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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
aber auch ohne daß er sprach, las ich in seinen treuen Augen
die Freude, daß ich glücklich zurückgekommen. Ich ging mit ihm
nach vorn. "Die Andern dachten, Ihr wäret alle verloren"
sagte er nach einer Weile. "Sie meinten, die Schaluppe
hätte in solcher See nicht leben können, aber ich glaubte nicht
daran, ich hätte Euch sonst wol heute Nacht im Traume ge-
sehen -- doch als Ihr hinter dem Heck vor der Holländischen
Bark vorkamt und nur mit Vieren im Boot waret, da wußte
ich auch, daß kein anderer als Jens Jenssen fehlen konnte."

"Denkst Du noch daran, als Ihr beide in jener schreck-
lichen Gewitternacht bei der Linie die Bramsegel fest machtet
und das Elmsfeuer erst bei Dir im Großtop war und dann
zu Jens nach dem Vortop flog? Das war der Heinrich, denn
jene blauen Feuerkugeln zeigen sich nur auf solchen Schiffen,
die durch Unglück einen Mann verloren haben. Es sind die
Seelen der Abgestorbenen, die herumirren, weil sie kein christ-
liches Begräbniß erhalten haben und deshalb nicht zur Ruhe
kommen können. Und als die Flamme sich dann Jens auf die
Schulter setzte und sein Gesicht so fahl beleuchtete, als hätte er
schon lange im Grabe gelegen, da war es uns allen, die wir
es sahen, klar, daß Heinrich ihn rief und er zunächst an die
Reihe kommen würde. Armer Jens! Seine Mutter wird's
schwer überleben; er war der letzte von ihren vier Söhnen.
Zwei gingen mitsammt dem Vater auf dem kleinen Schuner
verloren, den dieser als Kapitän fuhr. Das Fahrzeug soll im
Kanal übergesegelt worden sein und man hat nie wieder etwas
davon gehört. Der dritte kenterte mit dem Boote, als er
einem gestrandeten Schiffe zu Hülfe kommen wollte und ertrank.
Nun auch noch den letzten zu verlieren, das ist hart --
arme Mutter!"

Er wandte sich ab von mir, lehnte sich an die Verschanzung
und blickte über Bord. Das that er immer, wenn er nicht weiter
sprechen wollte und ich ließ ihn deshalb allein.


Eine erſte Seereiſe
aber auch ohne daß er ſprach, las ich in ſeinen treuen Augen
die Freude, daß ich glücklich zurückgekommen. Ich ging mit ihm
nach vorn. „Die Andern dachten, Ihr wäret alle verloren“
ſagte er nach einer Weile. „Sie meinten, die Schaluppe
hätte in ſolcher See nicht leben können, aber ich glaubte nicht
daran, ich hätte Euch ſonſt wol heute Nacht im Traume ge-
ſehen — doch als Ihr hinter dem Heck vor der Holländiſchen
Bark vorkamt und nur mit Vieren im Boot waret, da wußte
ich auch, daß kein anderer als Jens Jenſſen fehlen konnte.“

„Denkſt Du noch daran, als Ihr beide in jener ſchreck-
lichen Gewitternacht bei der Linie die Bramſegel feſt machtet
und das Elmsfeuer erſt bei Dir im Großtop war und dann
zu Jens nach dem Vortop flog? Das war der Heinrich, denn
jene blauen Feuerkugeln zeigen ſich nur auf ſolchen Schiffen,
die durch Unglück einen Mann verloren haben. Es ſind die
Seelen der Abgeſtorbenen, die herumirren, weil ſie kein chriſt-
liches Begräbniß erhalten haben und deshalb nicht zur Ruhe
kommen können. Und als die Flamme ſich dann Jens auf die
Schulter ſetzte und ſein Geſicht ſo fahl beleuchtete, als hätte er
ſchon lange im Grabe gelegen, da war es uns allen, die wir
es ſahen, klar, daß Heinrich ihn rief und er zunächſt an die
Reihe kommen würde. Armer Jens! Seine Mutter wird’s
ſchwer überleben; er war der letzte von ihren vier Söhnen.
Zwei gingen mitſammt dem Vater auf dem kleinen Schuner
verloren, den dieſer als Kapitän fuhr. Das Fahrzeug ſoll im
Kanal übergeſegelt worden ſein und man hat nie wieder etwas
davon gehört. Der dritte kenterte mit dem Boote, als er
einem geſtrandeten Schiffe zu Hülfe kommen wollte und ertrank.
Nun auch noch den letzten zu verlieren, das iſt hart —
arme Mutter!“

Er wandte ſich ab von mir, lehnte ſich an die Verſchanzung
und blickte über Bord. Das that er immer, wenn er nicht weiter
ſprechen wollte und ich ließ ihn deshalb allein.


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[127/0139] Eine erſte Seereiſe aber auch ohne daß er ſprach, las ich in ſeinen treuen Augen die Freude, daß ich glücklich zurückgekommen. Ich ging mit ihm nach vorn. „Die Andern dachten, Ihr wäret alle verloren“ ſagte er nach einer Weile. „Sie meinten, die Schaluppe hätte in ſolcher See nicht leben können, aber ich glaubte nicht daran, ich hätte Euch ſonſt wol heute Nacht im Traume ge- ſehen — doch als Ihr hinter dem Heck vor der Holländiſchen Bark vorkamt und nur mit Vieren im Boot waret, da wußte ich auch, daß kein anderer als Jens Jenſſen fehlen konnte.“ „Denkſt Du noch daran, als Ihr beide in jener ſchreck- lichen Gewitternacht bei der Linie die Bramſegel feſt machtet und das Elmsfeuer erſt bei Dir im Großtop war und dann zu Jens nach dem Vortop flog? Das war der Heinrich, denn jene blauen Feuerkugeln zeigen ſich nur auf ſolchen Schiffen, die durch Unglück einen Mann verloren haben. Es ſind die Seelen der Abgeſtorbenen, die herumirren, weil ſie kein chriſt- liches Begräbniß erhalten haben und deshalb nicht zur Ruhe kommen können. Und als die Flamme ſich dann Jens auf die Schulter ſetzte und ſein Geſicht ſo fahl beleuchtete, als hätte er ſchon lange im Grabe gelegen, da war es uns allen, die wir es ſahen, klar, daß Heinrich ihn rief und er zunächſt an die Reihe kommen würde. Armer Jens! Seine Mutter wird’s ſchwer überleben; er war der letzte von ihren vier Söhnen. Zwei gingen mitſammt dem Vater auf dem kleinen Schuner verloren, den dieſer als Kapitän fuhr. Das Fahrzeug ſoll im Kanal übergeſegelt worden ſein und man hat nie wieder etwas davon gehört. Der dritte kenterte mit dem Boote, als er einem geſtrandeten Schiffe zu Hülfe kommen wollte und ertrank. Nun auch noch den letzten zu verlieren, das iſt hart — arme Mutter!“ Er wandte ſich ab von mir, lehnte ſich an die Verſchanzung und blickte über Bord. Das that er immer, wenn er nicht weiter ſprechen wollte und ich ließ ihn deshalb allein.

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/139>, abgerufen am 22.11.2024.