sich paaren, so würde nach obiger Formel das Kind
[Formel 1]
erhalten, d. h. wieder 2 a, also keine Steigerung. Dazu kommt noch, dass der reale Sinn des Wortes "Halbirung" dabei völlig unklar bliebe. V. Hensen1) meinte, "die Eltern vererbten ihre Eigenschaften halbirt", da "nur so aus den beiden gleichen halben Vererbungen das Gleiche entstehen könne". In gewissem Sinne ist er dabei auf der richtigen Spur, wie ich glaube, nur nicht in dem Sinne, dass es sich dabei um die Halbirung einer einheitlichen Anlage handelt.
Die Lösung des Räthsels liegt in der Vielheit der Ide und Determinanten, und dem Auseinanderhalten des unbe- stimmten Begriffes der "Eigenschaft" und des bestimmten der Determinate oder des Vererbungsstückes. Jede Determi- nate wird durch so viele Determinanten bestimmt, als Ide im Keimplasma vorhanden sind. Nun wird aber die Hälfte der Ide jedes Elters durch die Reductionstheilung aus dem Keim- plasma seiner Keimzelle entfernt, und damit auch die Hälfte der homologen Determinanten jeder Art. Nicht etwa die Hälfte der Anlagen wird dadurch beseitigt; im Gegentheil sehen wir ja durch die "scheinbar einelterliche" Vererbung, dass jeder Elter die sämmtlichen Anlagen seines Organismus auf den Nach- kommen überträgt; aber jede Anlage ist nur durch die halbe Zahl von Determinanten vertreten.
Von dieser theoretischen Basis aus lassen sich die Er- fahrungen der Züchter ganz wohl verstehen. "Gleiches mit Gleichem verbunden giebt Gleiches", so lautet ihr vor- nehmlichster Erfahrungssatz, der überall da richtig sein wird, wo zwei Individuen sich verbinden, die die betreffenden Cha- raktere als von langeher überkommenes Erbstück besitzen. Denn ein solches muss im Keimplasma in einer grossen Majorität
1) Physiologie der Zeugung.
sich paaren, so würde nach obiger Formel das Kind
[Formel 1]
erhalten, d. h. wieder 2 a, also keine Steigerung. Dazu kommt noch, dass der reale Sinn des Wortes „Halbirung“ dabei völlig unklar bliebe. V. Hensen1) meinte, „die Eltern vererbten ihre Eigenschaften halbirt“, da „nur so aus den beiden gleichen halben Vererbungen das Gleiche entstehen könne“. In gewissem Sinne ist er dabei auf der richtigen Spur, wie ich glaube, nur nicht in dem Sinne, dass es sich dabei um die Halbirung einer einheitlichen Anlage handelt.
Die Lösung des Räthsels liegt in der Vielheit der Ide und Determinanten, und dem Auseinanderhalten des unbe- stimmten Begriffes der „Eigenschaft“ und des bestimmten der Determinate oder des Vererbungsstückes. Jede Determi- nate wird durch so viele Determinanten bestimmt, als Ide im Keimplasma vorhanden sind. Nun wird aber die Hälfte der Ide jedes Elters durch die Reductionstheilung aus dem Keim- plasma seiner Keimzelle entfernt, und damit auch die Hälfte der homologen Determinanten jeder Art. Nicht etwa die Hälfte der Anlagen wird dadurch beseitigt; im Gegentheil sehen wir ja durch die „scheinbar einelterliche“ Vererbung, dass jeder Elter die sämmtlichen Anlagen seines Organismus auf den Nach- kommen überträgt; aber jede Anlage ist nur durch die halbe Zahl von Determinanten vertreten.
Von dieser theoretischen Basis aus lassen sich die Er- fahrungen der Züchter ganz wohl verstehen. „Gleiches mit Gleichem verbunden giebt Gleiches“, so lautet ihr vor- nehmlichster Erfahrungssatz, der überall da richtig sein wird, wo zwei Individuen sich verbinden, die die betreffenden Cha- raktere als von langeher überkommenes Erbstück besitzen. Denn ein solches muss im Keimplasma in einer grossen Majorität
1) Physiologie der Zeugung.
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sich paaren, so würde nach obiger Formel das Kind [FORMEL]
erhalten, d. h. wieder 2 a, also keine Steigerung. Dazu kommt
noch, dass der reale Sinn des Wortes „Halbirung“ dabei völlig
unklar bliebe. V. Hensen 1) meinte, „die Eltern vererbten ihre
Eigenschaften halbirt“, da „nur so aus den beiden gleichen
halben Vererbungen das Gleiche entstehen könne“. In gewissem
Sinne ist er dabei auf der richtigen Spur, wie ich glaube, nur
nicht in dem Sinne, dass es sich dabei um die Halbirung einer
einheitlichen Anlage handelt.
Die Lösung des Räthsels liegt in der Vielheit der Ide
und Determinanten, und dem Auseinanderhalten des unbe-
stimmten Begriffes der „Eigenschaft“ und des bestimmten
der Determinate oder des Vererbungsstückes. Jede Determi-
nate wird durch so viele Determinanten bestimmt, als Ide im
Keimplasma vorhanden sind. Nun wird aber die Hälfte der
Ide jedes Elters durch die Reductionstheilung aus dem Keim-
plasma seiner Keimzelle entfernt, und damit auch die Hälfte
der homologen Determinanten jeder Art. Nicht etwa die
Hälfte der Anlagen wird dadurch beseitigt; im Gegentheil sehen
wir ja durch die „scheinbar einelterliche“ Vererbung, dass jeder
Elter die sämmtlichen Anlagen seines Organismus auf den Nach-
kommen überträgt; aber jede Anlage ist nur durch die
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Von dieser theoretischen Basis aus lassen sich die Er-
fahrungen der Züchter ganz wohl verstehen. „Gleiches mit
Gleichem verbunden giebt Gleiches“, so lautet ihr vor-
nehmlichster Erfahrungssatz, der überall da richtig sein wird,
wo zwei Individuen sich verbinden, die die betreffenden Cha-
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 557. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/581>, abgerufen am 22.11.2024.
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