Später, als Morphoplasma und Idioplasma sich schieden und das Letztere als die Vererbungs-Substanz in einen Kern eingeschlossen wurde, um von da aus den Körper der Zelle zu beherrschen, konnten Abänderungen, die durch direkte Ein- wirkung äusserer Einflüsse lediglich am Körper der Zelle entstanden waren, sich nicht mehr als ein Besitz der Art auf die Nachkommen vererben, da sie nur am Morphoplasma hingen, an der Stelle, an welcher sie entstanden waren, nicht ins Idio- plasma übergegangen waren, welches den Anlagen-Bestand der Art ausmacht. So wird also schon bei Einzelligen jede erbliche Variation vom Idioplasma ausgegangen sein müssen, und wir haben also hier schon ähnliche Verhältnisse, wie bei den Metazoen und Metaphyten, nur dass es sich hier nur um die Eigenschaften einer Zelle handelt, nicht um die von vielen. Wenn wir aber sehen, wie ungemein hoch differenzirt der Zellkörper mancher Einzelligen, z. B. der von höheren Infusorien ist, wie complicirt angeordnete Wimpern, schwingende Membranen, Stacheln und Geisseln ihren festen Platz an ihrem Körper haben, wie Gehäuse bestimmter Form, Verschlussdeckel dieser Gehäuse mit Verschluss- band desselben von dem Zellkörper hervorgebracht werden, und nun erwägen, dass das Thier im Stande ist, alle diese Theile neu zu bilden, wenn sie gewaltsam abgerissen werden, so müssen wir wohl zugestehen, dass ein Centrum in diesem kleinen Organismus enthalten sein muss, in welchem die Anlagen aller dieser Theile schlummern, und von welchem aus sie wieder neu hervorgerufen werden können. Dieses Centrum ist der Kern, und Veränderungen der Kernsubstanz allein können Veränderungen des Zellkörpers erblicher Natur hervorrufen.
Dass aber diese Veränderungen nicht leicht und rasch ent- stehen, das beweist uns die scharfbegrenzte Structur der Arten, die -- solange wir sie kennen, -- sich nicht verändert haben.
Aber auch bei den Vielzelligen besitzt das Keimplasma
Weismann, Das Keimplasma. 35
Später, als Morphoplasma und Idioplasma sich schieden und das Letztere als die Vererbungs-Substanz in einen Kern eingeschlossen wurde, um von da aus den Körper der Zelle zu beherrschen, konnten Abänderungen, die durch direkte Ein- wirkung äusserer Einflüsse lediglich am Körper der Zelle entstanden waren, sich nicht mehr als ein Besitz der Art auf die Nachkommen vererben, da sie nur am Morphoplasma hingen, an der Stelle, an welcher sie entstanden waren, nicht ins Idio- plasma übergegangen waren, welches den Anlagen-Bestand der Art ausmacht. So wird also schon bei Einzelligen jede erbliche Variation vom Idioplasma ausgegangen sein müssen, und wir haben also hier schon ähnliche Verhältnisse, wie bei den Metazoen und Metaphyten, nur dass es sich hier nur um die Eigenschaften einer Zelle handelt, nicht um die von vielen. Wenn wir aber sehen, wie ungemein hoch differenzirt der Zellkörper mancher Einzelligen, z. B. der von höheren Infusorien ist, wie complicirt angeordnete Wimpern, schwingende Membranen, Stacheln und Geisseln ihren festen Platz an ihrem Körper haben, wie Gehäuse bestimmter Form, Verschlussdeckel dieser Gehäuse mit Verschluss- band desselben von dem Zellkörper hervorgebracht werden, und nun erwägen, dass das Thier im Stande ist, alle diese Theile neu zu bilden, wenn sie gewaltsam abgerissen werden, so müssen wir wohl zugestehen, dass ein Centrum in diesem kleinen Organismus enthalten sein muss, in welchem die Anlagen aller dieser Theile schlummern, und von welchem aus sie wieder neu hervorgerufen werden können. Dieses Centrum ist der Kern, und Veränderungen der Kernsubstanz allein können Veränderungen des Zellkörpers erblicher Natur hervorrufen.
Dass aber diese Veränderungen nicht leicht und rasch ent- stehen, das beweist uns die scharfbegrenzte Structur der Arten, die — solange wir sie kennen, — sich nicht verändert haben.
Aber auch bei den Vielzelligen besitzt das Keimplasma
Weismann, Das Keimplasma. 35
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Später, als Morphoplasma und Idioplasma sich schieden
und das Letztere als die Vererbungs-Substanz in einen Kern
eingeschlossen wurde, um von da aus den Körper der Zelle zu
beherrschen, konnten Abänderungen, die durch direkte Ein-
wirkung äusserer Einflüsse lediglich am Körper der Zelle
entstanden waren, sich nicht mehr als ein Besitz der Art auf
die Nachkommen vererben, da sie nur am Morphoplasma hingen,
an der Stelle, an welcher sie entstanden waren, nicht ins Idio-
plasma übergegangen waren, welches den Anlagen-Bestand der
Art ausmacht. So wird also schon bei Einzelligen jede erbliche
Variation vom Idioplasma ausgegangen sein müssen, und wir
haben also hier schon ähnliche Verhältnisse, wie bei den Metazoen
und Metaphyten, nur dass es sich hier nur um die Eigenschaften
einer Zelle handelt, nicht um die von vielen. Wenn wir aber
sehen, wie ungemein hoch differenzirt der Zellkörper mancher
Einzelligen, z. B. der von höheren Infusorien ist, wie complicirt
angeordnete Wimpern, schwingende Membranen, Stacheln und
Geisseln ihren festen Platz an ihrem Körper haben, wie Gehäuse
bestimmter Form, Verschlussdeckel dieser Gehäuse mit Verschluss-
band desselben von dem Zellkörper hervorgebracht werden, und
nun erwägen, dass das Thier im Stande ist, alle diese Theile
neu zu bilden, wenn sie gewaltsam abgerissen werden, so müssen
wir wohl zugestehen, dass ein Centrum in diesem kleinen
Organismus enthalten sein muss, in welchem die Anlagen aller
dieser Theile schlummern, und von welchem aus sie wieder neu
hervorgerufen werden können. Dieses Centrum ist der Kern,
und Veränderungen der Kernsubstanz allein können Veränderungen
des Zellkörpers erblicher Natur hervorrufen.
Dass aber diese Veränderungen nicht leicht und rasch ent-
stehen, das beweist uns die scharfbegrenzte Structur der Arten,
die — solange wir sie kennen, — sich nicht verändert haben.
Aber auch bei den Vielzelligen besitzt das Keimplasma
Weismann, Das Keimplasma. 35
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/569>, abgerufen am 25.11.2024.
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