in seiner weitesten Bedeutung genommen, also inclusive Tem- peratur-Verschiedenheiten u. s. w. Für diese Auffassung spricht nicht nur theoretische Überlegung, welche dieser Annahme nur die einer innern phyletischen Entwickelungskraft gegenüber zu stellen hätte, sondern auch die Erfahrung. Denn alle Be- obachtungen stimmen darin überein, dass Knospen-Variationen am leichtesten vorkommen, wenn eine Pflanze in abnormale Lebensbedingungen versetzt, vor Allem, wenn sie cultivirt wird. Da die direkte Veränderung des Soma's, wie solche Bedingungen sie hervorrufen, nicht erblich sind (Nägeli) und es nicht sein können, da somatische Abänderungen nur dann vererbt werden, wenn sie vom Keim ausgehen, so bleibt nur die Annahme einer Abänderung einiger oder vieler Determinanten des Keimplasma's durch Ungleichheiten der Ernährung übrig.
Dafür, dass Knospen-Variationen aus derselben Wurzel hervorgehen, wie Samen-Variationen, spricht auch die Beobach- tung, dass stets solche Arten am häufigsten Knospen-Varia- tionen hervorbringen, welche auch durch Samen schon vielfach variirt haben (Darwin a. a. O.), das heisst also, idioplasmatisch ausgedrückt: solche Arten, deren homologe Determi- nanten schon recht verschiedenartig sind.
Damit indessen, dass wir diese Variationen auf Ernährungs- Einflüsse beziehen, welche irgend welche Determinanten des Keimplasma's im Laufe ihres Wachsthums und ihrer Vermehrung zu zuerst leichten, dann bei Andauern desselben Einflusses stärkeren Abweichungen veranlassen, ist der Vorgang noch nicht völlig aufgeklärt. Vielmehr tritt zunächst die Frage uns entgegen, wieso denn durch die Abänderungs-Einflüsse nur eine bestimmte Knospe verändert werden kann, während alle andern unverändert bleiben, die doch von demselben Einfluss getroffen werden. Es muss also zu dem abändernden Einfluss noch Etwas hinzukommen, damit Abänderung wirklich eintrete.
37*
in seiner weitesten Bedeutung genommen, also inclusive Tem- peratur-Verschiedenheiten u. s. w. Für diese Auffassung spricht nicht nur theoretische Überlegung, welche dieser Annahme nur die einer innern phyletischen Entwickelungskraft gegenüber zu stellen hätte, sondern auch die Erfahrung. Denn alle Be- obachtungen stimmen darin überein, dass Knospen-Variationen am leichtesten vorkommen, wenn eine Pflanze in abnormale Lebensbedingungen versetzt, vor Allem, wenn sie cultivirt wird. Da die direkte Veränderung des Soma’s, wie solche Bedingungen sie hervorrufen, nicht erblich sind (Nägeli) und es nicht sein können, da somatische Abänderungen nur dann vererbt werden, wenn sie vom Keim ausgehen, so bleibt nur die Annahme einer Abänderung einiger oder vieler Determinanten des Keimplasma’s durch Ungleichheiten der Ernährung übrig.
Dafür, dass Knospen-Variationen aus derselben Wurzel hervorgehen, wie Samen-Variationen, spricht auch die Beobach- tung, dass stets solche Arten am häufigsten Knospen-Varia- tionen hervorbringen, welche auch durch Samen schon vielfach variirt haben (Darwin a. a. O.), das heisst also, idioplasmatisch ausgedrückt: solche Arten, deren homologe Determi- nanten schon recht verschiedenartig sind.
Damit indessen, dass wir diese Variationen auf Ernährungs- Einflüsse beziehen, welche irgend welche Determinanten des Keimplasma’s im Laufe ihres Wachsthums und ihrer Vermehrung zu zuerst leichten, dann bei Andauern desselben Einflusses stärkeren Abweichungen veranlassen, ist der Vorgang noch nicht völlig aufgeklärt. Vielmehr tritt zunächst die Frage uns entgegen, wieso denn durch die Abänderungs-Einflüsse nur eine bestimmte Knospe verändert werden kann, während alle andern unverändert bleiben, die doch von demselben Einfluss getroffen werden. Es muss also zu dem abändernden Einfluss noch Etwas hinzukommen, damit Abänderung wirklich eintrete.
37*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0603"n="579"/>
in seiner weitesten Bedeutung genommen, also inclusive Tem-<lb/>
peratur-Verschiedenheiten u. s. w. Für diese Auffassung spricht<lb/>
nicht nur theoretische Überlegung, welche dieser Annahme nur<lb/>
die einer innern phyletischen Entwickelungskraft gegenüber zu<lb/>
stellen hätte, sondern auch die Erfahrung. Denn alle Be-<lb/>
obachtungen stimmen darin überein, dass Knospen-Variationen<lb/>
am leichtesten vorkommen, wenn eine Pflanze in abnormale<lb/>
Lebensbedingungen versetzt, vor Allem, wenn sie cultivirt wird.<lb/>
Da die direkte Veränderung des Soma’s, wie solche Bedingungen<lb/>
sie hervorrufen, nicht erblich sind (<hirendition="#g">Nägeli</hi>) und es nicht sein<lb/><hirendition="#g">können</hi>, da somatische Abänderungen nur dann vererbt werden,<lb/>
wenn sie vom Keim ausgehen, so bleibt nur die Annahme einer<lb/>
Abänderung einiger oder vieler Determinanten des Keimplasma’s<lb/>
durch Ungleichheiten der Ernährung übrig.</p><lb/><p>Dafür, dass Knospen-Variationen aus derselben Wurzel<lb/>
hervorgehen, wie Samen-Variationen, spricht auch die Beobach-<lb/>
tung, dass stets solche Arten am häufigsten Knospen-Varia-<lb/>
tionen hervorbringen, welche auch durch Samen schon vielfach<lb/>
variirt haben (<hirendition="#g">Darwin</hi> a. a. O.), das heisst also, idioplasmatisch<lb/>
ausgedrückt: <hirendition="#g">solche Arten, deren homologe Determi-<lb/>
nanten schon recht verschiedenartig sind</hi>.</p><lb/><p>Damit indessen, dass wir diese Variationen auf Ernährungs-<lb/>
Einflüsse beziehen, welche irgend welche Determinanten des<lb/>
Keimplasma’s im Laufe ihres Wachsthums und ihrer Vermehrung<lb/>
zu zuerst leichten, dann bei Andauern desselben Einflusses<lb/>
stärkeren Abweichungen veranlassen, ist der Vorgang noch<lb/>
nicht völlig aufgeklärt. Vielmehr tritt zunächst die Frage uns<lb/>
entgegen, wieso denn durch die Abänderungs-Einflüsse nur <hirendition="#g">eine<lb/>
bestimmte</hi> Knospe verändert werden kann, während alle andern<lb/>
unverändert bleiben, die doch von demselben Einfluss getroffen<lb/>
werden. Es muss also zu dem abändernden Einfluss noch Etwas<lb/>
hinzukommen, damit Abänderung wirklich eintrete.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">37*</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[579/0603]
in seiner weitesten Bedeutung genommen, also inclusive Tem-
peratur-Verschiedenheiten u. s. w. Für diese Auffassung spricht
nicht nur theoretische Überlegung, welche dieser Annahme nur
die einer innern phyletischen Entwickelungskraft gegenüber zu
stellen hätte, sondern auch die Erfahrung. Denn alle Be-
obachtungen stimmen darin überein, dass Knospen-Variationen
am leichtesten vorkommen, wenn eine Pflanze in abnormale
Lebensbedingungen versetzt, vor Allem, wenn sie cultivirt wird.
Da die direkte Veränderung des Soma’s, wie solche Bedingungen
sie hervorrufen, nicht erblich sind (Nägeli) und es nicht sein
können, da somatische Abänderungen nur dann vererbt werden,
wenn sie vom Keim ausgehen, so bleibt nur die Annahme einer
Abänderung einiger oder vieler Determinanten des Keimplasma’s
durch Ungleichheiten der Ernährung übrig.
Dafür, dass Knospen-Variationen aus derselben Wurzel
hervorgehen, wie Samen-Variationen, spricht auch die Beobach-
tung, dass stets solche Arten am häufigsten Knospen-Varia-
tionen hervorbringen, welche auch durch Samen schon vielfach
variirt haben (Darwin a. a. O.), das heisst also, idioplasmatisch
ausgedrückt: solche Arten, deren homologe Determi-
nanten schon recht verschiedenartig sind.
Damit indessen, dass wir diese Variationen auf Ernährungs-
Einflüsse beziehen, welche irgend welche Determinanten des
Keimplasma’s im Laufe ihres Wachsthums und ihrer Vermehrung
zu zuerst leichten, dann bei Andauern desselben Einflusses
stärkeren Abweichungen veranlassen, ist der Vorgang noch
nicht völlig aufgeklärt. Vielmehr tritt zunächst die Frage uns
entgegen, wieso denn durch die Abänderungs-Einflüsse nur eine
bestimmte Knospe verändert werden kann, während alle andern
unverändert bleiben, die doch von demselben Einfluss getroffen
werden. Es muss also zu dem abändernden Einfluss noch Etwas
hinzukommen, damit Abänderung wirklich eintrete.
37*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 579. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/603>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.