Mast, an dem der Landende sich festhält, bis er entweder auf die nach dem Wasser leitenden Stufen springen, oder die Platt- form erreichen kann, welche an einem weit ausliegenden Dreh- kahne hängt, mit der er dann auf das Ufer geschwungen wird.
Eine Menge Boote mit Früchten, Seltenheiten und Reli- quien von Napoleons Grabe kamen längseit. Namentlich wur- den kleine muschelbeklebte Dosen mit Erde daher, sowie Zweige und Blätter von der das Grab beschattenden Trauerweide feil geboten. Obwol die Sachen, wie meistens dergleichen, wahr- scheinlich anderwärts herstammten, nahm ich doch in gutem Glauben ein Andenken mit.
Nicht weit von uns lag eine englische Kriegsbrigg, die Tags zuvor einen an der afrikanischen Küste genommenen Sclaven- fahrer eingebracht hatte. Die Prise war eine Brigg von ganz ähnlichem Aussehen, wie jene, die uns damals auf der Hinreise Schrecken einjagte. Sie hatte 500 Neger an Bord, die grade ausgeschifft wurden. Zu diesem Zwecke kamen große Barken mit flachem Boden längseit und die Schwarzen wurden wie Waaren darin verstaut. Sie mußten sich mit ausgespreizten Beinen niederlegen und der nächste wurde dann immer mit dem Kopfe zwischen die Schenkel des anderen gepackt. Man erzählte uns, daß jährlich durchschnittlich 2 bis 3000 Sclaven von den eng- lischen Kreuzern aufgebracht und befreit würden. Mit diesem "Befreien" hatte es nun allerdings seine eigene Bewandtniß und bei aller Menschenfreundlichkeit machten die Engländer dabei ein gutes Geschäft. Die Mannschaft der Kriegsschiffe erhielt für jeden aufgebrachten Neger 1 £; dies mußten aber letztere selbst bezahlen und zwar durch zehnjährige Arbeit in den englischen Westindischen Kolonien als Aprentices "Lehrlinge". Erst nach dieser Zeit erhielten sie ihre volle Freiheit, sahen jedoch ihr Vater- land nicht wieder.
Die Bucht von Jamestown ist ganz ungemein fischreich, namentlich an Makrelen und diese bilden das Hauptnahrungs-
Eine erſte Seereiſe
Maſt, an dem der Landende ſich feſthält, bis er entweder auf die nach dem Waſſer leitenden Stufen ſpringen, oder die Platt- form erreichen kann, welche an einem weit ausliegenden Dreh- kahne hängt, mit der er dann auf das Ufer geſchwungen wird.
Eine Menge Boote mit Früchten, Seltenheiten und Reli- quien von Napoleons Grabe kamen längſeit. Namentlich wur- den kleine muſchelbeklebte Doſen mit Erde daher, ſowie Zweige und Blätter von der das Grab beſchattenden Trauerweide feil geboten. Obwol die Sachen, wie meiſtens dergleichen, wahr- ſcheinlich anderwärts herſtammten, nahm ich doch in gutem Glauben ein Andenken mit.
Nicht weit von uns lag eine engliſche Kriegsbrigg, die Tags zuvor einen an der afrikaniſchen Küſte genommenen Sclaven- fahrer eingebracht hatte. Die Priſe war eine Brigg von ganz ähnlichem Ausſehen, wie jene, die uns damals auf der Hinreiſe Schrecken einjagte. Sie hatte 500 Neger an Bord, die grade ausgeſchifft wurden. Zu dieſem Zwecke kamen große Barken mit flachem Boden längſeit und die Schwarzen wurden wie Waaren darin verſtaut. Sie mußten ſich mit ausgeſpreizten Beinen niederlegen und der nächſte wurde dann immer mit dem Kopfe zwiſchen die Schenkel des anderen gepackt. Man erzählte uns, daß jährlich durchſchnittlich 2 bis 3000 Sclaven von den eng- liſchen Kreuzern aufgebracht und befreit würden. Mit dieſem „Befreien“ hatte es nun allerdings ſeine eigene Bewandtniß und bei aller Menſchenfreundlichkeit machten die Engländer dabei ein gutes Geſchäft. Die Mannſchaft der Kriegsſchiffe erhielt für jeden aufgebrachten Neger 1 £; dies mußten aber letztere ſelbſt bezahlen und zwar durch zehnjährige Arbeit in den engliſchen Weſtindiſchen Kolonien als Aprentices „Lehrlinge“. Erſt nach dieſer Zeit erhielten ſie ihre volle Freiheit, ſahen jedoch ihr Vater- land nicht wieder.
Die Bucht von Jamestown iſt ganz ungemein fiſchreich, namentlich an Makrelen und dieſe bilden das Hauptnahrungs-
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Eine erſte Seereiſe
Maſt, an dem der Landende ſich feſthält, bis er entweder auf
die nach dem Waſſer leitenden Stufen ſpringen, oder die Platt-
form erreichen kann, welche an einem weit ausliegenden Dreh-
kahne hängt, mit der er dann auf das Ufer geſchwungen wird.
Eine Menge Boote mit Früchten, Seltenheiten und Reli-
quien von Napoleons Grabe kamen längſeit. Namentlich wur-
den kleine muſchelbeklebte Doſen mit Erde daher, ſowie Zweige
und Blätter von der das Grab beſchattenden Trauerweide feil
geboten. Obwol die Sachen, wie meiſtens dergleichen, wahr-
ſcheinlich anderwärts herſtammten, nahm ich doch in gutem
Glauben ein Andenken mit.
Nicht weit von uns lag eine engliſche Kriegsbrigg, die
Tags zuvor einen an der afrikaniſchen Küſte genommenen Sclaven-
fahrer eingebracht hatte. Die Priſe war eine Brigg von ganz
ähnlichem Ausſehen, wie jene, die uns damals auf der Hinreiſe
Schrecken einjagte. Sie hatte 500 Neger an Bord, die grade
ausgeſchifft wurden. Zu dieſem Zwecke kamen große Barken
mit flachem Boden längſeit und die Schwarzen wurden wie Waaren
darin verſtaut. Sie mußten ſich mit ausgeſpreizten Beinen
niederlegen und der nächſte wurde dann immer mit dem Kopfe
zwiſchen die Schenkel des anderen gepackt. Man erzählte uns,
daß jährlich durchſchnittlich 2 bis 3000 Sclaven von den eng-
liſchen Kreuzern aufgebracht und befreit würden. Mit dieſem
„Befreien“ hatte es nun allerdings ſeine eigene Bewandtniß und
bei aller Menſchenfreundlichkeit machten die Engländer dabei ein
gutes Geſchäft. Die Mannſchaft der Kriegsſchiffe erhielt für
jeden aufgebrachten Neger 1 £; dies mußten aber letztere ſelbſt
bezahlen und zwar durch zehnjährige Arbeit in den engliſchen
Weſtindiſchen Kolonien als Aprentices „Lehrlinge“. Erſt nach
dieſer Zeit erhielten ſie ihre volle Freiheit, ſahen jedoch ihr Vater-
land nicht wieder.
Die Bucht von Jamestown iſt ganz ungemein fiſchreich,
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/151>, abgerufen am 24.11.2024.
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