selben Individuums doch ganz verschiedene Combinationen von Idanten enthalten. Die Folge davon ist die Ungleichheit der Kinder eines Elternpaares, oder allgemeiner: die ungeheure Mannigfaltigkeit der Mischung individueller Unterschiede.
Bei dem Aufbau des neuen Individuums aus der befruchteten Eizelle wird die Ontogenese von den Iden der beiden Eltern geleitet, welche das Keimplasma zusammensetzen. Sehr häufig kommen dabei Mittelbildungen zu Stande, aber doch nur dann, wenn sich völlig homologe Ide gegenüberstehen, und wenn die- selben die gleiche "bestimmende Kraft" besitzen. Die Letztere hängt nicht nur davon ab, ob die von den bestimmenden De- terminanten in den Zellkörper ausgesendeten Biophoren mit gleicher Stärke sich vermehren und die schon vorhandenen Biophoren unterdrücken, sondern auch davon, wie zahlreich auf jeder Elternseite völlig gleiche Determinanten vorhanden sind. Je zahlreicher die "homodynamen" Determinanten sind, eine um so grössere bestimmende Wirkung können sie auf die Zelle ausüben, und wenn von Seiten des einen Elters eine grössere Zahl homodynamer Determinanten vielen heterodynamen des andern Elters gegenübersteht, so siegt die Erstere. Auf diese Weise wird das Überwiegen des einen Elters in der Vererbung verständlich, sei es, dass solches sich nur auf einzelne Theile, oder auf den ganzen Organismus beziehe.
Mit der Befruchtung, d. h. mit dem Zusammentreten der vom Vater und von der Mutter in den betreffenden Keimzellen enthaltenen Iden ist die Bestimmung des Kindes gegeben; die Mischung der elterlichen und Ahnen-Charaktere ist damit im Voraus bestimmt, und spätere Einflüsse können daran Nichts mehr ändern. Das beweisen die identischen Zwillinge und die Pflanzenbastarde, bei welch Letzteren die Individuen, welche durch Kreuzung zweier konstanter Arten erzeugt wurden, so constant dieselbe Mischung der Merkmale zeigen, als ob sie
selben Individuums doch ganz verschiedene Combinationen von Idanten enthalten. Die Folge davon ist die Ungleichheit der Kinder eines Elternpaares, oder allgemeiner: die ungeheure Mannigfaltigkeit der Mischung individueller Unterschiede.
Bei dem Aufbau des neuen Individuums aus der befruchteten Eizelle wird die Ontogenese von den Iden der beiden Eltern geleitet, welche das Keimplasma zusammensetzen. Sehr häufig kommen dabei Mittelbildungen zu Stande, aber doch nur dann, wenn sich völlig homologe Ide gegenüberstehen, und wenn die- selben die gleiche „bestimmende Kraft“ besitzen. Die Letztere hängt nicht nur davon ab, ob die von den bestimmenden De- terminanten in den Zellkörper ausgesendeten Biophoren mit gleicher Stärke sich vermehren und die schon vorhandenen Biophoren unterdrücken, sondern auch davon, wie zahlreich auf jeder Elternseite völlig gleiche Determinanten vorhanden sind. Je zahlreicher die „homodynamen“ Determinanten sind, eine um so grössere bestimmende Wirkung können sie auf die Zelle ausüben, und wenn von Seiten des einen Elters eine grössere Zahl homodynamer Determinanten vielen heterodynamen des andern Elters gegenübersteht, so siegt die Erstere. Auf diese Weise wird das Überwiegen des einen Elters in der Vererbung verständlich, sei es, dass solches sich nur auf einzelne Theile, oder auf den ganzen Organismus beziehe.
Mit der Befruchtung, d. h. mit dem Zusammentreten der vom Vater und von der Mutter in den betreffenden Keimzellen enthaltenen Iden ist die Bestimmung des Kindes gegeben; die Mischung der elterlichen und Ahnen-Charaktere ist damit im Voraus bestimmt, und spätere Einflüsse können daran Nichts mehr ändern. Das beweisen die identischen Zwillinge und die Pflanzenbastarde, bei welch Letzteren die Individuen, welche durch Kreuzung zweier konstanter Arten erzeugt wurden, so constant dieselbe Mischung der Merkmale zeigen, als ob sie
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selben Individuums doch ganz verschiedene Combinationen von
Idanten enthalten. Die Folge davon ist die Ungleichheit der
Kinder eines Elternpaares, oder allgemeiner: die ungeheure
Mannigfaltigkeit der Mischung individueller Unterschiede.
Bei dem Aufbau des neuen Individuums aus der befruchteten
Eizelle wird die Ontogenese von den Iden der beiden Eltern
geleitet, welche das Keimplasma zusammensetzen. Sehr häufig
kommen dabei Mittelbildungen zu Stande, aber doch nur dann,
wenn sich völlig homologe Ide gegenüberstehen, und wenn die-
selben die gleiche „bestimmende Kraft“ besitzen. Die Letztere
hängt nicht nur davon ab, ob die von den bestimmenden De-
terminanten in den Zellkörper ausgesendeten Biophoren mit
gleicher Stärke sich vermehren und die schon vorhandenen
Biophoren unterdrücken, sondern auch davon, wie zahlreich auf
jeder Elternseite völlig gleiche Determinanten vorhanden sind.
Je zahlreicher die „homodynamen“ Determinanten sind, eine
um so grössere bestimmende Wirkung können sie auf die Zelle
ausüben, und wenn von Seiten des einen Elters eine grössere
Zahl homodynamer Determinanten vielen heterodynamen des
andern Elters gegenübersteht, so siegt die Erstere. Auf diese
Weise wird das Überwiegen des einen Elters in der Vererbung
verständlich, sei es, dass solches sich nur auf einzelne Theile,
oder auf den ganzen Organismus beziehe.
Mit der Befruchtung, d. h. mit dem Zusammentreten der
vom Vater und von der Mutter in den betreffenden Keimzellen
enthaltenen Iden ist die Bestimmung des Kindes gegeben; die
Mischung der elterlichen und Ahnen-Charaktere ist damit im
Voraus bestimmt, und spätere Einflüsse können daran Nichts
mehr ändern. Das beweisen die identischen Zwillinge und die
Pflanzenbastarde, bei welch Letzteren die Individuen, welche
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/626>, abgerufen am 25.11.2024.
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