schmelzen durch einen Akt der Conjugation, also in ähnlicher Weise, wie die weibliche und männliche Zelle bei der Befruch- tung, und ob so die Grundlage eines neuen Vegetationspunktes gelegt werden kann, müssen die Botaniker entscheiden.1) Läge ein solcher Vorgang hier zu Grunde, so müsste die Zahl der Idanten bei Cytisus Adami so gross sein, als die der beiden Stammarten zusammengenommen, denn eine Reductionstheilung kommt, soviel wir wissen, nur bei der Ge- schlechtszellen-Bildung vor. Die Richtigkeit meiner Annahme ist also durch Beobachtung controlirbar.
Dass zwei jugendliche Pflanzenzellen, ohne zu ver- schmelzen, den Vegetationspunkt des Mischling-Sprosses ge- bildet haben sollten, ist schwer denkbar, weil dann doch wohl nur eine dieser Zellen als Scheitelzelle functionirt haben könnte, mithin der Vererbungs-Einfluss der andern nicht auf ungezählte Tochtersprossen sich erstrecken könnte, wie dies doch thatsäch- lich der Fall ist. Jede akrofugal von der Scheitellzelle liegende Zelle der andern Art müsste nothwendig immer weiter von dem Vegetationspunkt abgedrängt worden sein im Laufe des Wachsthums. Eine so innige Mischung der Charaktere, wie sie thatsächlich eintrat, könnte auf diesem Wege nicht zu Stande gekommen sein.
Ich möchte deshalb eine abnormale Amphimixis als Grund- lage der seltsamen Erscheinungen bei Cytisus Adami vermuthen,
1)Kernverschmelzung kommt in der That auch, abgesehen von dem Befruchtungsvorgang, bei Pflanzen vor, nämlich im Embryo- sack der Phanerogamen. Guignard beschreibt (a. a. O.) ausführlich, wie der "obere und untere Polkern" des Embryosackes sich einander nähern, ein jeder begleitet von seinem, bereits durch Theilung ver- doppelten Centrosoma, wie die Kerne sich aneinanderlegen, die Centro- somen sich paarweise koppeln, ganz wie bei echter Amphimixis, und wie dann völlige Verschmelzung der beiden Kerne eintritt. Dann erst bildet sich eine Theilungsspindel und mehrere Theilungen folgen unmittelbar aufeinander.
schmelzen durch einen Akt der Conjugation, also in ähnlicher Weise, wie die weibliche und männliche Zelle bei der Befruch- tung, und ob so die Grundlage eines neuen Vegetationspunktes gelegt werden kann, müssen die Botaniker entscheiden.1) Läge ein solcher Vorgang hier zu Grunde, so müsste die Zahl der Idanten bei Cytisus Adami so gross sein, als die der beiden Stammarten zusammengenommen, denn eine Reductionstheilung kommt, soviel wir wissen, nur bei der Ge- schlechtszellen-Bildung vor. Die Richtigkeit meiner Annahme ist also durch Beobachtung controlirbar.
Dass zwei jugendliche Pflanzenzellen, ohne zu ver- schmelzen, den Vegetationspunkt des Mischling-Sprosses ge- bildet haben sollten, ist schwer denkbar, weil dann doch wohl nur eine dieser Zellen als Scheitelzelle functionirt haben könnte, mithin der Vererbungs-Einfluss der andern nicht auf ungezählte Tochtersprossen sich erstrecken könnte, wie dies doch thatsäch- lich der Fall ist. Jede akrofugal von der Scheitellzelle liegende Zelle der andern Art müsste nothwendig immer weiter von dem Vegetationspunkt abgedrängt worden sein im Laufe des Wachsthums. Eine so innige Mischung der Charaktere, wie sie thatsächlich eintrat, könnte auf diesem Wege nicht zu Stande gekommen sein.
Ich möchte deshalb eine abnormale Amphimixis als Grund- lage der seltsamen Erscheinungen bei Cytisus Adami vermuthen,
1)Kernverschmelzung kommt in der That auch, abgesehen von dem Befruchtungsvorgang, bei Pflanzen vor, nämlich im Embryo- sack der Phanerogamen. Guignard beschreibt (a. a. O.) ausführlich, wie der „obere und untere Polkern“ des Embryosackes sich einander nähern, ein jeder begleitet von seinem, bereits durch Theilung ver- doppelten Centrosoma, wie die Kerne sich aneinanderlegen, die Centro- somen sich paarweise koppeln, ganz wie bei echter Amphimixis, und wie dann völlige Verschmelzung der beiden Kerne eintritt. Dann erst bildet sich eine Theilungsspindel und mehrere Theilungen folgen unmittelbar aufeinander.
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schmelzen durch einen Akt der Conjugation, also in ähnlicher
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gelegt werden kann, müssen die Botaniker entscheiden. 1) Läge
ein solcher Vorgang hier zu Grunde, so müsste die Zahl
der Idanten bei Cytisus Adami so gross sein, als die
der beiden Stammarten zusammengenommen, denn eine
Reductionstheilung kommt, soviel wir wissen, nur bei der Ge-
schlechtszellen-Bildung vor. Die Richtigkeit meiner Annahme
ist also durch Beobachtung controlirbar.
Dass zwei jugendliche Pflanzenzellen, ohne zu ver-
schmelzen, den Vegetationspunkt des Mischling-Sprosses ge-
bildet haben sollten, ist schwer denkbar, weil dann doch wohl
nur eine dieser Zellen als Scheitelzelle functionirt haben könnte,
mithin der Vererbungs-Einfluss der andern nicht auf ungezählte
Tochtersprossen sich erstrecken könnte, wie dies doch thatsäch-
lich der Fall ist. Jede akrofugal von der Scheitellzelle liegende
Zelle der andern Art müsste nothwendig immer weiter von
dem Vegetationspunkt abgedrängt worden sein im Laufe des
Wachsthums. Eine so innige Mischung der Charaktere, wie
sie thatsächlich eintrat, könnte auf diesem Wege nicht zu Stande
gekommen sein.
Ich möchte deshalb eine abnormale Amphimixis als Grund-
lage der seltsamen Erscheinungen bei Cytisus Adami vermuthen,
1) Kernverschmelzung kommt in der That auch, abgesehen
von dem Befruchtungsvorgang, bei Pflanzen vor, nämlich im Embryo-
sack der Phanerogamen. Guignard beschreibt (a. a. O.) ausführlich,
wie der „obere und untere Polkern“ des Embryosackes sich einander
nähern, ein jeder begleitet von seinem, bereits durch Theilung ver-
doppelten Centrosoma, wie die Kerne sich aneinanderlegen, die Centro-
somen sich paarweise koppeln, ganz wie bei echter Amphimixis, und wie
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/472>, abgerufen am 22.11.2024.
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