sich durch Theilung verdoppeln können, sondern auch einzelne zusammengehörige Gruppen von Determinanten, wie sie als Anlage irgend eines Organs, z. B. einer Feder im Keimplasma enthalten sein müssen. Doch ist dies eine jener specielleren Fragen, auf die näher einzutreten späteren Unter- suchungen vorbehalten bleiben kann. Ich halte es für sehr möglich, dass manche angeborne Missbildungen auf einer solchen Verdoppelung einer Determinantengruppe beruhen; so z. B. die zuweilen vorkommende Verdopplung des Tarsus- abschnittes bei Käfern und andern Insekten, vielleicht auch die so viel besprochenen und umstrittenen überzähligen Finger und Zehen beim Menschen. An und für sich wäre zwar in der Auffassung dieser letzteren Erscheinung als Rückschlag "auf einen enorm entfernten, niedrig organisirten und viel- fingrigen Urahn" nichts Unmögliches enthalten, da wir andere Rückschläge auf weit zurückliegende Ahnenformen kennen. Allein keiner der sicheren Fälle von Rückschlag auf Ahnen- charaktere geht über so ungeheure Zeiten und Generationsfolgen hinweg, wie sie in diesem Falle angenommen werden müssten. Die Zebrastreifung der Maulthiere deutet auf einen Urahn der Ordnung der Pferde zurück, und wir müssen daraus schliessen, dass in einigen der heutigen Pferde und Esel immer noch einzelne "Zebra-Determinanten" im Keimplasma enthalten sind. Noch weiter zurück reicht der oben besprochene Rückschlag auf die dreizehigen Stammeltern der heutigen Pferde, aber noch entferntere Rückschläge lassen sich wohl nicht mit irgend welcher Sicherheit nachweisen, und es ist auch vom theoretischen Stand- punkte aus nicht wahrscheinlich, dass sich von den so ungeheuer weit zurückliegenden "Ursäugethieren" noch irgend welche De- terminantengruppen im Keimplasma des Menschen erhalten haben sollten. Nun ist es aber nicht einmal gewiss, ob die Ursäuge- thiere mehr Finger und Zehen gehabt haben, als fünf, und wir
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sich durch Theilung verdoppeln können, sondern auch einzelne zusammengehörige Gruppen von Determinanten, wie sie als Anlage irgend eines Organs, z. B. einer Feder im Keimplasma enthalten sein müssen. Doch ist dies eine jener specielleren Fragen, auf die näher einzutreten späteren Unter- suchungen vorbehalten bleiben kann. Ich halte es für sehr möglich, dass manche angeborne Missbildungen auf einer solchen Verdoppelung einer Determinantengruppe beruhen; so z. B. die zuweilen vorkommende Verdopplung des Tarsus- abschnittes bei Käfern und andern Insekten, vielleicht auch die so viel besprochenen und umstrittenen überzähligen Finger und Zehen beim Menschen. An und für sich wäre zwar in der Auffassung dieser letzteren Erscheinung als Rückschlag „auf einen enorm entfernten, niedrig organisirten und viel- fingrigen Urahn“ nichts Unmögliches enthalten, da wir andere Rückschläge auf weit zurückliegende Ahnenformen kennen. Allein keiner der sicheren Fälle von Rückschlag auf Ahnen- charaktere geht über so ungeheure Zeiten und Generationsfolgen hinweg, wie sie in diesem Falle angenommen werden müssten. Die Zebrastreifung der Maulthiere deutet auf einen Urahn der Ordnung der Pferde zurück, und wir müssen daraus schliessen, dass in einigen der heutigen Pferde und Esel immer noch einzelne „Zebra-Determinanten“ im Keimplasma enthalten sind. Noch weiter zurück reicht der oben besprochene Rückschlag auf die dreizehigen Stammeltern der heutigen Pferde, aber noch entferntere Rückschläge lassen sich wohl nicht mit irgend welcher Sicherheit nachweisen, und es ist auch vom theoretischen Stand- punkte aus nicht wahrscheinlich, dass sich von den so ungeheuer weit zurückliegenden „Ursäugethieren“ noch irgend welche De- terminantengruppen im Keimplasma des Menschen erhalten haben sollten. Nun ist es aber nicht einmal gewiss, ob die Ursäuge- thiere mehr Finger und Zehen gehabt haben, als fünf, und wir
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sich durch Theilung verdoppeln können, sondern auch einzelne
zusammengehörige Gruppen von Determinanten, wie
sie als Anlage irgend eines Organs, z. B. einer Feder im
Keimplasma enthalten sein müssen. Doch ist dies eine jener
specielleren Fragen, auf die näher einzutreten späteren Unter-
suchungen vorbehalten bleiben kann. Ich halte es für sehr
möglich, dass manche angeborne Missbildungen auf einer
solchen Verdoppelung einer Determinantengruppe beruhen; so
z. B. die zuweilen vorkommende Verdopplung des Tarsus-
abschnittes bei Käfern und andern Insekten, vielleicht auch
die so viel besprochenen und umstrittenen überzähligen Finger
und Zehen beim Menschen. An und für sich wäre zwar
in der Auffassung dieser letzteren Erscheinung als Rückschlag
„auf einen enorm entfernten, niedrig organisirten und viel-
fingrigen Urahn“ nichts Unmögliches enthalten, da wir andere
Rückschläge auf weit zurückliegende Ahnenformen kennen.
Allein keiner der sicheren Fälle von Rückschlag auf Ahnen-
charaktere geht über so ungeheure Zeiten und Generationsfolgen
hinweg, wie sie in diesem Falle angenommen werden müssten.
Die Zebrastreifung der Maulthiere deutet auf einen Urahn der
Ordnung der Pferde zurück, und wir müssen daraus schliessen,
dass in einigen der heutigen Pferde und Esel immer noch
einzelne „Zebra-Determinanten“ im Keimplasma enthalten sind.
Noch weiter zurück reicht der oben besprochene Rückschlag
auf die dreizehigen Stammeltern der heutigen Pferde, aber noch
entferntere Rückschläge lassen sich wohl nicht mit irgend welcher
Sicherheit nachweisen, und es ist auch vom theoretischen Stand-
punkte aus nicht wahrscheinlich, dass sich von den so ungeheuer
weit zurückliegenden „Ursäugethieren“ noch irgend welche De-
terminantengruppen im Keimplasma des Menschen erhalten haben
sollten. Nun ist es aber nicht einmal gewiss, ob die Ursäuge-
thiere mehr Finger und Zehen gehabt haben, als fünf, und wir
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/587>, abgerufen am 22.11.2024.
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