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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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Zungenspitze jemals den Ausschlag darüber gegeben hat,
wer untergehen und wer überleben soll, so kann der Eine
mit demselben Recht darauf bejahend, wie der Andere ver-
neinend antworten. Der Eine findet es leicht vorzustellen,
der Andere schwer, und keines von beiden Urtheilen kann
die Entscheidung in der Sache geben.

So könnte man auch fragen: Glauben Sie, dass eine
leichte Schattirung ins Graue, wenn sie bei den Eiern eines
Vogels mit grauer Umgebung des Nestes auftritt, den Sieg
davon tragen wird über die ursprüngliche weisse Farbe?
Darauf würden wohl Viele heute mit "Ja", Einige aber
sicherlich auch mit "Nein" antworten, und meiner Meinung
nach würden Beide im Unrecht sein, denn woher sollten
wir den Selectionswerth dieser Variation kennen?

Fahren wir aber fort, zu fragen: Glauben Sie, dass
eine Raubfliegenvariation mit einer Facette mehr an den
Netzaugen, als die übrigen Artgenossen, daraus einen so
grossen Vortheil zieht, dass sie mehr Nachkommen hinter-
lassen wird, als ihre anderen Artgenossen? Oder müssten
es zwei Facetten mehr sein, oder würde der Selections-
werth erst bei einer Differenz von zehn Facetten erreicht?
Wer kann behaupten, dass er darüber etwas sagen könnte?
Und dennoch haben wir keine andere Erklärung für die
auffallende genaue Anpassung der Netzaugen bei allen In-
secten an ihre Lebensbedingungen, als Naturzüchtung.

So könnte man ins Unendliche weiter fragen, ohne
jemals eine sichere Antwort zu bekommen. Noch eine
Frage sei mir gestattet, die uns wieder zu unserem Thema,
den Ameisen, zurückführen wird: Glauben Sie, dass die
feinen Bürstchen an den verbreiterten Metatarsen der Honig-
biene dadurch entstanden sind, dass kleine Variationen der

Zungenspitze jemals den Ausschlag darüber gegeben hat,
wer untergehen und wer überleben soll, so kann der Eine
mit demselben Recht darauf bejahend, wie der Andere ver-
neinend antworten. Der Eine findet es leicht vorzustellen,
der Andere schwer, und keines von beiden Urtheilen kann
die Entscheidung in der Sache geben.

So könnte man auch fragen: Glauben Sie, dass eine
leichte Schattirung ins Graue, wenn sie bei den Eiern eines
Vogels mit grauer Umgebung des Nestes auftritt, den Sieg
davon tragen wird über die ursprüngliche weisse Farbe?
Darauf würden wohl Viele heute mit „Ja“, Einige aber
sicherlich auch mit „Nein“ antworten, und meiner Meinung
nach würden Beide im Unrecht sein, denn woher sollten
wir den Selectionswerth dieser Variation kennen?

Fahren wir aber fort, zu fragen: Glauben Sie, dass
eine Raubfliegenvariation mit einer Facette mehr an den
Netzaugen, als die übrigen Artgenossen, daraus einen so
grossen Vortheil zieht, dass sie mehr Nachkommen hinter-
lassen wird, als ihre anderen Artgenossen? Oder müssten
es zwei Facetten mehr sein, oder würde der Selections-
werth erst bei einer Differenz von zehn Facetten erreicht?
Wer kann behaupten, dass er darüber etwas sagen könnte?
Und dennoch haben wir keine andere Erklärung für die
auffallende genaue Anpassung der Netzaugen bei allen In-
secten an ihre Lebensbedingungen, als Naturzüchtung.

So könnte man ins Unendliche weiter fragen, ohne
jemals eine sichere Antwort zu bekommen. Noch eine
Frage sei mir gestattet, die uns wieder zu unserem Thema,
den Ameisen, zurückführen wird: Glauben Sie, dass die
feinen Bürstchen an den verbreiterten Metatarsen der Honig-
biene dadurch entstanden sind, dass kleine Variationen der

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[36/0048] Zungenspitze jemals den Ausschlag darüber gegeben hat, wer untergehen und wer überleben soll, so kann der Eine mit demselben Recht darauf bejahend, wie der Andere ver- neinend antworten. Der Eine findet es leicht vorzustellen, der Andere schwer, und keines von beiden Urtheilen kann die Entscheidung in der Sache geben. So könnte man auch fragen: Glauben Sie, dass eine leichte Schattirung ins Graue, wenn sie bei den Eiern eines Vogels mit grauer Umgebung des Nestes auftritt, den Sieg davon tragen wird über die ursprüngliche weisse Farbe? Darauf würden wohl Viele heute mit „Ja“, Einige aber sicherlich auch mit „Nein“ antworten, und meiner Meinung nach würden Beide im Unrecht sein, denn woher sollten wir den Selectionswerth dieser Variation kennen? Fahren wir aber fort, zu fragen: Glauben Sie, dass eine Raubfliegenvariation mit einer Facette mehr an den Netzaugen, als die übrigen Artgenossen, daraus einen so grossen Vortheil zieht, dass sie mehr Nachkommen hinter- lassen wird, als ihre anderen Artgenossen? Oder müssten es zwei Facetten mehr sein, oder würde der Selections- werth erst bei einer Differenz von zehn Facetten erreicht? Wer kann behaupten, dass er darüber etwas sagen könnte? Und dennoch haben wir keine andere Erklärung für die auffallende genaue Anpassung der Netzaugen bei allen In- secten an ihre Lebensbedingungen, als Naturzüchtung. So könnte man ins Unendliche weiter fragen, ohne jemals eine sichere Antwort zu bekommen. Noch eine Frage sei mir gestattet, die uns wieder zu unserem Thema, den Ameisen, zurückführen wird: Glauben Sie, dass die feinen Bürstchen an den verbreiterten Metatarsen der Honig- biene dadurch entstanden sind, dass kleine Variationen der

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/48>, abgerufen am 27.11.2024.