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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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der paniculata weitere Zellfolgen ins Leben rufen können. Da
diese aber nur in der halben Normalzahl vorhanden sind, mögen
auch die von ihnen noch ausgehenden Bildungen nicht so voll-
ständig werden, wie in der reinen Stammform, ganz abgesehen
davon, dass möglicherweise die Ide der rustica doch nicht ganz
verschwinden, sondern mit den Nachkommen ihrer letzten De-
terminante sich über ihre eigentliche Dauer hinaus erhalten
und so ein Hinderniss für die Entwickelung der reinen pani-
culata-Charaktere werden mögen. So wird es wenigstens im
Princip vorstellbar, wie Mittelformen auch da entstehen können,
wo der Kampf der Eltern-Ide nicht bis in die letzten Zellen
der Ontogenese hineinreicht, wo vielmehr die Species-Charaktere
schon früher aufeinander treffen, wie eben bei der schwachen
oder reichen Verästelung der Pflanze. Aus dem Folgenden wird
dies noch besser klar werden.

Der zweite Fall ist der, dass in allen Theilen der Misch-
pflanze entweder die väterlichen oder die mütterlichen Charaktere
vorherrschen, dass also die Mischpflanze mehr dem einen
Elter
nachschlägt: scheinbar einelterliche Vererbung.

Beobachtungen dieser Art liegen mehrfach vor, und zwar
sowohl Fälle von Vorherrschen der väterlichen, als der mütter-
lichen Charaktere. Beispiele für Beides finden sich schon in
derselben Gattung Nicotiana. "Der Bastard Nicotiana pani-
culata x vincaeflora ist der N. vincaeflora so ähnlich, dass
die N. paniculata kaum noch darin zu erkennen ist" (Focke
p. 289). Hier überwiegt also der Vater, während bei der Kreuzung
von Nicotiana suaveolens x N. Langsdorffii "wenig Ähn-
lichkeit mit N. Langsdorffii zeigt"; hier überwiegt also die
Mutter, die Bastardpflanzen sind der suaveolens "ungemein ähn-
lich" und unterscheiden sich von ihr nur "durch eine theil-
weise Lösung der Staubfäden von der Kronenröhre, durch eine
leichte Abänderung in Farbe und Grösse der Blüthen, durch

der paniculata weitere Zellfolgen ins Leben rufen können. Da
diese aber nur in der halben Normalzahl vorhanden sind, mögen
auch die von ihnen noch ausgehenden Bildungen nicht so voll-
ständig werden, wie in der reinen Stammform, ganz abgesehen
davon, dass möglicherweise die Ide der rustica doch nicht ganz
verschwinden, sondern mit den Nachkommen ihrer letzten De-
terminante sich über ihre eigentliche Dauer hinaus erhalten
und so ein Hinderniss für die Entwickelung der reinen pani-
culata-Charaktere werden mögen. So wird es wenigstens im
Princip vorstellbar, wie Mittelformen auch da entstehen können,
wo der Kampf der Eltern-Ide nicht bis in die letzten Zellen
der Ontogenese hineinreicht, wo vielmehr die Species-Charaktere
schon früher aufeinander treffen, wie eben bei der schwachen
oder reichen Verästelung der Pflanze. Aus dem Folgenden wird
dies noch besser klar werden.

Der zweite Fall ist der, dass in allen Theilen der Misch-
pflanze entweder die väterlichen oder die mütterlichen Charaktere
vorherrschen, dass also die Mischpflanze mehr dem einen
Elter
nachschlägt: scheinbar einelterliche Vererbung.

Beobachtungen dieser Art liegen mehrfach vor, und zwar
sowohl Fälle von Vorherrschen der väterlichen, als der mütter-
lichen Charaktere. Beispiele für Beides finden sich schon in
derselben Gattung Nicotiana. „Der Bastard Nicotiana pani-
culata ♀ × vincaeflora ♂ ist der N. vincaeflora so ähnlich, dass
die N. paniculata kaum noch darin zu erkennen ist“ (Focke
p. 289). Hier überwiegt also der Vater, während bei der Kreuzung
von Nicotiana suaveolens ♀ × N. Langsdorffii ♂ „wenig Ähn-
lichkeit mit N. Langsdorffii zeigt“; hier überwiegt also die
Mutter, die Bastardpflanzen sind der suaveolens „ungemein ähn-
lich“ und unterscheiden sich von ihr nur „durch eine theil-
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[350/0374] der paniculata weitere Zellfolgen ins Leben rufen können. Da diese aber nur in der halben Normalzahl vorhanden sind, mögen auch die von ihnen noch ausgehenden Bildungen nicht so voll- ständig werden, wie in der reinen Stammform, ganz abgesehen davon, dass möglicherweise die Ide der rustica doch nicht ganz verschwinden, sondern mit den Nachkommen ihrer letzten De- terminante sich über ihre eigentliche Dauer hinaus erhalten und so ein Hinderniss für die Entwickelung der reinen pani- culata-Charaktere werden mögen. So wird es wenigstens im Princip vorstellbar, wie Mittelformen auch da entstehen können, wo der Kampf der Eltern-Ide nicht bis in die letzten Zellen der Ontogenese hineinreicht, wo vielmehr die Species-Charaktere schon früher aufeinander treffen, wie eben bei der schwachen oder reichen Verästelung der Pflanze. Aus dem Folgenden wird dies noch besser klar werden. Der zweite Fall ist der, dass in allen Theilen der Misch- pflanze entweder die väterlichen oder die mütterlichen Charaktere vorherrschen, dass also die Mischpflanze mehr dem einen Elter nachschlägt: scheinbar einelterliche Vererbung. Beobachtungen dieser Art liegen mehrfach vor, und zwar sowohl Fälle von Vorherrschen der väterlichen, als der mütter- lichen Charaktere. Beispiele für Beides finden sich schon in derselben Gattung Nicotiana. „Der Bastard Nicotiana pani- culata ♀ × vincaeflora ♂ ist der N. vincaeflora so ähnlich, dass die N. paniculata kaum noch darin zu erkennen ist“ (Focke p. 289). Hier überwiegt also der Vater, während bei der Kreuzung von Nicotiana suaveolens ♀ × N. Langsdorffii ♂ „wenig Ähn- lichkeit mit N. Langsdorffii zeigt“; hier überwiegt also die Mutter, die Bastardpflanzen sind der suaveolens „ungemein ähn- lich“ und unterscheiden sich von ihr nur „durch eine theil- weise Lösung der Staubfäden von der Kronenröhre, durch eine leichte Abänderung in Farbe und Grösse der Blüthen, durch

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/374>, abgerufen am 25.11.2024.