und öfter spornten uns eiskalte Nebel, die ihre Nähe zu verkünden schienen, noch zu erhöhter Wachsamkeit an, aber wir bekamen keine in Sicht. Sie können gerade wegen ihrer Nebelatmosphäre und besonders Nachts den Schiffen sehr ge- fährlich werden. Der Kapitän war gewiß mit ihrem Nicht- erscheinen zufrieden, ich jedoch hätte gar zu gern eine solche schwimmende Krystallinsel, von deren Schönheit selbst mein alter prosaischer Bootsmann in seiner Weise schwärmte, gesehen.
Als wir ungefähr auf der Höhe der beiden unbewohnten und nur zeitweise von Walfischfängern zum Auskochen des Thranes besuchten Inseln Amsterdam und St. Paul angekommen waren, von wo aus man allmälig die südlichen Breiten verläßt, um nordwärts den Südostpassat aufzusuchen und damit die Sundastraße anzusteuern, wurden wir abermals von Nebel heim- gesucht. Gleichzeitig hatte sich jedoch endlich der stürmische Wind gelegt, der so lange unser unbequemer Begleiter gewesen, ebenso war die gewaltige See niedergegangen und wir konnten zum ersten Male nach vielen Wochen wieder die kleineren Segel führen. Nach einigen Tagen erreichten wir den Südostpassat und steuerten damit die Sundastraße an. Unsere Beobachtungen er- wiesen sich als richtig, und man kann sich denken, daß ich nicht wenig stolz war, in der Navigation solche Fortschritte gemacht und Kenntnisse gewonnen zu haben, die man sich sonst erst er- wirbt, wenn man als Steuermann fährt. Wir kamen Nachts vor die Straße. Das Land selbst hatten wir Tags zuvor noch nicht gesehen, doch seine Nähe war uns bereits durch mehrere Landvögel angekündigt, die sich auf unser Schiff verirrten. Es war sehr dunkel, aber mit der schönen stetigen Briese keine Ge- fahr, Nachts die Küste anzusegeln. Sie hebt sich steil aus dem Meere ohne weiter vorliegende Klippen oder Untiefen, ist so hoch, daß wir sie auf eine Meile sehen mußten und schlimm- sten Falls konnten wir mit dem ablandigen Winde immer wieder abkommen.
Werner
und öfter ſpornten uns eiskalte Nebel, die ihre Nähe zu verkünden ſchienen, noch zu erhöhter Wachſamkeit an, aber wir bekamen keine in Sicht. Sie können gerade wegen ihrer Nebelatmoſphäre und beſonders Nachts den Schiffen ſehr ge- fährlich werden. Der Kapitän war gewiß mit ihrem Nicht- erſcheinen zufrieden, ich jedoch hätte gar zu gern eine ſolche ſchwimmende Kryſtallinſel, von deren Schönheit ſelbſt mein alter proſaiſcher Bootsmann in ſeiner Weiſe ſchwärmte, geſehen.
Als wir ungefähr auf der Höhe der beiden unbewohnten und nur zeitweiſe von Walfiſchfängern zum Auskochen des Thranes beſuchten Inſeln Amſterdam und St. Paul angekommen waren, von wo aus man allmälig die ſüdlichen Breiten verläßt, um nordwärts den Südoſtpaſſat aufzuſuchen und damit die Sundaſtraße anzuſteuern, wurden wir abermals von Nebel heim- geſucht. Gleichzeitig hatte ſich jedoch endlich der ſtürmiſche Wind gelegt, der ſo lange unſer unbequemer Begleiter geweſen, ebenſo war die gewaltige See niedergegangen und wir konnten zum erſten Male nach vielen Wochen wieder die kleineren Segel führen. Nach einigen Tagen erreichten wir den Südoſtpaſſat und ſteuerten damit die Sundaſtraße an. Unſere Beobachtungen er- wieſen ſich als richtig, und man kann ſich denken, daß ich nicht wenig ſtolz war, in der Navigation ſolche Fortſchritte gemacht und Kenntniſſe gewonnen zu haben, die man ſich ſonſt erſt er- wirbt, wenn man als Steuermann fährt. Wir kamen Nachts vor die Straße. Das Land ſelbſt hatten wir Tags zuvor noch nicht geſehen, doch ſeine Nähe war uns bereits durch mehrere Landvögel angekündigt, die ſich auf unſer Schiff verirrten. Es war ſehr dunkel, aber mit der ſchönen ſtetigen Brieſe keine Ge- fahr, Nachts die Küſte anzuſegeln. Sie hebt ſich ſteil aus dem Meere ohne weiter vorliegende Klippen oder Untiefen, iſt ſo hoch, daß wir ſie auf eine Meile ſehen mußten und ſchlimm- ſten Falls konnten wir mit dem ablandigen Winde immer wieder abkommen.
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Werner
und öfter ſpornten uns eiskalte Nebel, die ihre Nähe
zu verkünden ſchienen, noch zu erhöhter Wachſamkeit an, aber
wir bekamen keine in Sicht. Sie können gerade wegen ihrer
Nebelatmoſphäre und beſonders Nachts den Schiffen ſehr ge-
fährlich werden. Der Kapitän war gewiß mit ihrem Nicht-
erſcheinen zufrieden, ich jedoch hätte gar zu gern eine ſolche
ſchwimmende Kryſtallinſel, von deren Schönheit ſelbſt mein alter
proſaiſcher Bootsmann in ſeiner Weiſe ſchwärmte, geſehen.
Als wir ungefähr auf der Höhe der beiden unbewohnten
und nur zeitweiſe von Walfiſchfängern zum Auskochen des
Thranes beſuchten Inſeln Amſterdam und St. Paul angekommen
waren, von wo aus man allmälig die ſüdlichen Breiten verläßt,
um nordwärts den Südoſtpaſſat aufzuſuchen und damit die
Sundaſtraße anzuſteuern, wurden wir abermals von Nebel heim-
geſucht. Gleichzeitig hatte ſich jedoch endlich der ſtürmiſche Wind
gelegt, der ſo lange unſer unbequemer Begleiter geweſen, ebenſo
war die gewaltige See niedergegangen und wir konnten zum erſten
Male nach vielen Wochen wieder die kleineren Segel führen.
Nach einigen Tagen erreichten wir den Südoſtpaſſat und
ſteuerten damit die Sundaſtraße an. Unſere Beobachtungen er-
wieſen ſich als richtig, und man kann ſich denken, daß ich nicht
wenig ſtolz war, in der Navigation ſolche Fortſchritte gemacht
und Kenntniſſe gewonnen zu haben, die man ſich ſonſt erſt er-
wirbt, wenn man als Steuermann fährt. Wir kamen Nachts
vor die Straße. Das Land ſelbſt hatten wir Tags zuvor noch
nicht geſehen, doch ſeine Nähe war uns bereits durch mehrere
Landvögel angekündigt, die ſich auf unſer Schiff verirrten. Es
war ſehr dunkel, aber mit der ſchönen ſtetigen Brieſe keine Ge-
fahr, Nachts die Küſte anzuſegeln. Sie hebt ſich ſteil aus
dem Meere ohne weiter vorliegende Klippen oder Untiefen, iſt
ſo hoch, daß wir ſie auf eine Meile ſehen mußten und ſchlimm-
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/120>, abgerufen am 28.07.2024.
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