeiſter, Secretär und Ingenieur. Es wurde nicht viel an Land gegangen, da Bremerhafen dazu wenig anreizte; dagegen hatten wir oft Beſuch von unſern Kameraden und verbrachten mit ihnen manche gemüthliche Stunde bei Bowle und Cigarre. Unſer Zahlmeiſter lieferte beides in vorzüglicher Güte; er war Meſſevorſtand und hatte als ſolcher in der Flotte einen beſonderen Ruf. Niemand wußte, wie er es anfing, aber wir führten von unſeren Tafel- geldern nicht nur einen ausgezeichneten Tiſch, ſondern konnten auch ausgedehnte Gaſtfreiheit üben. Unſer Zuſammenleben war ein ſehr angenehmes, wenngleich bei der Verſchiedenartigkeit der Charactere kleine Frictionen nicht fehlten. Dieſelben wurden jedoch nie ſtörend, und vorzugsweiſe dankten wir dies der liebens-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/254>, abgerufen am 25.11.2024.