von Helgoland gefallene Schuß ihn zum Abbrechen des Gefechts bestimmt habe. Jener Schuß hatte verkündet, daß die "Valkyrien" sich auf neutralem Grunde, auf englischem Territorium befinde und hatte uns gewarnt, letzteres in feindlicher Absicht zu be- schreiten.
Nach unser aller Meinung und nach den genommenen Peilungen war der Däne fünf Seemeilen von der Insel ent- fernt gewesen und von uns Officieren hätte sich deshalb gewiß Niemand an den Schuß gekehrt, da nach den damaligen inter- nationalen Principien die Neutralitätsgrenze sich nur bis auf Kanonenschußweite erstreckte, allein wir waren leider nicht maß- gebend und Brommy mußte wol anderer Meinung sein. Viel- leicht hatte er ja auch Befehl von Frankfurt, den Engländern, welche mit ihren Sympathien ganz auf Seiten der Dänen stan- den, keinerlei Anlaß zu irgend welchen begründeten Klagen zu geben. Von Mangel an Muth konnte bei dem energischen Charakter des Mannes um so weniger die Rede sein, als wir so bedeutend in der Uebermacht waren und der einzige Vorwurf, der ihm mit Berechtigung gemacht werden konnte, war wol der einer übertriebenen politischen Vorsicht, um der nach Innen schon so ohnmächtigen Centralgewalt nicht auch noch einen Conflict mit einer fremden Macht aufzuladen. Uns Officieren wollte freilich dieser Standpunkt nicht einleuchten und wir waren der Ansicht, daß Brommy es darauf ankommen lassen und die "Valkyrien" nehmen mußte.
Unser Gefühl sagte uns, daß der Commodore sich eine Chance hatte entgehen lassen, welche schwerlich je so günstig wieder- kehren würde und dies Gefühl hatte uns nicht getäuscht. Es war die einzige Chance, die sich überhaupt bot, und daß wir sie aus irgend welchen Gründen nicht benutzten, gab Anlaß, daß der deutschen Marine ein Schimpf angethan wurde, der uns die Schamröthe in das Gesicht trieb.
Lord Palmerston, der Freund Dänemarks, ließ wenige Tage
13*
Die deutſche Marine 1848—1852
von Helgoland gefallene Schuß ihn zum Abbrechen des Gefechts beſtimmt habe. Jener Schuß hatte verkündet, daß die „Valkyrien“ ſich auf neutralem Grunde, auf engliſchem Territorium befinde und hatte uns gewarnt, letzteres in feindlicher Abſicht zu be- ſchreiten.
Nach unſer aller Meinung und nach den genommenen Peilungen war der Däne fünf Seemeilen von der Inſel ent- fernt geweſen und von uns Officieren hätte ſich deshalb gewiß Niemand an den Schuß gekehrt, da nach den damaligen inter- nationalen Principien die Neutralitätsgrenze ſich nur bis auf Kanonenſchußweite erſtreckte, allein wir waren leider nicht maß- gebend und Brommy mußte wol anderer Meinung ſein. Viel- leicht hatte er ja auch Befehl von Frankfurt, den Engländern, welche mit ihren Sympathien ganz auf Seiten der Dänen ſtan- den, keinerlei Anlaß zu irgend welchen begründeten Klagen zu geben. Von Mangel an Muth konnte bei dem energiſchen Charakter des Mannes um ſo weniger die Rede ſein, als wir ſo bedeutend in der Uebermacht waren und der einzige Vorwurf, der ihm mit Berechtigung gemacht werden konnte, war wol der einer übertriebenen politiſchen Vorſicht, um der nach Innen ſchon ſo ohnmächtigen Centralgewalt nicht auch noch einen Conflict mit einer fremden Macht aufzuladen. Uns Officieren wollte freilich dieſer Standpunkt nicht einleuchten und wir waren der Anſicht, daß Brommy es darauf ankommen laſſen und die „Valkyrien“ nehmen mußte.
Unſer Gefühl ſagte uns, daß der Commodore ſich eine Chance hatte entgehen laſſen, welche ſchwerlich je ſo günſtig wieder- kehren würde und dies Gefühl hatte uns nicht getäuſcht. Es war die einzige Chance, die ſich überhaupt bot, und daß wir ſie aus irgend welchen Gründen nicht benutzten, gab Anlaß, daß der deutſchen Marine ein Schimpf angethan wurde, der uns die Schamröthe in das Geſicht trieb.
Lord Palmerſton, der Freund Dänemarks, ließ wenige Tage
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Die deutſche Marine 1848—1852
von Helgoland gefallene Schuß ihn zum Abbrechen des Gefechts
beſtimmt habe. Jener Schuß hatte verkündet, daß die „Valkyrien“
ſich auf neutralem Grunde, auf engliſchem Territorium befinde
und hatte uns gewarnt, letzteres in feindlicher Abſicht zu be-
ſchreiten.
Nach unſer aller Meinung und nach den genommenen
Peilungen war der Däne fünf Seemeilen von der Inſel ent-
fernt geweſen und von uns Officieren hätte ſich deshalb gewiß
Niemand an den Schuß gekehrt, da nach den damaligen inter-
nationalen Principien die Neutralitätsgrenze ſich nur bis auf
Kanonenſchußweite erſtreckte, allein wir waren leider nicht maß-
gebend und Brommy mußte wol anderer Meinung ſein. Viel-
leicht hatte er ja auch Befehl von Frankfurt, den Engländern,
welche mit ihren Sympathien ganz auf Seiten der Dänen ſtan-
den, keinerlei Anlaß zu irgend welchen begründeten Klagen zu
geben. Von Mangel an Muth konnte bei dem energiſchen
Charakter des Mannes um ſo weniger die Rede ſein, als wir
ſo bedeutend in der Uebermacht waren und der einzige Vorwurf,
der ihm mit Berechtigung gemacht werden konnte, war wol der
einer übertriebenen politiſchen Vorſicht, um der nach Innen ſchon
ſo ohnmächtigen Centralgewalt nicht auch noch einen Conflict
mit einer fremden Macht aufzuladen. Uns Officieren wollte
freilich dieſer Standpunkt nicht einleuchten und wir waren der
Anſicht, daß Brommy es darauf ankommen laſſen und die
„Valkyrien“ nehmen mußte.
Unſer Gefühl ſagte uns, daß der Commodore ſich eine
Chance hatte entgehen laſſen, welche ſchwerlich je ſo günſtig wieder-
kehren würde und dies Gefühl hatte uns nicht getäuſcht. Es
war die einzige Chance, die ſich überhaupt bot, und daß wir ſie
aus irgend welchen Gründen nicht benutzten, gab Anlaß, daß
der deutſchen Marine ein Schimpf angethan wurde, der uns die
Schamröthe in das Geſicht trieb.
Lord Palmerſton, der Freund Dänemarks, ließ wenige Tage
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/207>, abgerufen am 27.07.2024.
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