bis zu einem gewissen Grad richtig, sie ist es aber nicht, wenn damit gemeint ist, es existire eine besondere Kraft, welche die Regeneration besorge und welche allgemein mit der Höhe der Organisation abnehme. Möchte man sich auch diese "Kraft" als eine mechanisch-physiologische vorstellen, sie könnte doch nicht als eine primäre Eigenschaft des lebenden Organismus gelten, gewissermassen als ein unvermeidlicher Ausfluss des Lebens selbst, sondern müsste als eine besondere Anpassung aufgefasst werden.
An die Regeneration schliesst sich eng an die Fortpflan- zung durch Theilung; sie setzt denselben idioplasmatischen Apparat voraus, nur meist auf einer noch höheren Stufe der Ausbildung; Theilung wird phylogenetisch aus der Regeneration entstanden sein.
Verschieden von der Vermehrung durch Theilung nach Ursprung und Erscheinung ist die durch Knospung. Bei Pflanzen und Cölenteraten geht dieselbe von einer Zelle aus, welche somit sämmtliche Determinanten der Art in einer Zusammenstellung enthalten muss, welche der des Keimplasma's im befruchteten Ei sehr nahe kommt. Schon bei den Bryo- zoen aber nimmt die Knospung nicht von einer Zelle ihren Ausgang, sondern mindestens von zweien, wahrscheinlich von mehreren, welche zwei verschiedenen Zelllagen (Keimblättern) des Körpers angehören, und bei den Mantelthieren bezieht die Knospe ihr Material sogar aus allen drei Keimblättern.
Bei der ersten Art der Knospung muss die idioplasmatische Wurzel derselben in einer Beimischung gebundenen Keim- plasma's beruhen, welche von der befruchteten Eizelle aus ge- wissen Zellfolgen der Ontogenese beigegeben wird als in- aktives "Neben- oder Knospungs-Idioplasma". Bei den Pflanzen ist es die Scheitelzelle des Sprosses, welche dieses Knospungs-Keimplasma enthält, bei den Hydroidpolypen sind es Zellen des Ektoderms.
bis zu einem gewissen Grad richtig, sie ist es aber nicht, wenn damit gemeint ist, es existire eine besondere Kraft, welche die Regeneration besorge und welche allgemein mit der Höhe der Organisation abnehme. Möchte man sich auch diese „Kraft“ als eine mechanisch-physiologische vorstellen, sie könnte doch nicht als eine primäre Eigenschaft des lebenden Organismus gelten, gewissermassen als ein unvermeidlicher Ausfluss des Lebens selbst, sondern müsste als eine besondere Anpassung aufgefasst werden.
An die Regeneration schliesst sich eng an die Fortpflan- zung durch Theilung; sie setzt denselben idioplasmatischen Apparat voraus, nur meist auf einer noch höheren Stufe der Ausbildung; Theilung wird phylogenetisch aus der Regeneration entstanden sein.
Verschieden von der Vermehrung durch Theilung nach Ursprung und Erscheinung ist die durch Knospung. Bei Pflanzen und Cölenteraten geht dieselbe von einer Zelle aus, welche somit sämmtliche Determinanten der Art in einer Zusammenstellung enthalten muss, welche der des Keimplasma’s im befruchteten Ei sehr nahe kommt. Schon bei den Bryo- zoen aber nimmt die Knospung nicht von einer Zelle ihren Ausgang, sondern mindestens von zweien, wahrscheinlich von mehreren, welche zwei verschiedenen Zelllagen (Keimblättern) des Körpers angehören, und bei den Mantelthieren bezieht die Knospe ihr Material sogar aus allen drei Keimblättern.
Bei der ersten Art der Knospung muss die idioplasmatische Wurzel derselben in einer Beimischung gebundenen Keim- plasma’s beruhen, welche von der befruchteten Eizelle aus ge- wissen Zellfolgen der Ontogenese beigegeben wird als in- aktives „Neben- oder Knospungs-Idioplasma“. Bei den Pflanzen ist es die Scheitelzelle des Sprosses, welche dieses Knospungs-Keimplasma enthält, bei den Hydroidpolypen sind es Zellen des Ektoderms.
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bis zu einem gewissen Grad richtig, sie ist es aber nicht, wenn
damit gemeint ist, es existire eine besondere Kraft, welche die
Regeneration besorge und welche allgemein mit der Höhe der
Organisation abnehme. Möchte man sich auch diese „Kraft“ als
eine mechanisch-physiologische vorstellen, sie könnte doch nicht
als eine primäre Eigenschaft des lebenden Organismus gelten,
gewissermassen als ein unvermeidlicher Ausfluss des Lebens selbst,
sondern müsste als eine besondere Anpassung aufgefasst werden.
An die Regeneration schliesst sich eng an die Fortpflan-
zung durch Theilung; sie setzt denselben idioplasmatischen
Apparat voraus, nur meist auf einer noch höheren Stufe der
Ausbildung; Theilung wird phylogenetisch aus der Regeneration
entstanden sein.
Verschieden von der Vermehrung durch Theilung nach
Ursprung und Erscheinung ist die durch Knospung. Bei
Pflanzen und Cölenteraten geht dieselbe von einer Zelle
aus, welche somit sämmtliche Determinanten der Art in einer
Zusammenstellung enthalten muss, welche der des Keimplasma’s
im befruchteten Ei sehr nahe kommt. Schon bei den Bryo-
zoen aber nimmt die Knospung nicht von einer Zelle ihren
Ausgang, sondern mindestens von zweien, wahrscheinlich von
mehreren, welche zwei verschiedenen Zelllagen (Keimblättern)
des Körpers angehören, und bei den Mantelthieren bezieht die
Knospe ihr Material sogar aus allen drei Keimblättern.
Bei der ersten Art der Knospung muss die idioplasmatische
Wurzel derselben in einer Beimischung gebundenen Keim-
plasma’s beruhen, welche von der befruchteten Eizelle aus ge-
wissen Zellfolgen der Ontogenese beigegeben wird als in-
aktives „Neben- oder Knospungs-Idioplasma“. Bei
den Pflanzen ist es die Scheitelzelle des Sprosses, welche dieses
Knospungs-Keimplasma enthält, bei den Hydroidpolypen sind
es Zellen des Ektoderms.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/623>, abgerufen am 22.11.2024.
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