Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.welches da einsetzt, wo die vermeintliche Vererbung func- welches da einsetzt, wo die vermeintliche Vererbung func- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0075" n="63"/> welches da einsetzt, wo die vermeintliche Vererbung func-<lb/> tioneller Abänderungen im Stiche lässt, sondern es ist das<lb/> Hauptprincip der Abänderung der Organismen, neben wel-<lb/> chem die primäre Variation, wie sie durch directe Ein-<lb/> wirkung äusserer Einflüsse auf das Keimplasma entsteht,<lb/> direct nur in sehr untergeordneter Weise in Betracht kommt.<lb/> Denn der Organismus besteht, wie ich schon früher sagte,<lb/> aus Anpassungen, neuen, älteren und uralten, und was an<lb/> primären Variationen in der Physiognomie der Arten etwa<lb/> mitspielt, ist wenig und von untergeordneter Bedeutung.<lb/> Ich halte deshalb die Entdeckung der Naturzüchtung für<lb/> eine der fundamentalsten, die auf dem Gebiete des Lebens<lb/> jemals gemacht worden ist, eine Entdeckung, die allein ge-<lb/> nügt, den Namen <hi rendition="#g">Charles Darwin</hi> und <hi rendition="#g">Alfred Wal-<lb/> lace</hi> die Unsterblichkeit zu sichern, und wenn meine Gegner<lb/> mich als „Ultra-Darwinisten“ hinstellen, der das Princip<lb/> des grossen Forschers ins Einseitige übertreibt, so macht<lb/> das vielleicht auf manche ängstliche Gemüther Eindruck,<lb/> welche das „juste-milieu“ überall schon im voraus für das<lb/> Richtige halten, allein mir scheint, dass man niemals schon<lb/> a priori sagen kann, wie weit ein Erklärungsprincip reicht,<lb/><hi rendition="#g">es muss erst versucht werden</hi>, und diesen Versuch<lb/> gemacht zu haben, das ist mein Verbrechen oder mein Ver-<lb/> dienst. Erst sehr allmälig habe ich die ganze Tragweite<lb/> des Selectionsprincips erkennen gelernt und bin allerdings<lb/> dadurch über die <hi rendition="#g">Darwin’s</hi>chen Vorstellungen hinaus-<lb/> geführt worden. Der Fortschritt in der Wissenschaft geht<lb/> meist einher mit dem Kampf gegen festgewurzelte Vor-<lb/> urtheile; ein solches war die Annahme einer Vererbung<lb/> erworbener Abänderungen. Jetzt, nachdem dasselbe glücklich<lb/> überwunden ist, lässt sich erst die ganze Tragweite der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0075]
welches da einsetzt, wo die vermeintliche Vererbung func-
tioneller Abänderungen im Stiche lässt, sondern es ist das
Hauptprincip der Abänderung der Organismen, neben wel-
chem die primäre Variation, wie sie durch directe Ein-
wirkung äusserer Einflüsse auf das Keimplasma entsteht,
direct nur in sehr untergeordneter Weise in Betracht kommt.
Denn der Organismus besteht, wie ich schon früher sagte,
aus Anpassungen, neuen, älteren und uralten, und was an
primären Variationen in der Physiognomie der Arten etwa
mitspielt, ist wenig und von untergeordneter Bedeutung.
Ich halte deshalb die Entdeckung der Naturzüchtung für
eine der fundamentalsten, die auf dem Gebiete des Lebens
jemals gemacht worden ist, eine Entdeckung, die allein ge-
nügt, den Namen Charles Darwin und Alfred Wal-
lace die Unsterblichkeit zu sichern, und wenn meine Gegner
mich als „Ultra-Darwinisten“ hinstellen, der das Princip
des grossen Forschers ins Einseitige übertreibt, so macht
das vielleicht auf manche ängstliche Gemüther Eindruck,
welche das „juste-milieu“ überall schon im voraus für das
Richtige halten, allein mir scheint, dass man niemals schon
a priori sagen kann, wie weit ein Erklärungsprincip reicht,
es muss erst versucht werden, und diesen Versuch
gemacht zu haben, das ist mein Verbrechen oder mein Ver-
dienst. Erst sehr allmälig habe ich die ganze Tragweite
des Selectionsprincips erkennen gelernt und bin allerdings
dadurch über die Darwin’schen Vorstellungen hinaus-
geführt worden. Der Fortschritt in der Wissenschaft geht
meist einher mit dem Kampf gegen festgewurzelte Vor-
urtheile; ein solches war die Annahme einer Vererbung
erworbener Abänderungen. Jetzt, nachdem dasselbe glücklich
überwunden ist, lässt sich erst die ganze Tragweite der
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