dusenpolypen finden sich solche. Bei diesen werden nur die Sexualdeterminanten doppelten Charakter besitzen. Bei den meisten Thieren aber beschränkt sich der Geschlechtsunterschied nicht blos auf die Keimzellen, sondern auf mehr oder minder ausgedehnte Theile des Soma selbst. Bei allen sexuell di- morphen Wesen müssen deshalb im Keimplasma noch eine verschiedene Anzahl von somatischen Charakteren der Anlage nach doppelt vorhanden sein, alle diejenigen nämlich, welche bei weiblichen und männlichen Individuen verschieden sind. Dies sind zunächst die Organe, in welchen die Geschlechtszellen sich entwickeln, in welchen sie ernährt, aufgespeichert und aus- geleitet werden, also die sog. Geschlechtsdrüsen und ihre Leitungs- wege, dann die Begattungsorgane, aktive und passive, und die Organe zur Eiablage; schliesslich die Organe zur Brutpflege, mögen dieselben in Milchdrüsen, Zitzen und einem Fruchthälter, oder in dem Instinkt bestehen, die Eier im Mund aufzubewahren, wie dies bei einem männlichen Frosch der Tropen vorkommt, oder in dem Instinkt der Schmetterlingsweibchen, ihre Eier in bestimmter Weise an eine bestimmte Pflanze zu legen. Auch in den letzten beiden Fällen muss ein Unterschied im Bau des Körpers, hier in dem der Nervencentren nach dem Geschlecht vorhanden sein, und sowohl der männliche als der weibliche Modus dieser Theile muss latent in jedem Keimplasma ent- halten sein. Ferner aber gehören alle "sekundären" Ge- schlechtscharaktere hierher, die verschiedenen Spürorgane der Männchen, ihre Anlockungsorgane, die prächtigen Farben männlicher Vögel und Schmetterlinge, die Duftorgane der Letz- teren, der Gesang männlicher Vögel und Insekten u. s. w.
Vom Menschen her wissen wir, dass sämmtliche sekundäre Geschlechtscharaktere nicht nur von den Individuen des ent- sprechenden Geschlechtes vererbt werden, sondern auch von denen des andern. Die schöne Sopranstimme der Mutter kann
30*
dusenpolypen finden sich solche. Bei diesen werden nur die Sexualdeterminanten doppelten Charakter besitzen. Bei den meisten Thieren aber beschränkt sich der Geschlechtsunterschied nicht blos auf die Keimzellen, sondern auf mehr oder minder ausgedehnte Theile des Soma selbst. Bei allen sexuell di- morphen Wesen müssen deshalb im Keimplasma noch eine verschiedene Anzahl von somatischen Charakteren der Anlage nach doppelt vorhanden sein, alle diejenigen nämlich, welche bei weiblichen und männlichen Individuen verschieden sind. Dies sind zunächst die Organe, in welchen die Geschlechtszellen sich entwickeln, in welchen sie ernährt, aufgespeichert und aus- geleitet werden, also die sog. Geschlechtsdrüsen und ihre Leitungs- wege, dann die Begattungsorgane, aktive und passive, und die Organe zur Eiablage; schliesslich die Organe zur Brutpflege, mögen dieselben in Milchdrüsen, Zitzen und einem Fruchthälter, oder in dem Instinkt bestehen, die Eier im Mund aufzubewahren, wie dies bei einem männlichen Frosch der Tropen vorkommt, oder in dem Instinkt der Schmetterlingsweibchen, ihre Eier in bestimmter Weise an eine bestimmte Pflanze zu legen. Auch in den letzten beiden Fällen muss ein Unterschied im Bau des Körpers, hier in dem der Nervencentren nach dem Geschlecht vorhanden sein, und sowohl der männliche als der weibliche Modus dieser Theile muss latent in jedem Keimplasma ent- halten sein. Ferner aber gehören alle „sekundären“ Ge- schlechtscharaktere hierher, die verschiedenen Spürorgane der Männchen, ihre Anlockungsorgane, die prächtigen Farben männlicher Vögel und Schmetterlinge, die Duftorgane der Letz- teren, der Gesang männlicher Vögel und Insekten u. s. w.
Vom Menschen her wissen wir, dass sämmtliche sekundäre Geschlechtscharaktere nicht nur von den Individuen des ent- sprechenden Geschlechtes vererbt werden, sondern auch von denen des andern. Die schöne Sopranstimme der Mutter kann
30*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0491"n="467"/>
dusenpolypen finden sich solche. Bei diesen werden <hirendition="#g">nur</hi> die<lb/>
Sexualdeterminanten doppelten Charakter besitzen. Bei den<lb/>
meisten Thieren aber beschränkt sich der Geschlechtsunterschied<lb/>
nicht blos auf die Keimzellen, sondern auf mehr oder minder<lb/>
ausgedehnte Theile des Soma selbst. Bei allen <hirendition="#g">sexuell di-<lb/>
morphen</hi> Wesen müssen deshalb im Keimplasma noch eine<lb/>
verschiedene Anzahl von somatischen Charakteren der Anlage<lb/>
nach doppelt vorhanden sein, alle diejenigen nämlich, welche<lb/>
bei weiblichen und männlichen Individuen verschieden sind.<lb/>
Dies sind zunächst die Organe, in welchen die Geschlechtszellen<lb/>
sich entwickeln, in welchen sie ernährt, aufgespeichert und aus-<lb/>
geleitet werden, also die sog. Geschlechtsdrüsen und ihre Leitungs-<lb/>
wege, dann die Begattungsorgane, aktive und passive, und die<lb/>
Organe zur Eiablage; schliesslich die Organe zur Brutpflege,<lb/>
mögen dieselben in Milchdrüsen, Zitzen und einem Fruchthälter,<lb/>
oder in dem Instinkt bestehen, die Eier im Mund aufzubewahren,<lb/>
wie dies bei einem männlichen Frosch der Tropen vorkommt,<lb/>
oder in dem Instinkt der Schmetterlingsweibchen, ihre Eier in<lb/>
bestimmter Weise an eine bestimmte Pflanze zu legen. Auch<lb/>
in den letzten beiden Fällen muss ein Unterschied im Bau des<lb/>
Körpers, hier in dem der Nervencentren nach dem Geschlecht<lb/>
vorhanden sein, und sowohl der männliche als der weibliche<lb/>
Modus dieser Theile muss latent in jedem Keimplasma ent-<lb/>
halten sein. Ferner aber gehören alle <hirendition="#g">„sekundären“ Ge-<lb/>
schlechtscharaktere</hi> hierher, die verschiedenen Spürorgane<lb/>
der Männchen, ihre Anlockungsorgane, die prächtigen Farben<lb/>
männlicher Vögel und Schmetterlinge, die Duftorgane der Letz-<lb/>
teren, der Gesang männlicher Vögel und Insekten u. s. w.</p><lb/><p>Vom Menschen her wissen wir, dass sämmtliche sekundäre<lb/>
Geschlechtscharaktere nicht nur von den Individuen des ent-<lb/>
sprechenden Geschlechtes vererbt werden, sondern auch von<lb/>
denen des andern. Die schöne Sopranstimme der Mutter kann<lb/><fwplace="bottom"type="sig">30*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[467/0491]
dusenpolypen finden sich solche. Bei diesen werden nur die
Sexualdeterminanten doppelten Charakter besitzen. Bei den
meisten Thieren aber beschränkt sich der Geschlechtsunterschied
nicht blos auf die Keimzellen, sondern auf mehr oder minder
ausgedehnte Theile des Soma selbst. Bei allen sexuell di-
morphen Wesen müssen deshalb im Keimplasma noch eine
verschiedene Anzahl von somatischen Charakteren der Anlage
nach doppelt vorhanden sein, alle diejenigen nämlich, welche
bei weiblichen und männlichen Individuen verschieden sind.
Dies sind zunächst die Organe, in welchen die Geschlechtszellen
sich entwickeln, in welchen sie ernährt, aufgespeichert und aus-
geleitet werden, also die sog. Geschlechtsdrüsen und ihre Leitungs-
wege, dann die Begattungsorgane, aktive und passive, und die
Organe zur Eiablage; schliesslich die Organe zur Brutpflege,
mögen dieselben in Milchdrüsen, Zitzen und einem Fruchthälter,
oder in dem Instinkt bestehen, die Eier im Mund aufzubewahren,
wie dies bei einem männlichen Frosch der Tropen vorkommt,
oder in dem Instinkt der Schmetterlingsweibchen, ihre Eier in
bestimmter Weise an eine bestimmte Pflanze zu legen. Auch
in den letzten beiden Fällen muss ein Unterschied im Bau des
Körpers, hier in dem der Nervencentren nach dem Geschlecht
vorhanden sein, und sowohl der männliche als der weibliche
Modus dieser Theile muss latent in jedem Keimplasma ent-
halten sein. Ferner aber gehören alle „sekundären“ Ge-
schlechtscharaktere hierher, die verschiedenen Spürorgane
der Männchen, ihre Anlockungsorgane, die prächtigen Farben
männlicher Vögel und Schmetterlinge, die Duftorgane der Letz-
teren, der Gesang männlicher Vögel und Insekten u. s. w.
Vom Menschen her wissen wir, dass sämmtliche sekundäre
Geschlechtscharaktere nicht nur von den Individuen des ent-
sprechenden Geschlechtes vererbt werden, sondern auch von
denen des andern. Die schöne Sopranstimme der Mutter kann
30*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/491>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.