ganz anders geworden! Krank und gebrochen kam ich zurück und meine Zukunft lag schwer und traurig vor mir.
Der Anker fiel; der Hafenmeister ließ das Schiff an den Pfählen im Hafen fest machen; Boote legten an und brachten Freunde und Bekannte der Mannschaft zur Bewillkommnung. Ich stand abseit und wurde von Niemand begrüßt. Mein Herz schnürte sich zusammen, doch bald sollte es auch durch einen Freudenstrahl erhellt werden. Der Kapitän rief mich und hatte einen Brief in der Hand; er kam von den Eltern und war von den Rhedern an Bord gesandt. Er hatte zwar schon mehrere Wochen auf mich gewartet, aber er enthielt gute Nach- richten und das Liebeszeichen erquickte und stärkte mich wunder- bar. Als die Rheder von meiner Krankheit hörten, ließen sie mich ärztlich untersuchen; das Fieber war seit einem Monate nicht wiedergekehrt, ich litt nur noch an den Nachwehen. Ein längerer Aufenthalt am Lande und gute Pflege würden mich un- zweifelhaft wieder herstellen, meinte der Doctor, und so erhielt ich unbestimmten Urlaub, um mich im Elternhause zu erholen. Mit der "Alma" ging ich voraussichtlich nicht wieder fort, da sie schon nach vier Wochen auslaufen sollte, doch darüber em- pfand ich kein Bedauern; das auf ihr verlebte Jahr schloß zu viel trübe Erinnerungen in sich.
Die zweitägige Reise mit der Post bis zu meinem Heimaths- orte hatte mich ungemein angegriffen und ich kam so elend und todesmatt an, wie ich mich noch nie gefühlt hatte. Ich war am Tage nach unserem Eintreffen in Hamburg abgereist, hatte vorher nicht geschrieben und die Meinen erwarteten mich des- halb nicht. Ich war in dem Jahre bedeutend gewachsen, meine Gesichtsfarbe zeigte das krankhafte Gelb der Leberleidenden und meine seemännische Kleidung mochte mich noch unkenntlicher machen, denn die Bekannten, welche mir begegneten, als ich die wenigen Schritte von der Post bis zur elterlichen Wohnung über die Straße wankte, sahen neugierig der fremden Erscheinung nach.
Werner
ganz anders geworden! Krank und gebrochen kam ich zurück und meine Zukunft lag ſchwer und traurig vor mir.
Der Anker fiel; der Hafenmeiſter ließ das Schiff an den Pfählen im Hafen feſt machen; Boote legten an und brachten Freunde und Bekannte der Mannſchaft zur Bewillkommnung. Ich ſtand abſeit und wurde von Niemand begrüßt. Mein Herz ſchnürte ſich zuſammen, doch bald ſollte es auch durch einen Freudenſtrahl erhellt werden. Der Kapitän rief mich und hatte einen Brief in der Hand; er kam von den Eltern und war von den Rhedern an Bord geſandt. Er hatte zwar ſchon mehrere Wochen auf mich gewartet, aber er enthielt gute Nach- richten und das Liebeszeichen erquickte und ſtärkte mich wunder- bar. Als die Rheder von meiner Krankheit hörten, ließen ſie mich ärztlich unterſuchen; das Fieber war ſeit einem Monate nicht wiedergekehrt, ich litt nur noch an den Nachwehen. Ein längerer Aufenthalt am Lande und gute Pflege würden mich un- zweifelhaft wieder herſtellen, meinte der Doctor, und ſo erhielt ich unbeſtimmten Urlaub, um mich im Elternhauſe zu erholen. Mit der „Alma“ ging ich vorausſichtlich nicht wieder fort, da ſie ſchon nach vier Wochen auslaufen ſollte, doch darüber em- pfand ich kein Bedauern; das auf ihr verlebte Jahr ſchloß zu viel trübe Erinnerungen in ſich.
Die zweitägige Reiſe mit der Poſt bis zu meinem Heimaths- orte hatte mich ungemein angegriffen und ich kam ſo elend und todesmatt an, wie ich mich noch nie gefühlt hatte. Ich war am Tage nach unſerem Eintreffen in Hamburg abgereiſt, hatte vorher nicht geſchrieben und die Meinen erwarteten mich des- halb nicht. Ich war in dem Jahre bedeutend gewachſen, meine Geſichtsfarbe zeigte das krankhafte Gelb der Leberleidenden und meine ſeemänniſche Kleidung mochte mich noch unkenntlicher machen, denn die Bekannten, welche mir begegneten, als ich die wenigen Schritte von der Poſt bis zur elterlichen Wohnung über die Straße wankte, ſahen neugierig der fremden Erſcheinung nach.
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Werner
ganz anders geworden! Krank und gebrochen kam ich zurück
und meine Zukunft lag ſchwer und traurig vor mir.
Der Anker fiel; der Hafenmeiſter ließ das Schiff an den
Pfählen im Hafen feſt machen; Boote legten an und brachten
Freunde und Bekannte der Mannſchaft zur Bewillkommnung.
Ich ſtand abſeit und wurde von Niemand begrüßt. Mein Herz
ſchnürte ſich zuſammen, doch bald ſollte es auch durch einen
Freudenſtrahl erhellt werden. Der Kapitän rief mich und hatte
einen Brief in der Hand; er kam von den Eltern und war
von den Rhedern an Bord geſandt. Er hatte zwar ſchon
mehrere Wochen auf mich gewartet, aber er enthielt gute Nach-
richten und das Liebeszeichen erquickte und ſtärkte mich wunder-
bar. Als die Rheder von meiner Krankheit hörten, ließen ſie
mich ärztlich unterſuchen; das Fieber war ſeit einem Monate
nicht wiedergekehrt, ich litt nur noch an den Nachwehen. Ein
längerer Aufenthalt am Lande und gute Pflege würden mich un-
zweifelhaft wieder herſtellen, meinte der Doctor, und ſo erhielt
ich unbeſtimmten Urlaub, um mich im Elternhauſe zu erholen.
Mit der „Alma“ ging ich vorausſichtlich nicht wieder fort, da
ſie ſchon nach vier Wochen auslaufen ſollte, doch darüber em-
pfand ich kein Bedauern; das auf ihr verlebte Jahr ſchloß zu
viel trübe Erinnerungen in ſich.
Die zweitägige Reiſe mit der Poſt bis zu meinem Heimaths-
orte hatte mich ungemein angegriffen und ich kam ſo elend und
todesmatt an, wie ich mich noch nie gefühlt hatte. Ich war
am Tage nach unſerem Eintreffen in Hamburg abgereiſt, hatte
vorher nicht geſchrieben und die Meinen erwarteten mich des-
halb nicht. Ich war in dem Jahre bedeutend gewachſen, meine
Geſichtsfarbe zeigte das krankhafte Gelb der Leberleidenden und
meine ſeemänniſche Kleidung mochte mich noch unkenntlicher machen,
denn die Bekannten, welche mir begegneten, als ich die wenigen
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/154>, abgerufen am 28.11.2024.
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