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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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Ursache den neun Spencer'schen hinzugefügt werden
muss; meiner Meinung nach aber ist sie die Hauptursache.
Die Function der Zelle hängt in erster Linie
von ihrer Constitution ab, und alles Andere
kommt in zweiter
. In meinem XII. Aufsatz ist es aus-
führlich dargestellt, wie weibliche sowohl als männliche
Keimzellen des Pferdespulwurms sich ganz gesetzmässig
durch eine bestimmte Zahl von Theilungen vermehren und
dann unfähig werden, sich noch weiter zu theilen. Erst be-
ginnen die Urkeimzellen mit mehreren Theilungen, dann
kommt eine lange Unterbrechung der Vermehrung, die Ur-
keimzellen wachsen und werden zu Mutterzellen. Nun erst
folgt wieder eine Periode der Vermehrung, indem sich jede
Zelle rasch hintereinander zweimal theilt, und dann hört
die Fähigkeit zu weiterer Vermehrung auf, sowohl bei der
reifen Samenzelle, als bei der Eizelle. Welche der neun
Spencer'schen Ursachen mag an diesem gesetzmässigen
Rythmus wohl die Schuld tragen? Die Qualität der Er-
nährung vielleicht? Allein diese bleibt sich gleich während
der ganzen Zeit, der Keimstock des Thieres schwimmt im
Blut, und während die erstgebildeten Keimzellen schon die
Reife erlangt haben, bilden sich andere erst zu Mutterzellen
aus u. s. w. Oder ist das Verhältniss der Masse der Zelle zu ihrer
Oberfläche daran Schuld? Aber die reife Eizelle vermag
sich nicht zu vervielfältigen und dennoch, sobald die win-
zige Masse der Samenzelle hinzugekommen ist, fängt sie an,
sich fort und fort zu theilen, und in einem ganz anderen und
neuen Sinn, der auch nirgends anders, als in ihrer eigenen
lebendigen Substanz seinen Grund haben kann. Oder muss
ich auch noch daran erinnern, dass es Eier gibt, bei denen

Ursache den neun Spencer’schen hinzugefügt werden
muss; meiner Meinung nach aber ist sie die Hauptursache.
Die Function der Zelle hängt in erster Linie
von ihrer Constitution ab, und alles Andere
kommt in zweiter
. In meinem XII. Aufsatz ist es aus-
führlich dargestellt, wie weibliche sowohl als männliche
Keimzellen des Pferdespulwurms sich ganz gesetzmässig
durch eine bestimmte Zahl von Theilungen vermehren und
dann unfähig werden, sich noch weiter zu theilen. Erst be-
ginnen die Urkeimzellen mit mehreren Theilungen, dann
kommt eine lange Unterbrechung der Vermehrung, die Ur-
keimzellen wachsen und werden zu Mutterzellen. Nun erst
folgt wieder eine Periode der Vermehrung, indem sich jede
Zelle rasch hintereinander zweimal theilt, und dann hört
die Fähigkeit zu weiterer Vermehrung auf, sowohl bei der
reifen Samenzelle, als bei der Eizelle. Welche der neun
Spencer’schen Ursachen mag an diesem gesetzmässigen
Rythmus wohl die Schuld tragen? Die Qualität der Er-
nährung vielleicht? Allein diese bleibt sich gleich während
der ganzen Zeit, der Keimstock des Thieres schwimmt im
Blut, und während die erstgebildeten Keimzellen schon die
Reife erlangt haben, bilden sich andere erst zu Mutterzellen
aus u. s. w. Oder ist das Verhältniss der Masse der Zelle zu ihrer
Oberfläche daran Schuld? Aber die reife Eizelle vermag
sich nicht zu vervielfältigen und dennoch, sobald die win-
zige Masse der Samenzelle hinzugekommen ist, fängt sie an,
sich fort und fort zu theilen, und in einem ganz anderen und
neuen Sinn, der auch nirgends anders, als in ihrer eigenen
lebendigen Substanz seinen Grund haben kann. Oder muss
ich auch noch daran erinnern, dass es Eier gibt, bei denen

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[78/0090] Ursache den neun Spencer’schen hinzugefügt werden muss; meiner Meinung nach aber ist sie die Hauptursache. Die Function der Zelle hängt in erster Linie von ihrer Constitution ab, und alles Andere kommt in zweiter. In meinem XII. Aufsatz ist es aus- führlich dargestellt, wie weibliche sowohl als männliche Keimzellen des Pferdespulwurms sich ganz gesetzmässig durch eine bestimmte Zahl von Theilungen vermehren und dann unfähig werden, sich noch weiter zu theilen. Erst be- ginnen die Urkeimzellen mit mehreren Theilungen, dann kommt eine lange Unterbrechung der Vermehrung, die Ur- keimzellen wachsen und werden zu Mutterzellen. Nun erst folgt wieder eine Periode der Vermehrung, indem sich jede Zelle rasch hintereinander zweimal theilt, und dann hört die Fähigkeit zu weiterer Vermehrung auf, sowohl bei der reifen Samenzelle, als bei der Eizelle. Welche der neun Spencer’schen Ursachen mag an diesem gesetzmässigen Rythmus wohl die Schuld tragen? Die Qualität der Er- nährung vielleicht? Allein diese bleibt sich gleich während der ganzen Zeit, der Keimstock des Thieres schwimmt im Blut, und während die erstgebildeten Keimzellen schon die Reife erlangt haben, bilden sich andere erst zu Mutterzellen aus u. s. w. Oder ist das Verhältniss der Masse der Zelle zu ihrer Oberfläche daran Schuld? Aber die reife Eizelle vermag sich nicht zu vervielfältigen und dennoch, sobald die win- zige Masse der Samenzelle hinzugekommen ist, fängt sie an, sich fort und fort zu theilen, und in einem ganz anderen und neuen Sinn, der auch nirgends anders, als in ihrer eigenen lebendigen Substanz seinen Grund haben kann. Oder muss ich auch noch daran erinnern, dass es Eier gibt, bei denen

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/90>, abgerufen am 26.11.2024.