Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise Südwestern und Händen unter Aufbietung aller Kräfte. UnsereAnstrengungen wurden glücklicher Weise mit Erfolg gekrönt. Das Wasser minderte sich nach und nach, die Planken hatten sich auch wol etwas zusammengezogen, und nach einer Viertelstunde war ersteres soweit bewältigt, daß fernerhin zwei von uns ge- nügten, um das Boot flott zu halten. Wir waren inzwischen so weit getrieben, daß wir die Laterne, welche man auf dem Schiffe für uns als Erkennungszeichen ausgehängt, aus Sicht verloren. Die Bö hatte nicht nachgelassen; die Blitze flammten ohne Unterlaß, der Donner rollte und krachte betäubend und der Wind wehte so stürmisch, daß unser Boot vor ihm und der See ohne Segel und Masten förmlich dahinflog -- wohin? das wußte Niemand. Wir hatten keinen Compaß; durch die schwarze Decke des Himmels brach kein Stern, um uns die Richtung anzugeben, wir irrten umher auf dem pfadlosen Meere und konnten nur muthmaßen, daß wir gegen Sumatra hin ver- schlagen wurden. Aber wie schnell auch das Boot die branden- den Wellen durchschnitt und durch die Nacht dahinsauste -- die Haie hielten mit uns Schritt. Bald liefen sie neben einander, bald umkreisten sie getrennt in nächster Nähe das Boot, als wollten sie uns andeuten: "Ihr seid uns doch verfallen". Der Sturm wuchs, anstatt, wie wir gehofft, nachzulassen. Wir waren in unserem gebrechlichen, lecken Fahrzeuge machtlos gegen ihn. Alles, was wir vermochten, war, letzteres recht vor dem Winde zu halten, um es nicht quer zur See kommen zu lassen und dann durch die erste Sturzsee gekentert zu werden. Trotzdem lief die See dann und wann an den Seiten über und wir Alle mußten schöpfen, um flott zu bleiben. Doch, was half das? Wenn der Wind sich nicht mäßigte, hatten wir nur noch eine kurze Spanne Zeit zum Leben. Die fünf Meilen bis zur Küste von Sumatra waren in wenigen Stunden zurückgelegt und unserer harrte dann das Geschick, an den die Insel umsäumen- den Klippen zerschellt zu werden. Eine erſte Seereiſe Südweſtern und Händen unter Aufbietung aller Kräfte. UnſereAnſtrengungen wurden glücklicher Weiſe mit Erfolg gekrönt. Das Waſſer minderte ſich nach und nach, die Planken hatten ſich auch wol etwas zuſammengezogen, und nach einer Viertelſtunde war erſteres ſoweit bewältigt, daß fernerhin zwei von uns ge- nügten, um das Boot flott zu halten. Wir waren inzwiſchen ſo weit getrieben, daß wir die Laterne, welche man auf dem Schiffe für uns als Erkennungszeichen ausgehängt, aus Sicht verloren. Die Bö hatte nicht nachgelaſſen; die Blitze flammten ohne Unterlaß, der Donner rollte und krachte betäubend und der Wind wehte ſo ſtürmiſch, daß unſer Boot vor ihm und der See ohne Segel und Maſten förmlich dahinflog — wohin? das wußte Niemand. Wir hatten keinen Compaß; durch die ſchwarze Decke des Himmels brach kein Stern, um uns die Richtung anzugeben, wir irrten umher auf dem pfadloſen Meere und konnten nur muthmaßen, daß wir gegen Sumatra hin ver- ſchlagen wurden. Aber wie ſchnell auch das Boot die branden- den Wellen durchſchnitt und durch die Nacht dahinſauſte — die Haie hielten mit uns Schritt. Bald liefen ſie neben einander, bald umkreiſten ſie getrennt in nächſter Nähe das Boot, als wollten ſie uns andeuten: „Ihr ſeid uns doch verfallen“. Der Sturm wuchs, anſtatt, wie wir gehofft, nachzulaſſen. Wir waren in unſerem gebrechlichen, lecken Fahrzeuge machtlos gegen ihn. Alles, was wir vermochten, war, letzteres recht vor dem Winde zu halten, um es nicht quer zur See kommen zu laſſen und dann durch die erſte Sturzſee gekentert zu werden. Trotzdem lief die See dann und wann an den Seiten über und wir Alle mußten ſchöpfen, um flott zu bleiben. Doch, was half das? Wenn der Wind ſich nicht mäßigte, hatten wir nur noch eine kurze Spanne Zeit zum Leben. Die fünf Meilen bis zur Küſte von Sumatra waren in wenigen Stunden zurückgelegt und unſerer harrte dann das Geſchick, an den die Inſel umſäumen- den Klippen zerſchellt zu werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0133" n="121"/><fw place="top" type="header">Eine erſte Seereiſe</fw><lb/> Südweſtern und Händen unter Aufbietung aller Kräfte. 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Eine erſte Seereiſe
Südweſtern und Händen unter Aufbietung aller Kräfte. Unſere
Anſtrengungen wurden glücklicher Weiſe mit Erfolg gekrönt.
Das Waſſer minderte ſich nach und nach, die Planken hatten ſich
auch wol etwas zuſammengezogen, und nach einer Viertelſtunde
war erſteres ſoweit bewältigt, daß fernerhin zwei von uns ge-
nügten, um das Boot flott zu halten. Wir waren inzwiſchen
ſo weit getrieben, daß wir die Laterne, welche man auf dem
Schiffe für uns als Erkennungszeichen ausgehängt, aus Sicht
verloren. Die Bö hatte nicht nachgelaſſen; die Blitze flammten
ohne Unterlaß, der Donner rollte und krachte betäubend und
der Wind wehte ſo ſtürmiſch, daß unſer Boot vor ihm und der
See ohne Segel und Maſten förmlich dahinflog — wohin?
das wußte Niemand. Wir hatten keinen Compaß; durch die
ſchwarze Decke des Himmels brach kein Stern, um uns die
Richtung anzugeben, wir irrten umher auf dem pfadloſen Meere
und konnten nur muthmaßen, daß wir gegen Sumatra hin ver-
ſchlagen wurden. Aber wie ſchnell auch das Boot die branden-
den Wellen durchſchnitt und durch die Nacht dahinſauſte — die
Haie hielten mit uns Schritt. Bald liefen ſie neben einander,
bald umkreiſten ſie getrennt in nächſter Nähe das Boot, als
wollten ſie uns andeuten: „Ihr ſeid uns doch verfallen“. Der
Sturm wuchs, anſtatt, wie wir gehofft, nachzulaſſen. Wir waren
in unſerem gebrechlichen, lecken Fahrzeuge machtlos gegen ihn.
Alles, was wir vermochten, war, letzteres recht vor dem Winde
zu halten, um es nicht quer zur See kommen zu laſſen und
dann durch die erſte Sturzſee gekentert zu werden. Trotzdem
lief die See dann und wann an den Seiten über und wir Alle
mußten ſchöpfen, um flott zu bleiben. Doch, was half das?
Wenn der Wind ſich nicht mäßigte, hatten wir nur noch eine
kurze Spanne Zeit zum Leben. Die fünf Meilen bis zur Küſte
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unſerer harrte dann das Geſchick, an den die Inſel umſäumen-
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