würde dann eine Illustration zum Verfahren der Naturzüchtung gewesen sein. Noch leichter würde eine Züchtung in um- gekehrtem Sinne gelungen sein, so nämlich, dass die Art con- stant geblieben, und alle fernere Variation nach dieser Richtung unterdrückt worden wäre. Denn offenbar erfolgte hier die Ver- änderung schwer und langsam, und die meisten Determinanten waren wenig disponirt zu ihr, wie denn gerade diese Versuche aufs Neue den oben aufgestellten Satz erhärten, dass die Ele- mente des Keimplasma's sich nur schwer und langsam ver- ändern; sie schwanken nur in winzigen Oscillationen hin und her, aber es bedarf langer Einwirkung immer wieder in gleicher Richtung wirkender Abänderungs-Einflüsse, ehe sie dauernd eine grössere Veränderung annehmen.
Gewiss ist damit nicht gesagt, dass es nicht auch Ein- flüsse des Mediums und der Ernährung giebt, welche bei langer Einwirkung im Stande sind, die Determinanten gewisser Körper- theile in ihrer grossen Mehrzahl zu verändern und so rein klimatische Variationen hervorzurufen, an deren Entstehung Naturzüchtung keinen Antheil hat. Viele, vielleicht die meisten "klimatischen" Abarten werden deshalb mit Recht ihren Namen tragen.
Aber nicht nur bei geschlechtlich erzeugten ganzen Pflanzen treten solche sprungweise Varianten auf, sondern auch bei einzelnen Sprossen einer Pflanze. Diese Knospen-Varia- tionen kommen selten vor, wo sie aber vorkommen, lassen sie sich durch Stecklinge oder Pfropfreiser vervielfältigen, manch- mal auch durch Samen.
Als ich vor einer Reihe von Jahren die Ansicht geäussert hatte, dass die geschlechtliche Fortpflanzung in die lebende Natur eingeführt sei, um die Variabilität zu erhalten, welche von den Urwesen her vorhanden sei, da hielt man mir von mehreren Seiten her die Thatsachen der Knospen-Variation ent-
Weismann, Das Keimplasma. 37
würde dann eine Illustration zum Verfahren der Naturzüchtung gewesen sein. Noch leichter würde eine Züchtung in um- gekehrtem Sinne gelungen sein, so nämlich, dass die Art con- stant geblieben, und alle fernere Variation nach dieser Richtung unterdrückt worden wäre. Denn offenbar erfolgte hier die Ver- änderung schwer und langsam, und die meisten Determinanten waren wenig disponirt zu ihr, wie denn gerade diese Versuche aufs Neue den oben aufgestellten Satz erhärten, dass die Ele- mente des Keimplasma’s sich nur schwer und langsam ver- ändern; sie schwanken nur in winzigen Oscillationen hin und her, aber es bedarf langer Einwirkung immer wieder in gleicher Richtung wirkender Abänderungs-Einflüsse, ehe sie dauernd eine grössere Veränderung annehmen.
Gewiss ist damit nicht gesagt, dass es nicht auch Ein- flüsse des Mediums und der Ernährung giebt, welche bei langer Einwirkung im Stande sind, die Determinanten gewisser Körper- theile in ihrer grossen Mehrzahl zu verändern und so rein klimatische Variationen hervorzurufen, an deren Entstehung Naturzüchtung keinen Antheil hat. Viele, vielleicht die meisten „klimatischen“ Abarten werden deshalb mit Recht ihren Namen tragen.
Aber nicht nur bei geschlechtlich erzeugten ganzen Pflanzen treten solche sprungweise Varianten auf, sondern auch bei einzelnen Sprossen einer Pflanze. Diese Knospen-Varia- tionen kommen selten vor, wo sie aber vorkommen, lassen sie sich durch Stecklinge oder Pfropfreiser vervielfältigen, manch- mal auch durch Samen.
Als ich vor einer Reihe von Jahren die Ansicht geäussert hatte, dass die geschlechtliche Fortpflanzung in die lebende Natur eingeführt sei, um die Variabilität zu erhalten, welche von den Urwesen her vorhanden sei, da hielt man mir von mehreren Seiten her die Thatsachen der Knospen-Variation ent-
Weismann, Das Keimplasma. 37
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0601"n="577"/>
würde dann eine Illustration zum Verfahren der Naturzüchtung<lb/>
gewesen sein. Noch leichter würde eine Züchtung in um-<lb/>
gekehrtem Sinne gelungen sein, so nämlich, dass die Art con-<lb/>
stant geblieben, und alle fernere Variation nach dieser Richtung<lb/>
unterdrückt worden wäre. Denn offenbar erfolgte hier die Ver-<lb/>
änderung schwer und langsam, und die meisten Determinanten<lb/>
waren wenig disponirt zu ihr, wie denn gerade diese Versuche<lb/>
aufs Neue den oben aufgestellten Satz erhärten, dass die Ele-<lb/>
mente des Keimplasma’s sich nur schwer und langsam ver-<lb/>
ändern; sie schwanken nur in winzigen Oscillationen hin und<lb/>
her, aber es bedarf langer Einwirkung immer wieder in gleicher<lb/>
Richtung wirkender Abänderungs-Einflüsse, ehe sie <hirendition="#g">dauernd</hi><lb/>
eine grössere Veränderung annehmen.</p><lb/><p>Gewiss ist damit nicht gesagt, dass es nicht auch Ein-<lb/>
flüsse des Mediums und der Ernährung giebt, welche bei langer<lb/>
Einwirkung im Stande sind, die Determinanten gewisser Körper-<lb/>
theile in ihrer grossen Mehrzahl zu verändern und so rein<lb/>
klimatische Variationen hervorzurufen, an deren Entstehung<lb/>
Naturzüchtung keinen Antheil hat. Viele, vielleicht die meisten<lb/>„klimatischen“ Abarten werden deshalb mit Recht ihren Namen<lb/>
tragen.</p><lb/><p>Aber nicht nur bei geschlechtlich erzeugten <hirendition="#g">ganzen</hi><lb/>
Pflanzen treten solche sprungweise Varianten auf, sondern auch<lb/>
bei einzelnen Sprossen einer Pflanze. Diese <hirendition="#g">Knospen-Varia-<lb/>
tionen</hi> kommen selten vor, wo sie aber vorkommen, lassen sie<lb/>
sich durch Stecklinge oder Pfropfreiser vervielfältigen, manch-<lb/>
mal auch durch Samen.</p><lb/><p>Als ich vor einer Reihe von Jahren die Ansicht geäussert<lb/>
hatte, dass die geschlechtliche Fortpflanzung in die lebende<lb/>
Natur eingeführt sei, um die Variabilität zu erhalten, welche<lb/>
von den Urwesen her vorhanden sei, da hielt man mir von<lb/>
mehreren Seiten her die Thatsachen der Knospen-Variation ent-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Weismann</hi>, Das Keimplasma. 37</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[577/0601]
würde dann eine Illustration zum Verfahren der Naturzüchtung
gewesen sein. Noch leichter würde eine Züchtung in um-
gekehrtem Sinne gelungen sein, so nämlich, dass die Art con-
stant geblieben, und alle fernere Variation nach dieser Richtung
unterdrückt worden wäre. Denn offenbar erfolgte hier die Ver-
änderung schwer und langsam, und die meisten Determinanten
waren wenig disponirt zu ihr, wie denn gerade diese Versuche
aufs Neue den oben aufgestellten Satz erhärten, dass die Ele-
mente des Keimplasma’s sich nur schwer und langsam ver-
ändern; sie schwanken nur in winzigen Oscillationen hin und
her, aber es bedarf langer Einwirkung immer wieder in gleicher
Richtung wirkender Abänderungs-Einflüsse, ehe sie dauernd
eine grössere Veränderung annehmen.
Gewiss ist damit nicht gesagt, dass es nicht auch Ein-
flüsse des Mediums und der Ernährung giebt, welche bei langer
Einwirkung im Stande sind, die Determinanten gewisser Körper-
theile in ihrer grossen Mehrzahl zu verändern und so rein
klimatische Variationen hervorzurufen, an deren Entstehung
Naturzüchtung keinen Antheil hat. Viele, vielleicht die meisten
„klimatischen“ Abarten werden deshalb mit Recht ihren Namen
tragen.
Aber nicht nur bei geschlechtlich erzeugten ganzen
Pflanzen treten solche sprungweise Varianten auf, sondern auch
bei einzelnen Sprossen einer Pflanze. Diese Knospen-Varia-
tionen kommen selten vor, wo sie aber vorkommen, lassen sie
sich durch Stecklinge oder Pfropfreiser vervielfältigen, manch-
mal auch durch Samen.
Als ich vor einer Reihe von Jahren die Ansicht geäussert
hatte, dass die geschlechtliche Fortpflanzung in die lebende
Natur eingeführt sei, um die Variabilität zu erhalten, welche
von den Urwesen her vorhanden sei, da hielt man mir von
mehreren Seiten her die Thatsachen der Knospen-Variation ent-
Weismann, Das Keimplasma. 37
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/601>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.