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Welczeck, Adelheid von: Das Frauenstimmrecht in den verschiedenen Ländern. Gautzsch b. Leipzig, 1908 (= Kultur und Fortschritt, Bd. 135).

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welches mit kleinen Abänderungen zur Annahme gelangte und folgender-
maßen lautet:

1. Männer und Frauen werden als gleichermaßen freie und selbst-
ständige Glieder der menschlichen Gesellschaft geboren, gleich begabt mit
Verstand und Fähigkeiten und gleich befugt zur ungehinderten Ausübung
ihrer persönlichen Freiheit und Rechte.

2. Die natürlichen Beziehungen zwischen den Geschlechtern bestehen
in gegenseitiger Abhängigkeit und gemeinsamer Arbeit; jedwede Be-
schränkung der Freiheit eines Geschlechts schädigt ganz unvermeidlich
auch das andere und damit die ganze Menschheit.

3. Alle Gesetze, Sitten und Gebräuche, die, in welchem Lande es
auch sei, darauf hinzielen, der Frau eine abhängige Stellung zu geben,
ihre Erziehung zu beschränken, die Entwicklung ihrer natürlichen Gaben
zu hemmen, ihre Persönlichkeit unterzuordnen, haben, auf falschen Grund-
sätzen beruhend, in der modernen Welt ein gekünsteltes und ungerechtes
Verhältnis zwischen den Geschlechtern geschaffen.

4. Selbstbestimmung in Haus und Staat ist das unveräußerliche
Recht jedes normalen erwachsenen Menschen und der Ausschluß der
Frauen von diesem Recht hat ihnen gegenüber zu sozialen, rechtlichen
und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten geführt und gleichfalls dazu bei-
getragen, die ökonomischen Notstände der ganzen Welt zu verschärfen.

5. Jede Regierung, die ihren weiblichen Bürgern Steuern auferlegt
und Gesetze vorschreibt, ohne ihnen dasselbe Recht der Mitbestimmung
zu gewähren, das die männlichen Bürger besitzen, übt einen Mißbrauch
der Gewalt, der mit einer gerechten Regierung unvereinbar ist.

6. Das Stimmrecht ist das einzige Mittel zur Wahrung jener per-
sönlichen Rechte auf Leben und Freiheit, wie sie die Amerikanische Un-
abhängigkeitserklärung als unveräußerlich hingestellt hat und wie sie
von allen modernen Verfassungen anerkannt werden. Darum müssen in
Ländern mit konstitutioneller Regierungsform den Frauen alle poli-
tischen Rechte und Privilegien verliehen werden.

Nachdem auch die von dem Komitee vorgelegten Satzungen ange-
nommen waren, vollzog sich am Nachmittage des 4. Juni die Gründung
des Weltbundes für Frauenstimmrecht. "Die Frauenbewegung" vom
15. Juni 1904 sagt darüber: "Es war ein ergreifender Moment, als die
Beitrittserklärung der verschiedenen Länder erfolgte und nach stattge-
fundener Wahl des Vorstandes Miss Susan B. Anthony, die 84 jährige
Greisin, nun auf das Werk ihres Lebens blicken konnte - den Zusammen-
schluß der Frauen aus den verschiedenen Ländern durch ihren unent-
wegten und mutigen Kampf erreicht zu haben. Wer diesen Moment mit
erlebt hat, wird ihn nicht vergessen. Aufrecht stehend inmitten ihrer
Gesinnungsgenossinnen, auf dem ehrwürdigen Gesichte eine tiefe Be-
wegung, mit wenigen Worten, welche von innerer Ergriffenheit zeugten,
für die brausenden Ovationen dankend, - was mochte durch die Seele
dieser Frau gehen, die einst mit Steinen geworfen worden und nun, man
kann wohl sagen, ein Weltall zu ihren Füßen sah." ...

Susan Anthony lehnte es wegen ihres hohen Alters ab den Vorsitz
zu übernehmen und wurde zur Ehrenpräsidentin, Mrs. Chapman Catt
einstimmig zur Vorsitzenden gewählt; Dr. jur. Augspurg wurde zur zwei-
ten, Mrs. Fawcett-England zur dritten Vorsitzenden gewählt, zu sonstigen
Vorstandsmitgliedern Mrs. Foster Avery-Vereinigte Staaten, Dr. phil. Käthe
Schirmacher-Paris, Frl. Naber-Holland, Miß Rodger Canliffe-England.

Folgende Länder schlossen sich dem Weltbunde an:

Vereinigte Staaten von Amerika, Deutschland, England, Holland,
Schweden, Norwegen, Viktoria (Australien).

Somit war der feste Grund gelegt für eine einheitliche Entwicklung
der Frauenstimmrechtsbewegung der ganzen Welt.

Verschiedene Vorstandsmitglieder übernahmen die Propaganda in
denjenigen Ländern, welche noch keine oder nur geringe Anfänge einer

welches mit kleinen Abänderungen zur Annahme gelangte und folgender-
maßen lautet:

1. Männer und Frauen werden als gleichermaßen freie und selbst-
ständige Glieder der menschlichen Gesellschaft geboren, gleich begabt mit
Verstand und Fähigkeiten und gleich befugt zur ungehinderten Ausübung
ihrer persönlichen Freiheit und Rechte.

2. Die natürlichen Beziehungen zwischen den Geschlechtern bestehen
in gegenseitiger Abhängigkeit und gemeinsamer Arbeit; jedwede Be-
schränkung der Freiheit eines Geschlechts schädigt ganz unvermeidlich
auch das andere und damit die ganze Menschheit.

3. Alle Gesetze, Sitten und Gebräuche, die, in welchem Lande es
auch sei, darauf hinzielen, der Frau eine abhängige Stellung zu geben,
ihre Erziehung zu beschränken, die Entwicklung ihrer natürlichen Gaben
zu hemmen, ihre Persönlichkeit unterzuordnen, haben, auf falschen Grund-
sätzen beruhend, in der modernen Welt ein gekünsteltes und ungerechtes
Verhältnis zwischen den Geschlechtern geschaffen.

4. Selbstbestimmung in Haus und Staat ist das unveräußerliche
Recht jedes normalen erwachsenen Menschen und der Ausschluß der
Frauen von diesem Recht hat ihnen gegenüber zu sozialen, rechtlichen
und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten geführt und gleichfalls dazu bei-
getragen, die ökonomischen Notstände der ganzen Welt zu verschärfen.

5. Jede Regierung, die ihren weiblichen Bürgern Steuern auferlegt
und Gesetze vorschreibt, ohne ihnen dasselbe Recht der Mitbestimmung
zu gewähren, das die männlichen Bürger besitzen, übt einen Mißbrauch
der Gewalt, der mit einer gerechten Regierung unvereinbar ist.

6. Das Stimmrecht ist das einzige Mittel zur Wahrung jener per-
sönlichen Rechte auf Leben und Freiheit, wie sie die Amerikanische Un-
abhängigkeitserklärung als unveräußerlich hingestellt hat und wie sie
von allen modernen Verfassungen anerkannt werden. Darum müssen in
Ländern mit konstitutioneller Regierungsform den Frauen alle poli-
tischen Rechte und Privilegien verliehen werden.

Nachdem auch die von dem Komitee vorgelegten Satzungen ange-
nommen waren, vollzog sich am Nachmittage des 4. Juni die Gründung
des Weltbundes für Frauenstimmrecht. „Die Frauenbewegung“ vom
15. Juni 1904 sagt darüber: „Es war ein ergreifender Moment, als die
Beitrittserklärung der verschiedenen Länder erfolgte und nach stattge-
fundener Wahl des Vorstandes Miss Susan B. Anthony, die 84 jährige
Greisin, nun auf das Werk ihres Lebens blicken konnte – den Zusammen-
schluß der Frauen aus den verschiedenen Ländern durch ihren unent-
wegten und mutigen Kampf erreicht zu haben. Wer diesen Moment mit
erlebt hat, wird ihn nicht vergessen. Aufrecht stehend inmitten ihrer
Gesinnungsgenossinnen, auf dem ehrwürdigen Gesichte eine tiefe Be-
wegung, mit wenigen Worten, welche von innerer Ergriffenheit zeugten,
für die brausenden Ovationen dankend, – was mochte durch die Seele
dieser Frau gehen, die einst mit Steinen geworfen worden und nun, man
kann wohl sagen, ein Weltall zu ihren Füßen sah.“ …

Susan Anthony lehnte es wegen ihres hohen Alters ab den Vorsitz
zu übernehmen und wurde zur Ehrenpräsidentin, Mrs. Chapman Catt
einstimmig zur Vorsitzenden gewählt; Dr. jur. Augspurg wurde zur zwei-
ten, Mrs. Fawcett-England zur dritten Vorsitzenden gewählt, zu sonstigen
Vorstandsmitgliedern Mrs. Foster Avery-Vereinigte Staaten, Dr. phil. Käthe
Schirmacher-Paris, Frl. Naber-Holland, Miß Rodger Canliffe-England.

Folgende Länder schlossen sich dem Weltbunde an:

Vereinigte Staaten von Amerika, Deutschland, England, Holland,
Schweden, Norwegen, Viktoria (Australien).

Somit war der feste Grund gelegt für eine einheitliche Entwicklung
der Frauenstimmrechtsbewegung der ganzen Welt.

Verschiedene Vorstandsmitglieder übernahmen die Propaganda in
denjenigen Ländern, welche noch keine oder nur geringe Anfänge einer

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[11/0012] welches mit kleinen Abänderungen zur Annahme gelangte und folgender- maßen lautet: 1. Männer und Frauen werden als gleichermaßen freie und selbst- ständige Glieder der menschlichen Gesellschaft geboren, gleich begabt mit Verstand und Fähigkeiten und gleich befugt zur ungehinderten Ausübung ihrer persönlichen Freiheit und Rechte. 2. Die natürlichen Beziehungen zwischen den Geschlechtern bestehen in gegenseitiger Abhängigkeit und gemeinsamer Arbeit; jedwede Be- schränkung der Freiheit eines Geschlechts schädigt ganz unvermeidlich auch das andere und damit die ganze Menschheit. 3. Alle Gesetze, Sitten und Gebräuche, die, in welchem Lande es auch sei, darauf hinzielen, der Frau eine abhängige Stellung zu geben, ihre Erziehung zu beschränken, die Entwicklung ihrer natürlichen Gaben zu hemmen, ihre Persönlichkeit unterzuordnen, haben, auf falschen Grund- sätzen beruhend, in der modernen Welt ein gekünsteltes und ungerechtes Verhältnis zwischen den Geschlechtern geschaffen. 4. Selbstbestimmung in Haus und Staat ist das unveräußerliche Recht jedes normalen erwachsenen Menschen und der Ausschluß der Frauen von diesem Recht hat ihnen gegenüber zu sozialen, rechtlichen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten geführt und gleichfalls dazu bei- getragen, die ökonomischen Notstände der ganzen Welt zu verschärfen. 5. Jede Regierung, die ihren weiblichen Bürgern Steuern auferlegt und Gesetze vorschreibt, ohne ihnen dasselbe Recht der Mitbestimmung zu gewähren, das die männlichen Bürger besitzen, übt einen Mißbrauch der Gewalt, der mit einer gerechten Regierung unvereinbar ist. 6. Das Stimmrecht ist das einzige Mittel zur Wahrung jener per- sönlichen Rechte auf Leben und Freiheit, wie sie die Amerikanische Un- abhängigkeitserklärung als unveräußerlich hingestellt hat und wie sie von allen modernen Verfassungen anerkannt werden. Darum müssen in Ländern mit konstitutioneller Regierungsform den Frauen alle poli- tischen Rechte und Privilegien verliehen werden. Nachdem auch die von dem Komitee vorgelegten Satzungen ange- nommen waren, vollzog sich am Nachmittage des 4. Juni die Gründung des Weltbundes für Frauenstimmrecht. „Die Frauenbewegung“ vom 15. Juni 1904 sagt darüber: „Es war ein ergreifender Moment, als die Beitrittserklärung der verschiedenen Länder erfolgte und nach stattge- fundener Wahl des Vorstandes Miss Susan B. Anthony, die 84 jährige Greisin, nun auf das Werk ihres Lebens blicken konnte – den Zusammen- schluß der Frauen aus den verschiedenen Ländern durch ihren unent- wegten und mutigen Kampf erreicht zu haben. Wer diesen Moment mit erlebt hat, wird ihn nicht vergessen. Aufrecht stehend inmitten ihrer Gesinnungsgenossinnen, auf dem ehrwürdigen Gesichte eine tiefe Be- wegung, mit wenigen Worten, welche von innerer Ergriffenheit zeugten, für die brausenden Ovationen dankend, – was mochte durch die Seele dieser Frau gehen, die einst mit Steinen geworfen worden und nun, man kann wohl sagen, ein Weltall zu ihren Füßen sah.“ … Susan Anthony lehnte es wegen ihres hohen Alters ab den Vorsitz zu übernehmen und wurde zur Ehrenpräsidentin, Mrs. Chapman Catt einstimmig zur Vorsitzenden gewählt; Dr. jur. Augspurg wurde zur zwei- ten, Mrs. Fawcett-England zur dritten Vorsitzenden gewählt, zu sonstigen Vorstandsmitgliedern Mrs. Foster Avery-Vereinigte Staaten, Dr. phil. Käthe Schirmacher-Paris, Frl. Naber-Holland, Miß Rodger Canliffe-England. Folgende Länder schlossen sich dem Weltbunde an: Vereinigte Staaten von Amerika, Deutschland, England, Holland, Schweden, Norwegen, Viktoria (Australien). Somit war der feste Grund gelegt für eine einheitliche Entwicklung der Frauenstimmrechtsbewegung der ganzen Welt. Verschiedene Vorstandsmitglieder übernahmen die Propaganda in denjenigen Ländern, welche noch keine oder nur geringe Anfänge einer

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen : Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-10T14:02:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-10T14:02:09Z)

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Zitationshilfe: Welczeck, Adelheid von: Das Frauenstimmrecht in den verschiedenen Ländern. Gautzsch b. Leipzig, 1908 (= Kultur und Fortschritt, Bd. 135), S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/welczeck_frauenstimmrecht_1908/12>, abgerufen am 24.11.2024.