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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Kaum war das Boot jedoch zu Wasser, als dieses von
allen Seiten in das Fahrzeug eindrang. Durch langes Hängen
an den Davids (Krähnen) in der brennenden Sonne waren die
Planken ganz zusammengetrocknet und die Näthe klafften. Auf
Grund der vielen sonstigen und drängenden Arbeiten an Bord
hatte man versäumt, wie es sich sonst gehört, in die hängenden
Boote so viel Wasser zu gießen, daß ihr Boden bedeckt und
gegen Auftrocknen geschützt wurde. In der Hoffnung, daß die
Näthe sich im Wasser bald wieder zusammenziehen würden,
ließen wir uns in aller Eile noch ein paar Eimer zum Aus-
schöpfen heruntergeben, ohne uns weitere Sorge zu machen und
stießen vom Schiffe ab. Trotz anhaltenden Schöpfens durch
zwei von uns füllte sich aber das Boot zusehends, und wir
hatten uns noch keine hundert Schritte von der "Alma" entfernt,
als das Wasser fast bis unter die Sitzbänke gestiegen war und
wir bei dem Seegange kaum noch die Ruder gebrauchen konnten.

Wir befanden uns in einer höchst kritischen Lage. Unter
solchen Umständen war es unmöglich, gegen Wind und See das
Schiff wieder zu erreichen und wir trieben mit dem allmälig
tiefer sinkenden Boote bei stockfinsterer Nacht, scharfem Winde
und strömendem Regen in die offene See hinaus. Um unsere
Situation noch schauriger zu machen, sahen wir, wie neben dem
Boote sich im Wasser zwei feurige Streifen bewegten -- es war
das Kielwasser von zwei Haien, das in unheimlich grünlichem
Lichte schimmerte. Von diesen schrecklichen Räubern der Tiefe
wimmelt es auf der Rhede von Batavia und sie mochten wol
Beute wittern.

Es galt die Schaluppe unter allen Umständen flott zu halten.
Sank sie noch einige Zoll tiefer, so waren wir gänzlich hilflos.
Die See spülte dann hinein und wir gingen unter allen Um-
ständen verloren, sei es, um unsern Tod in den Fluthen oder
im Rachen der Haie zu finden. Wir gaben deshalb das Rudern
auf, ließen uns treiben und schöpften sämmtlich mit Eimern,

Werner

Kaum war das Boot jedoch zu Waſſer, als dieſes von
allen Seiten in das Fahrzeug eindrang. Durch langes Hängen
an den Davids (Krähnen) in der brennenden Sonne waren die
Planken ganz zuſammengetrocknet und die Näthe klafften. Auf
Grund der vielen ſonſtigen und drängenden Arbeiten an Bord
hatte man verſäumt, wie es ſich ſonſt gehört, in die hängenden
Boote ſo viel Waſſer zu gießen, daß ihr Boden bedeckt und
gegen Auftrocknen geſchützt wurde. In der Hoffnung, daß die
Näthe ſich im Waſſer bald wieder zuſammenziehen würden,
ließen wir uns in aller Eile noch ein paar Eimer zum Aus-
ſchöpfen heruntergeben, ohne uns weitere Sorge zu machen und
ſtießen vom Schiffe ab. Trotz anhaltenden Schöpfens durch
zwei von uns füllte ſich aber das Boot zuſehends, und wir
hatten uns noch keine hundert Schritte von der „Alma“ entfernt,
als das Waſſer faſt bis unter die Sitzbänke geſtiegen war und
wir bei dem Seegange kaum noch die Ruder gebrauchen konnten.

Wir befanden uns in einer höchſt kritiſchen Lage. Unter
ſolchen Umſtänden war es unmöglich, gegen Wind und See das
Schiff wieder zu erreichen und wir trieben mit dem allmälig
tiefer ſinkenden Boote bei ſtockfinſterer Nacht, ſcharfem Winde
und ſtrömendem Regen in die offene See hinaus. Um unſere
Situation noch ſchauriger zu machen, ſahen wir, wie neben dem
Boote ſich im Waſſer zwei feurige Streifen bewegten — es war
das Kielwaſſer von zwei Haien, das in unheimlich grünlichem
Lichte ſchimmerte. Von dieſen ſchrecklichen Räubern der Tiefe
wimmelt es auf der Rhede von Batavia und ſie mochten wol
Beute wittern.

Es galt die Schaluppe unter allen Umſtänden flott zu halten.
Sank ſie noch einige Zoll tiefer, ſo waren wir gänzlich hilflos.
Die See ſpülte dann hinein und wir gingen unter allen Um-
ſtänden verloren, ſei es, um unſern Tod in den Fluthen oder
im Rachen der Haie zu finden. Wir gaben deshalb das Rudern
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[120/0132] Werner Kaum war das Boot jedoch zu Waſſer, als dieſes von allen Seiten in das Fahrzeug eindrang. Durch langes Hängen an den Davids (Krähnen) in der brennenden Sonne waren die Planken ganz zuſammengetrocknet und die Näthe klafften. Auf Grund der vielen ſonſtigen und drängenden Arbeiten an Bord hatte man verſäumt, wie es ſich ſonſt gehört, in die hängenden Boote ſo viel Waſſer zu gießen, daß ihr Boden bedeckt und gegen Auftrocknen geſchützt wurde. In der Hoffnung, daß die Näthe ſich im Waſſer bald wieder zuſammenziehen würden, ließen wir uns in aller Eile noch ein paar Eimer zum Aus- ſchöpfen heruntergeben, ohne uns weitere Sorge zu machen und ſtießen vom Schiffe ab. Trotz anhaltenden Schöpfens durch zwei von uns füllte ſich aber das Boot zuſehends, und wir hatten uns noch keine hundert Schritte von der „Alma“ entfernt, als das Waſſer faſt bis unter die Sitzbänke geſtiegen war und wir bei dem Seegange kaum noch die Ruder gebrauchen konnten. Wir befanden uns in einer höchſt kritiſchen Lage. Unter ſolchen Umſtänden war es unmöglich, gegen Wind und See das Schiff wieder zu erreichen und wir trieben mit dem allmälig tiefer ſinkenden Boote bei ſtockfinſterer Nacht, ſcharfem Winde und ſtrömendem Regen in die offene See hinaus. Um unſere Situation noch ſchauriger zu machen, ſahen wir, wie neben dem Boote ſich im Waſſer zwei feurige Streifen bewegten — es war das Kielwaſſer von zwei Haien, das in unheimlich grünlichem Lichte ſchimmerte. Von dieſen ſchrecklichen Räubern der Tiefe wimmelt es auf der Rhede von Batavia und ſie mochten wol Beute wittern. Es galt die Schaluppe unter allen Umſtänden flott zu halten. Sank ſie noch einige Zoll tiefer, ſo waren wir gänzlich hilflos. Die See ſpülte dann hinein und wir gingen unter allen Um- ſtänden verloren, ſei es, um unſern Tod in den Fluthen oder im Rachen der Haie zu finden. Wir gaben deshalb das Rudern auf, ließen uns treiben und ſchöpften ſämmtlich mit Eimern,

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/132>, abgerufen am 24.11.2024.