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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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schlecht ausfällt, wie z. B. die Flügel bei vielen weiblichen
Schmetterlingen.

Die Zahl der Doppeldeterminanten steigert sich aufs Höchste,
wenn die beiden Geschlechter vollständig verschieden sind in
allen Theilen, wie z. B. bei Bonellia viridis; aber auch hier
kann noch eine Anzahl einfacher Determinanten vorhanden
sein, falls, wie dies in diesem Falle zutrifft, das Larvenstadium
für beide Geschlechter gleich ist.

Die Annahme von Doppeldeterminanten ist im Stande, auch
gewisse räthselvolle Vererbungserscheinungen beim Menschen
einigermassen verständlich zu machen. Die Bluterkrankheit
tritt, wie lange bekannt, nur beim Manne auf, wird aber durch
das Weib vererbt. Nimmt man an, dass nicht nur die sicht-
baren
sexuellen Unterschiede auf Doppeldeterminanten beruhen,
sondern dass sexuelle Unterschiede auch in Organsystemen ent-
halten sind, wo wir sie nicht unmittelbar erkennen können, so
erklärt sich diese sonderbare Beschränkung der seltnen Krank-
heit auf nur ein Geschlecht; die Krankheit vererbt sich dann,
wie ein sekundärer Sexualcharakter nur auf das Geschlecht, in
dem sie zuerst entstanden ist, denn nur diese Hälfte der
Doppeldeterminante des "Mesoblast-Keimes" hat sich
krankhaft verändert
.

Auch der sexuelle Polymorphismus mancher Schmetter-
linge lässt sich durch Doppeldeterminanten mehrerer Lokalrassen
derselben Art verstehen, welche sich miteinander in verschiedner
Weise kreuzen, dagegen verlangt der Polymorphismus der Biene
und anderer staatenbildenden Thiere die Annahme drei- und vier-
fach gespaltener Determinanten. Hier wird die weibliche Hälfte
der Doppeldeterminante selbst wieder doppelt und auch die
männliche kann es werden (Termiten).

Schliesslich findet auch der zeitliche Dimorphismus, wie
der Saison-Dimorphismus seine idioplasmatische Erklärung in
Doppeldeterminanten.

schlecht ausfällt, wie z. B. die Flügel bei vielen weiblichen
Schmetterlingen.

Die Zahl der Doppeldeterminanten steigert sich aufs Höchste,
wenn die beiden Geschlechter vollständig verschieden sind in
allen Theilen, wie z. B. bei Bonellia viridis; aber auch hier
kann noch eine Anzahl einfacher Determinanten vorhanden
sein, falls, wie dies in diesem Falle zutrifft, das Larvenstadium
für beide Geschlechter gleich ist.

Die Annahme von Doppeldeterminanten ist im Stande, auch
gewisse räthselvolle Vererbungserscheinungen beim Menschen
einigermassen verständlich zu machen. Die Bluterkrankheit
tritt, wie lange bekannt, nur beim Manne auf, wird aber durch
das Weib vererbt. Nimmt man an, dass nicht nur die sicht-
baren
sexuellen Unterschiede auf Doppeldeterminanten beruhen,
sondern dass sexuelle Unterschiede auch in Organsystemen ent-
halten sind, wo wir sie nicht unmittelbar erkennen können, so
erklärt sich diese sonderbare Beschränkung der seltnen Krank-
heit auf nur ein Geschlecht; die Krankheit vererbt sich dann,
wie ein sekundärer Sexualcharakter nur auf das Geschlecht, in
dem sie zuerst entstanden ist, denn nur diese Hälfte der
Doppeldeterminante des „Mesoblast-Keimes“ hat sich
krankhaft verändert
.

Auch der sexuelle Polymorphismus mancher Schmetter-
linge lässt sich durch Doppeldeterminanten mehrerer Lokalrassen
derselben Art verstehen, welche sich miteinander in verschiedner
Weise kreuzen, dagegen verlangt der Polymorphismus der Biene
und anderer staatenbildenden Thiere die Annahme drei- und vier-
fach gespaltener Determinanten. Hier wird die weibliche Hälfte
der Doppeldeterminante selbst wieder doppelt und auch die
männliche kann es werden (Termiten).

Schliesslich findet auch der zeitliche Dimorphismus, wie
der Saison-Dimorphismus seine idioplasmatische Erklärung in
Doppeldeterminanten.

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[607/0631] schlecht ausfällt, wie z. B. die Flügel bei vielen weiblichen Schmetterlingen. Die Zahl der Doppeldeterminanten steigert sich aufs Höchste, wenn die beiden Geschlechter vollständig verschieden sind in allen Theilen, wie z. B. bei Bonellia viridis; aber auch hier kann noch eine Anzahl einfacher Determinanten vorhanden sein, falls, wie dies in diesem Falle zutrifft, das Larvenstadium für beide Geschlechter gleich ist. Die Annahme von Doppeldeterminanten ist im Stande, auch gewisse räthselvolle Vererbungserscheinungen beim Menschen einigermassen verständlich zu machen. Die Bluterkrankheit tritt, wie lange bekannt, nur beim Manne auf, wird aber durch das Weib vererbt. Nimmt man an, dass nicht nur die sicht- baren sexuellen Unterschiede auf Doppeldeterminanten beruhen, sondern dass sexuelle Unterschiede auch in Organsystemen ent- halten sind, wo wir sie nicht unmittelbar erkennen können, so erklärt sich diese sonderbare Beschränkung der seltnen Krank- heit auf nur ein Geschlecht; die Krankheit vererbt sich dann, wie ein sekundärer Sexualcharakter nur auf das Geschlecht, in dem sie zuerst entstanden ist, denn nur diese Hälfte der Doppeldeterminante des „Mesoblast-Keimes“ hat sich krankhaft verändert. Auch der sexuelle Polymorphismus mancher Schmetter- linge lässt sich durch Doppeldeterminanten mehrerer Lokalrassen derselben Art verstehen, welche sich miteinander in verschiedner Weise kreuzen, dagegen verlangt der Polymorphismus der Biene und anderer staatenbildenden Thiere die Annahme drei- und vier- fach gespaltener Determinanten. Hier wird die weibliche Hälfte der Doppeldeterminante selbst wieder doppelt und auch die männliche kann es werden (Termiten). Schliesslich findet auch der zeitliche Dimorphismus, wie der Saison-Dimorphismus seine idioplasmatische Erklärung in Doppeldeterminanten.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/631>, abgerufen am 25.11.2024.