Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Capitel X.
Die Erscheinungen des Rückschlags,
abgeleitet aus dem amphimixotischen Keimplasma.

1. Rückschlag auf Rassencharaktere bei Pflanzenmisch-
lingen.

Unter Rückschlag versteht man bekanntlich das Auftreten
von Merkmalen, welche bei entfernteren Vorfahren vorhanden
waren, den unmittelbaren Vorfahren (Eltern) aber fehlten. Die
Thatsachen sind ja bekannt genug, und ich will hier nur so
viel von ihnen aufführen, als zum weiteren Ausbau der Theorie
nothwendig ist.

Der einfachste Fall von Rückschlag ist bei den Bastar-
den
zu finden. Es kommt vor, dass Pflanzen-Bastarde, die mit
eignem Pollen bestäubt wurden, Nachkommen hervorbringen,
von denen einige mehr oder weniger blos der einen der beiden
grosselterlichen Arten gleichen. Dies wäre also ein einfacher
Rückschlag auf den einen Grosselter. Solche Fälle kommen
zwar sicher vor, aber nicht bei allen Pflanzen-Mischlingen, und
auch da, wo sie vorkommen, nicht häufig. Darwin führt
schon zwei einander entgegengesetzte Angaben in Bezug darauf
an, nämlich Wichura, der bei seinen Weiden-Bastarden niemals
einen solchen Rückschlag beobachtete, und Naudin, welcher
ihn bei Cucurbitaceen häufig eintreten sah. Er glaubt diesen
Widerspruch durch die Angabe Gärtner's gelöst, welcher Fälle
von Rückschlag selten bei Bastarden eintreten sah, die von wild-
wachsenden Arten gebildet worden waren, häufig aber bei
Bastarden aus cultivirten Arten. Seitdem haben sich die An-
sichten darüber noch etwas geändert, denn Focke giebt an,
dass "vollständige Rückschläge zu den Stammformen ohne Ein-
wirkung stammelterlichen Pollens fast nur bei Mischlingen aus

Capitel X.
Die Erscheinungen des Rückschlags,
abgeleitet aus dem amphimixotischen Keimplasma.

1. Rückschlag auf Rassencharaktere bei Pflanzenmisch-
lingen.

Unter Rückschlag versteht man bekanntlich das Auftreten
von Merkmalen, welche bei entfernteren Vorfahren vorhanden
waren, den unmittelbaren Vorfahren (Eltern) aber fehlten. Die
Thatsachen sind ja bekannt genug, und ich will hier nur so
viel von ihnen aufführen, als zum weiteren Ausbau der Theorie
nothwendig ist.

Der einfachste Fall von Rückschlag ist bei den Bastar-
den
zu finden. Es kommt vor, dass Pflanzen-Bastarde, die mit
eignem Pollen bestäubt wurden, Nachkommen hervorbringen,
von denen einige mehr oder weniger blos der einen der beiden
grosselterlichen Arten gleichen. Dies wäre also ein einfacher
Rückschlag auf den einen Grosselter. Solche Fälle kommen
zwar sicher vor, aber nicht bei allen Pflanzen-Mischlingen, und
auch da, wo sie vorkommen, nicht häufig. Darwin führt
schon zwei einander entgegengesetzte Angaben in Bezug darauf
an, nämlich Wichura, der bei seinen Weiden-Bastarden niemals
einen solchen Rückschlag beobachtete, und Naudin, welcher
ihn bei Cucurbitaceen häufig eintreten sah. Er glaubt diesen
Widerspruch durch die Angabe Gärtner’s gelöst, welcher Fälle
von Rückschlag selten bei Bastarden eintreten sah, die von wild-
wachsenden Arten gebildet worden waren, häufig aber bei
Bastarden aus cultivirten Arten. Seitdem haben sich die An-
sichten darüber noch etwas geändert, denn Focke giebt an,
dass „vollständige Rückschläge zu den Stammformen ohne Ein-
wirkung stammelterlichen Pollens fast nur bei Mischlingen aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0416" n="392"/>
        <div n="2">
          <head>Capitel X.<lb/><hi rendition="#b">Die Erscheinungen des Rückschlags,</hi><lb/>
abgeleitet aus dem amphimixotischen Keimplasma.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">1. Rückschlag auf Rassencharaktere bei Pflanzenmisch-<lb/>
lingen.</hi> </head><lb/>
            <p>Unter <hi rendition="#g">Rückschlag</hi> versteht man bekanntlich das Auftreten<lb/>
von Merkmalen, welche bei <hi rendition="#g">entfernteren</hi> Vorfahren vorhanden<lb/>
waren, den <hi rendition="#g">unmittelbaren</hi> Vorfahren (Eltern) aber fehlten. Die<lb/>
Thatsachen sind ja bekannt genug, und ich will hier nur so<lb/>
viel von ihnen aufführen, als zum weiteren Ausbau der Theorie<lb/>
nothwendig ist.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#g">einfachste Fall von Rückschlag</hi> ist bei den <hi rendition="#g">Bastar-<lb/>
den</hi> zu finden. Es kommt vor, dass Pflanzen-Bastarde, die mit<lb/>
eignem Pollen bestäubt wurden, Nachkommen hervorbringen,<lb/>
von denen einige mehr oder weniger blos der <hi rendition="#g">einen</hi> der beiden<lb/>
grosselterlichen Arten gleichen. Dies wäre also ein einfacher<lb/>
Rückschlag auf den einen Grosselter. Solche Fälle kommen<lb/>
zwar sicher vor, aber nicht bei allen Pflanzen-Mischlingen, und<lb/>
auch da, wo sie vorkommen, nicht häufig. <hi rendition="#g">Darwin</hi> führt<lb/>
schon zwei einander entgegengesetzte Angaben in Bezug darauf<lb/>
an, nämlich <hi rendition="#g">Wichura</hi>, der bei seinen Weiden-Bastarden niemals<lb/>
einen solchen Rückschlag beobachtete, und <hi rendition="#g">Naudin</hi>, welcher<lb/>
ihn bei Cucurbitaceen häufig eintreten sah. Er glaubt diesen<lb/>
Widerspruch durch die Angabe <hi rendition="#g">Gärtner&#x2019;s</hi> gelöst, welcher Fälle<lb/>
von Rückschlag selten bei Bastarden eintreten sah, die von wild-<lb/>
wachsenden Arten gebildet worden waren, häufig aber bei<lb/>
Bastarden aus cultivirten Arten. Seitdem haben sich die An-<lb/>
sichten darüber noch etwas geändert, denn <hi rendition="#g">Focke</hi> giebt an,<lb/>
dass &#x201E;vollständige Rückschläge zu den Stammformen ohne Ein-<lb/>
wirkung stammelterlichen Pollens fast nur bei Mischlingen aus<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[392/0416] Capitel X. Die Erscheinungen des Rückschlags, abgeleitet aus dem amphimixotischen Keimplasma. 1. Rückschlag auf Rassencharaktere bei Pflanzenmisch- lingen. Unter Rückschlag versteht man bekanntlich das Auftreten von Merkmalen, welche bei entfernteren Vorfahren vorhanden waren, den unmittelbaren Vorfahren (Eltern) aber fehlten. Die Thatsachen sind ja bekannt genug, und ich will hier nur so viel von ihnen aufführen, als zum weiteren Ausbau der Theorie nothwendig ist. Der einfachste Fall von Rückschlag ist bei den Bastar- den zu finden. Es kommt vor, dass Pflanzen-Bastarde, die mit eignem Pollen bestäubt wurden, Nachkommen hervorbringen, von denen einige mehr oder weniger blos der einen der beiden grosselterlichen Arten gleichen. Dies wäre also ein einfacher Rückschlag auf den einen Grosselter. Solche Fälle kommen zwar sicher vor, aber nicht bei allen Pflanzen-Mischlingen, und auch da, wo sie vorkommen, nicht häufig. Darwin führt schon zwei einander entgegengesetzte Angaben in Bezug darauf an, nämlich Wichura, der bei seinen Weiden-Bastarden niemals einen solchen Rückschlag beobachtete, und Naudin, welcher ihn bei Cucurbitaceen häufig eintreten sah. Er glaubt diesen Widerspruch durch die Angabe Gärtner’s gelöst, welcher Fälle von Rückschlag selten bei Bastarden eintreten sah, die von wild- wachsenden Arten gebildet worden waren, häufig aber bei Bastarden aus cultivirten Arten. Seitdem haben sich die An- sichten darüber noch etwas geändert, denn Focke giebt an, dass „vollständige Rückschläge zu den Stammformen ohne Ein- wirkung stammelterlichen Pollens fast nur bei Mischlingen aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/416
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/416>, abgerufen am 22.12.2024.