auch freudigen Ueberraschung redete er mich unerwartet mit freundlichem Wohlwollen an und fragte, wonach ich so auf- merksam ausschaute.
"Ich möchte mit einem Schiffe so manövriren können wie Sie", war meine Antwort. Sie schien ihm zu gefallen. "Stelle Dich neben mich," sagte er mir zunickend "und wenn Du etwas nicht verstehst, so frage." Er gab mir dann eine Erklärung der folgenden Manöver in eben so knapper wie verständlicher Weise, so daß mir die Punkte, auf welche es ankam, vollständig klar wurden und ich in der kurzen Zeit ungemein viel lernte, was mir für meine spätere Laufbahn sehr nützlich gewesen ist. Der Westwind war am andern Tage stürmisch geworden und da mit ihm nichts in der Nordsee zu machen war, warteten wir auf gutes Wetter. Wir mußten uns jedoch noch volle acht Tage gedulden, bis es eintrat, wenn ich es selbst auch nicht be- dauerte, da der Lootse, welcher wohl Gefallen an mir gefunden haben mußte, mich bei jeder Gelegenheit aufsuchte, um mit mir zu sprechen und mich zu belehren. Mit welchem Eifer ich be- strebt war, davon Nutzen zu ziehen, bedarf wohl kaum der Er- wähnung. Mein Verstand sagte mir, daß ich mich aus meiner untergeordneten Stellung, in der ich mich so unglücklich fühlte, um so schneller befreien würde, je eher ich in meinem Fache etwas Tüchtiges lernte und deswegen setzte ich meine ganze Energie daran, meine Wißbegier zu befriedigen.
Ich war jedoch dem Lootsen nicht allein für seine werth- volle Unterweisung, sondern auch dafür so dankbar, daß er sich freundlich gegen mich zeigte, was mich um so wohlthuender be- rührte, als sich bis jetzt Niemand von der Besatzung mit Aus- nahme Heinrichs, meines Cojenkameraden, um mich gekümmert hatte. Kapitän und Steuerleute schienen mich nur als eine Arbeitsmaschine zu betrachten; keiner von ihnen hatte ein gütiges Wort an mich gerichtet, und die Matrosen im Logis benutzten mich als den Jüngsten ebenfalls nur zu barsch geforderten
Eine erſte Seereiſe
auch freudigen Ueberraſchung redete er mich unerwartet mit freundlichem Wohlwollen an und fragte, wonach ich ſo auf- merkſam ausſchaute.
„Ich möchte mit einem Schiffe ſo manövriren können wie Sie“, war meine Antwort. Sie ſchien ihm zu gefallen. „Stelle Dich neben mich,“ ſagte er mir zunickend „und wenn Du etwas nicht verſtehſt, ſo frage.“ Er gab mir dann eine Erklärung der folgenden Manöver in eben ſo knapper wie verſtändlicher Weiſe, ſo daß mir die Punkte, auf welche es ankam, vollſtändig klar wurden und ich in der kurzen Zeit ungemein viel lernte, was mir für meine ſpätere Laufbahn ſehr nützlich geweſen iſt. Der Weſtwind war am andern Tage ſtürmiſch geworden und da mit ihm nichts in der Nordſee zu machen war, warteten wir auf gutes Wetter. Wir mußten uns jedoch noch volle acht Tage gedulden, bis es eintrat, wenn ich es ſelbſt auch nicht be- dauerte, da der Lootſe, welcher wohl Gefallen an mir gefunden haben mußte, mich bei jeder Gelegenheit aufſuchte, um mit mir zu ſprechen und mich zu belehren. Mit welchem Eifer ich be- ſtrebt war, davon Nutzen zu ziehen, bedarf wohl kaum der Er- wähnung. Mein Verſtand ſagte mir, daß ich mich aus meiner untergeordneten Stellung, in der ich mich ſo unglücklich fühlte, um ſo ſchneller befreien würde, je eher ich in meinem Fache etwas Tüchtiges lernte und deswegen ſetzte ich meine ganze Energie daran, meine Wißbegier zu befriedigen.
Ich war jedoch dem Lootſen nicht allein für ſeine werth- volle Unterweiſung, ſondern auch dafür ſo dankbar, daß er ſich freundlich gegen mich zeigte, was mich um ſo wohlthuender be- rührte, als ſich bis jetzt Niemand von der Beſatzung mit Aus- nahme Heinrichs, meines Cojenkameraden, um mich gekümmert hatte. Kapitän und Steuerleute ſchienen mich nur als eine Arbeitsmaſchine zu betrachten; keiner von ihnen hatte ein gütiges Wort an mich gerichtet, und die Matroſen im Logis benutzten mich als den Jüngſten ebenfalls nur zu barſch geforderten
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Eine erſte Seereiſe
auch freudigen Ueberraſchung redete er mich unerwartet mit
freundlichem Wohlwollen an und fragte, wonach ich ſo auf-
merkſam ausſchaute.
„Ich möchte mit einem Schiffe ſo manövriren können wie
Sie“, war meine Antwort. Sie ſchien ihm zu gefallen. „Stelle
Dich neben mich,“ ſagte er mir zunickend „und wenn Du etwas
nicht verſtehſt, ſo frage.“ Er gab mir dann eine Erklärung
der folgenden Manöver in eben ſo knapper wie verſtändlicher
Weiſe, ſo daß mir die Punkte, auf welche es ankam, vollſtändig
klar wurden und ich in der kurzen Zeit ungemein viel lernte,
was mir für meine ſpätere Laufbahn ſehr nützlich geweſen iſt.
Der Weſtwind war am andern Tage ſtürmiſch geworden und
da mit ihm nichts in der Nordſee zu machen war, warteten
wir auf gutes Wetter. Wir mußten uns jedoch noch volle acht
Tage gedulden, bis es eintrat, wenn ich es ſelbſt auch nicht be-
dauerte, da der Lootſe, welcher wohl Gefallen an mir gefunden
haben mußte, mich bei jeder Gelegenheit aufſuchte, um mit mir
zu ſprechen und mich zu belehren. Mit welchem Eifer ich be-
ſtrebt war, davon Nutzen zu ziehen, bedarf wohl kaum der Er-
wähnung. Mein Verſtand ſagte mir, daß ich mich aus meiner
untergeordneten Stellung, in der ich mich ſo unglücklich fühlte,
um ſo ſchneller befreien würde, je eher ich in meinem Fache
etwas Tüchtiges lernte und deswegen ſetzte ich meine ganze
Energie daran, meine Wißbegier zu befriedigen.
Ich war jedoch dem Lootſen nicht allein für ſeine werth-
volle Unterweiſung, ſondern auch dafür ſo dankbar, daß er ſich
freundlich gegen mich zeigte, was mich um ſo wohlthuender be-
rührte, als ſich bis jetzt Niemand von der Beſatzung mit Aus-
nahme Heinrichs, meines Cojenkameraden, um mich gekümmert
hatte. Kapitän und Steuerleute ſchienen mich nur als eine
Arbeitsmaſchine zu betrachten; keiner von ihnen hatte ein gütiges
Wort an mich gerichtet, und die Matroſen im Logis benutzten
mich als den Jüngſten ebenfalls nur zu barſch geforderten
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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