aus ihres Gleichen entstehen und zwar durch Theilung. Was aber für die uns bekannten selbständigen Lebewesen gilt, das mus gelten für alle die verschiedenen Stufen von Lebens- einheiten, die sich zu höheren Lebewesen verbunden haben, denn die ersten und niedersten Organismen können keine andern gewesen sein, als solche vom Werth eines einzelnen Bio- phors. Wenn wir nun auch zur Erklärung des Lebens auf unserer Erde die Annahme machen müssen, dass solche Einzel- Biophoren einstens durch Urzeugung entstanden sind, so muss ihnen doch -- sofort nach ihrer Entstehung -- die Fähigkeit der Fortpflanzung durch Theilung innegewohnt haben, weil diese unmittelbar aus den Grundkräften des Lebens: Assimilation und Wachsthum hervorgeht. Nur diese allereinfachsten Bio- phoren dürfen wir uns überhaupt als durch Urzeugung ent- standen vorstellen, alle späteren und complicirteren Bio- phoren-Arten können nur auf Grund von Anpassung an neue Lebensbedingungen entstanden sein und zwar allmählich durch die lange dauernde Zusammenwirkung von Vererbung und Selection. Alle diese höheren und auf specielle Existenzbedingungen eingerichtete Biophoren-Arten, wie sie in unendlicher Mannigfaltigkeit die für uns sichtbaren Lebewesen zusammensetzen, besitzen "historische" Eigenschaften, können somit nur aus ihres Gleichen und nicht "von selbst" entstehen. Damit stimmt die Erfahrung. Wie de Vries bereits und kürz- lich Wiesner dargelegt haben, entsteht nicht nur die Zelle stets aus einer Zelle, der Kern aus einem Kern, sondern auch die übrigen Organe und Theilchen, welche als structurbestimmend im Zellkörper vorkommen, entstehen nie, soweit wir sehen, durch "generatio aequivoca", oder wie de Vries sich ausdrückt "neogenetisch", sondern vielmehr durch Theilung schon vor- handener ähnlicher Gebilde. So verhält es sich -- wie es scheint -- mit den Chromatophoren der grünen Pflanzenzellen
aus ihres Gleichen entstehen und zwar durch Theilung. Was aber für die uns bekannten selbständigen Lebewesen gilt, das mus gelten für alle die verschiedenen Stufen von Lebens- einheiten, die sich zu höheren Lebewesen verbunden haben, denn die ersten und niedersten Organismen können keine andern gewesen sein, als solche vom Werth eines einzelnen Bio- phors. Wenn wir nun auch zur Erklärung des Lebens auf unserer Erde die Annahme machen müssen, dass solche Einzel- Biophoren einstens durch Urzeugung entstanden sind, so muss ihnen doch — sofort nach ihrer Entstehung — die Fähigkeit der Fortpflanzung durch Theilung innegewohnt haben, weil diese unmittelbar aus den Grundkräften des Lebens: Assimilation und Wachsthum hervorgeht. Nur diese allereinfachsten Bio- phoren dürfen wir uns überhaupt als durch Urzeugung ent- standen vorstellen, alle späteren und complicirteren Bio- phoren-Arten können nur auf Grund von Anpassung an neue Lebensbedingungen entstanden sein und zwar allmählich durch die lange dauernde Zusammenwirkung von Vererbung und Selection. Alle diese höheren und auf specielle Existenzbedingungen eingerichtete Biophoren-Arten, wie sie in unendlicher Mannigfaltigkeit die für uns sichtbaren Lebewesen zusammensetzen, besitzen „historische“ Eigenschaften, können somit nur aus ihres Gleichen und nicht „von selbst“ entstehen. Damit stimmt die Erfahrung. Wie de Vries bereits und kürz- lich Wiesner dargelegt haben, entsteht nicht nur die Zelle stets aus einer Zelle, der Kern aus einem Kern, sondern auch die übrigen Organe und Theilchen, welche als structurbestimmend im Zellkörper vorkommen, entstehen nie, soweit wir sehen, durch „generatio aequivoca“, oder wie de Vries sich ausdrückt „neogenetisch“, sondern vielmehr durch Theilung schon vor- handener ähnlicher Gebilde. So verhält es sich — wie es scheint — mit den Chromatophoren der grünen Pflanzenzellen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0088"n="64"/>
aus ihres Gleichen entstehen und zwar durch Theilung. Was<lb/>
aber für die uns bekannten selbständigen Lebewesen gilt, das<lb/>
mus gelten <hirendition="#g">für alle die verschiedenen Stufen von Lebens-<lb/>
einheiten</hi>, die sich zu höheren Lebewesen verbunden haben,<lb/>
denn die ersten und niedersten Organismen können keine andern<lb/>
gewesen sein, als <hirendition="#g">solche vom Werth eines einzelnen Bio-<lb/>
phors</hi>. Wenn wir nun auch zur Erklärung des Lebens auf<lb/>
unserer Erde die Annahme machen müssen, dass solche Einzel-<lb/>
Biophoren einstens durch Urzeugung entstanden sind, so muss<lb/>
ihnen doch — sofort nach ihrer Entstehung — die Fähigkeit<lb/>
der Fortpflanzung durch Theilung innegewohnt haben, weil<lb/>
diese unmittelbar aus den Grundkräften des Lebens: Assimilation<lb/>
und Wachsthum hervorgeht. Nur diese allereinfachsten Bio-<lb/>
phoren dürfen wir uns überhaupt als durch Urzeugung ent-<lb/>
standen vorstellen, <hirendition="#g">alle späteren und complicirteren Bio-<lb/>
phoren-Arten können nur auf Grund von Anpassung<lb/>
an neue Lebensbedingungen entstanden sein</hi> und zwar<lb/>
allmählich durch die lange dauernde Zusammenwirkung von<lb/>
Vererbung und Selection. Alle diese höheren und auf specielle<lb/>
Existenzbedingungen eingerichtete Biophoren-Arten, wie sie in<lb/>
unendlicher Mannigfaltigkeit die für uns sichtbaren Lebewesen<lb/>
zusammensetzen, besitzen „<hirendition="#g">historische</hi>“ Eigenschaften, können<lb/>
somit nur aus ihres Gleichen und nicht „von selbst“ entstehen.<lb/>
Damit stimmt die Erfahrung. Wie <hirendition="#g">de Vries</hi> bereits und kürz-<lb/>
lich <hirendition="#g">Wiesner</hi> dargelegt haben, entsteht nicht nur die Zelle<lb/>
stets aus einer Zelle, der Kern aus einem Kern, sondern auch<lb/>
die übrigen Organe und Theilchen, welche als structurbestimmend<lb/>
im Zellkörper vorkommen, entstehen nie, soweit wir sehen,<lb/>
durch „generatio aequivoca“, oder wie <hirendition="#g">de Vries</hi> sich ausdrückt<lb/>„neogenetisch“, sondern vielmehr durch Theilung schon vor-<lb/>
handener ähnlicher Gebilde. So verhält es sich — wie es<lb/>
scheint — mit den Chromatophoren der grünen Pflanzenzellen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[64/0088]
aus ihres Gleichen entstehen und zwar durch Theilung. Was
aber für die uns bekannten selbständigen Lebewesen gilt, das
mus gelten für alle die verschiedenen Stufen von Lebens-
einheiten, die sich zu höheren Lebewesen verbunden haben,
denn die ersten und niedersten Organismen können keine andern
gewesen sein, als solche vom Werth eines einzelnen Bio-
phors. Wenn wir nun auch zur Erklärung des Lebens auf
unserer Erde die Annahme machen müssen, dass solche Einzel-
Biophoren einstens durch Urzeugung entstanden sind, so muss
ihnen doch — sofort nach ihrer Entstehung — die Fähigkeit
der Fortpflanzung durch Theilung innegewohnt haben, weil
diese unmittelbar aus den Grundkräften des Lebens: Assimilation
und Wachsthum hervorgeht. Nur diese allereinfachsten Bio-
phoren dürfen wir uns überhaupt als durch Urzeugung ent-
standen vorstellen, alle späteren und complicirteren Bio-
phoren-Arten können nur auf Grund von Anpassung
an neue Lebensbedingungen entstanden sein und zwar
allmählich durch die lange dauernde Zusammenwirkung von
Vererbung und Selection. Alle diese höheren und auf specielle
Existenzbedingungen eingerichtete Biophoren-Arten, wie sie in
unendlicher Mannigfaltigkeit die für uns sichtbaren Lebewesen
zusammensetzen, besitzen „historische“ Eigenschaften, können
somit nur aus ihres Gleichen und nicht „von selbst“ entstehen.
Damit stimmt die Erfahrung. Wie de Vries bereits und kürz-
lich Wiesner dargelegt haben, entsteht nicht nur die Zelle
stets aus einer Zelle, der Kern aus einem Kern, sondern auch
die übrigen Organe und Theilchen, welche als structurbestimmend
im Zellkörper vorkommen, entstehen nie, soweit wir sehen,
durch „generatio aequivoca“, oder wie de Vries sich ausdrückt
„neogenetisch“, sondern vielmehr durch Theilung schon vor-
handener ähnlicher Gebilde. So verhält es sich — wie es
scheint — mit den Chromatophoren der grünen Pflanzenzellen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/88>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.